Am 1. Oktober geht der lang geplante Jugendkanal von ARD und ZDF an den Start. Glücklicherweise wird er nicht Jugendkanal heißen. Was man sonst noch richtig gemacht hat...
Auf den Jugendkanal der Öffentlich-Rechtlichen hat keiner gewartet. Das sagte niemand anderes als der Programmgeschäftsführer jenes Jugendkanals, der nun „Funk“ heißt, am 1. Oktober an den Start geht, nicht als linearer Sender existiert und dessen Angebot sich weniger als Plattform, sondern als Netzwerk sieht, das innovativen Content für eine junge Zielgruppe verbreiten will.
Viele Branchenkenner und Medienjournalisten haben vor dem Projekt „Jugendkanal“ schon gewarnt, als es noch gar nicht beschlossen war: Es werde, so ihre Argumentation, letztlich die Funktion eines lupenreinen Alibis für ARD und ZDF erfüllen, um in ihren Hauptprogrammen ungehindert ihre steinalte Herzkino- und «Um-Himmels-Willen»-Bespaßung fortzusetzen und bei unangenehmen Fragen, welche ihrer Programmfarben denn zumindest die Unter-Dreißigjährigen ansprechen sollen, auf jenen „Jugendkanal“ zu verweisen.
Hoffen wir, dieses Argument nie aus dem Mund von Thomas Bellut oder Karola Wille zu hören. Denn auch wenn man kritisieren mag, dass die Schaffung einer eigenen jungen Plattform das Problem einer unzureichenden Einbindung junger Zuschauer im Kerngeschäft (den Hauptsendern!) eher noch verschärfen wird, und man die ersten Reibungsverluste oder Friktionen zwischen den Gremien der ARD und des ZDF bereits ahnen kann, ist bei den grundsätzlichen strategischen Überlegungen viel richtig gemacht worden: Das Publikum soll da abgeholt werden, wo es schon ist, sprich: im Netz. Auf eine lineare Ausstrahlung der Programme kann getrost verzichtet werden. Dass man den Content auch auf bereits etablierten Plattformen zur Verfügung stellen will anstatt ihn exklusiv über die eigene Seite zu vertreiben, zeugt von Weitsicht und einer realistischen Betrachtung des Ausgangspunkts: Niemand hat auf den Jugendkanal der Öffentlich-Rechtlichen gewartet.
Und Bellut und Wille sei Dank hat man ihn nicht Jugendkanal genannt, dieses fürchterlich generische Siebzigerjahre-Wortungetüm, das so sexy klingt wie Rundfunkstaatsvertrag und so jung wie Voltaren. Stattdessen: „Funk“. Zwar auch generisch, aber kurz, prägnant, nicht so anbiedernd.
Liest man sich durch die Formatankündigungen, erkennt man vieles, das sinnig auf die anvisierten Zielgruppen zugeschnitten ist, und das grundsätzliche Verständnis der Macher, dass zwischen der Lebensrealität eines Vierzehnjährigen und der eines Neunundzwanzigjährigen gewisse Unterschiede bestehen. Eine Binsenweisheit, mag man meinen, doch wir sprechen schließlich von den Öffentlich-Rechtlichen.
Aber unfaire Klischees beiseite: „Funk“ droht kein öffentlich-rechtliches Pendant der Nonsens-Klitsche Bento zu werden, genauso wenig wie eine Product-Placement-freie Version von Bibis Beauty-Fetischismus. Damit hat man vor dem Start immerhin die schlimmsten Befürchtungen kritischer Branchenbeobachter ausgeräumt.
Bleiben die Fragen: Wozu das Ganze