Vier ehemalige Glücksspiel-Moderatoren machen sich auf dem Weg, den Jakobsweg zu bezwingen. Eine oftmals schmerzhafte Erfahrung... nicht nur für die vier Pilger.
Fast tausend Jahre ist der Camino de Santiago, auch Jakobsweg genannt, Teil der Pilgergeschichte. Das Grab des heiligen Jakobus ist nach Jerusalem und Rom eines der wichtigsten Pilgerziele des Christentums. Auch wenn ein Besuch des berühmten Apostels nicht immer die Motivation sein wird, zieht diese berühmte Strecke oft prominente Pilger an: Unter anderem machten sich bereits Johannes Paul II., Otto von Habsburg, Schriftsteller Henrik Stangrup, Schauspielerin Shirley MacLaine, Moderator Frank Elstner, Präsidententochter Jenna Bush und nicht zuletzt Hape Kerkeling auf den beschwerlichen Weg. Um... Naja, um was eigentlich zu finden? Für Hape Kerkeling wartete ein deutscher Bestseller namens «Ich bin dann mal weg» am Ende der Straße, auch wenn man kaum davon ausgehen kann, dass dieser eher profane Erfolg, der die Anzahl der deutschen Jakobspilger um 70 Prozent steigen ließ, geplant war. Ob christliche Motive oder nicht, ob prominent oder nicht, jeder Pilger zieht wohl etwas anderes aus diesem langen Fußweg.
Angeschlagene Pilger und eine schwer zu ertragende Moderation
Die Wanderer, die an «Old Guys on Tour» teilnehmen, sind deswegen nicht überraschender oder sonderbarer als all das, was der Jakobsweg zuvor gesehen hat, mal abgesehen von der Zusammensetzung aus 90er Jahre Gameshow-Moderatoren - so etwas wie die «Expandables» der deutschen Moderationslandschaft: Angeführt wird die Truppe vom 70jährigen Jörg Dräger, ehemaliger «Geh aufs Ganze!»-Moderator und notorischer Zonk-Verteiler. Der 63jährige Ex-«Glücksrad»-Moderator Frederic Meisner, der 67jährige «Der Preis ist heiß»-Moderator Harry Wijnvoord und der 72jährige Björn Hergen-Schimpf, der sowohl bei den Öffentlich Rechtlichen als auch bei RTL und Vox unterschiedliche Sendungen moderierte, folgen Dräger mal mehr und mal weniger motiviert. Dieser hat den Jakobsweg wiederum schon beeindruckende neun Mal absolviert und ist dementsprechend als Anführer des Old Guys-Teams prädestiniert. Herauskommen kann bei dieser Konstellation so ziemlich alles. Das beste und reizvollste Szenario wäre eine nachdenkliche, spirituelle Reise von vier Showgeschäft-Semigrößen, die auf ein sicherlich interessantes Leben im Rampenlicht zurückblicken können. Ein schlechtes Szenario wäre eine «Ich bin ein Star, hol mich hier raus!»- oder «Promi-Big Brother»-Variante mit alten Herrschaften, die sich wie Kindergartenkinder streitend durch die Landschaft bewegen.
Komiker-Urgestein Karl Dall übernimmt die Funktion des Moderators, Kommentators und "Reiseleiters" und so brutal es auch klingen mag, es wird schnell klar, dass er absolut kein Talent dafür hat. Dall mag durchaus ein Original sein und auch das mag seinen Wert haben, dennoch hat er keine Stimme fürs Erzählen. Er mischt nützliche Informationen über den Jakobsweg mit schlechten "Puff"- und "Nutten"-Witzen, die zwar nicht spaßig oder empörend sind, aber dafür äußerst langweilig. Dafür sorgt allein schon Dalls monotone und gelangweilte Sprechweise, mit der er seinen Text aufsagt. Zwar bezeichnet er die vier Pilger-Moderatoren als "alte Säcke", seine einzige Qualifikation für den Job scheint aber zu sein, dass er selbst wirklich, wirklich alt ist. Bevor sich die vier jedoch auf dem Weg machen, werden sie noch einmal von dem jungen Arzt Dr. Michael Caspers untersucht, der die Pilger zur Sicherheit auch auf ihrem Weg begleitet. Eine Begleitung, die sogar etwas Frische in das Senioren-Gespann bringt und vor allem Harry Wijnvoord zukünftig noch zu schätzen wissen wird. Zunächst sind aber alle ihres Alters entsprechend unfit: Knie, Waden, alles tut weh oder leidet unter Materialverschleiß. Wijnvoord muss sich mit Altersdiabetes herumschlagen und Jörg Dräger raucht bis zu 60 Zigaretten am Tag, was schon auf seine eigene Weise wieder irgendwie beeindruckend ist. Trotz dieser kleineren und größeren Wehwechen ist zu Beginn der Tour noch so etwas wie Aufregung zu spüren, die allerdings schnell den typischen Promi-Zankereien weichen soll.
Alt-Herren-Maulerei mit redundanter Musikuntermalung
500 km in 20 Tagen, 25 km am Tag mit bis zu 18 Prozent Steigerungen sind wahrscheinlich für Jedermann anstrengend und dabei kann es schnell passieren, dass man ein wenig gereizt ist. Es ist aber vor allem Jörg Dräger, der ohne Rücksicht auf Verluste voranprescht, rumzickt und seine Kameraden zur Schnecke macht. Und wenn sich dieses Verhalten auch in den zukünftigen Episoden fortsetzen sollte, wird der «Geh aufs Ganze!»-Moderator eine größere Herausforderung sein als der beschwerliche Jakobsweg selbst - nicht nur für die drei anderen Wanderer, sondern auch für den Zuschauer. Wer sich das Highlight-Reel anschaut, welches Tele5 auf seinem Youtube-Kanal veröffentlicht hat, bekommt einen ziemlich guten Eindruck davon, was in den nächsten 11 Episoden wahrscheinlich bevorstehen wird. Viele dramatische Schnitte, schnelle Zooms und eine überzogene Musikuntermalung, die aus allen Filmen der Filmgeschichte zusammengeklaut wurde bzw. für die Tele 5 wahrscheinlich sein gesamtes Archiv geplündert hat. Diese soll dem Zuschauer vermitteln, wann und welche Gefühle sie/er gefälligst zu fühlen hat. Alles Aspekte, die einer ruhigen Nachdenklichkeit widerspricht, die der Camino de Santiago als Setting verspricht.
Sicher braucht Fernsehen - auch das sogenannte Reality-TV - Konflikte und Dramatik, ein wenig mehr Subtilität hätte der Sendung dennoch gut getan. Denn Konflikt ist anscheinend das einzige, worauf man sich zumindest in dieser Episode konzentriert. Fürs Innehalten, Durchatmen oder gar, um das Geschaffte besinnlich in sich aufzunehmen, bleibt hier kaum Zeit und das ist irgendwie ein Problem. Grandpa-Simpson-Maulerei trifft hier auf Dschungelcamp-Zickerei, ohne jeglichen Pfiff in der Moderation. Sympathisch kommt fast nur Frederic Meisner weg, der stillschweigend und genießend mitläuft, aber wie sich später herausstellen soll, das Gequatsche von Dräger eigentlich auch nicht ertragen kann. Immerhin finden Wijnvoord und Björn Hergen-Schimpf trotz Schmerzen genug Galgenhumor, damit sie sich über Dräger lustig machen können, der scheinbar alle dazu zwingen muss, doch endlich mal die schöne Landschaft zu genießen. Wjinvoord muss 2 km vor dem Ende der ersten Etappe leider aufgeben. Doch gerade hier findet «Old Guys on Tour» tatsächlich einen willkommenen, ruhigen und melancholischen Moment, bei dem nicht nur Wjinvoord über das Altern nachdenken muss. Und auch beim anschließenden Gottesdienst haben sich alle auf ihre ganz spezielle Weise wieder lieb.
Eines sollte jedoch klar sein: Wandern oder Pilgern ist selten dramatisch oder spannend und daran können auch keine schnellen Schnitte oder exorbitant-übertriebene Musik, die dem Zuschauer entegegenschmettert, etwas ändern. Wem die sture Vorwärtsbewegung nicht aufregend genug ist, wird auch die Überinszenierung von Tele 5 mit der furchtbar nervtötenden Musikuntermalung nicht vom Jakobsweg überzeugen.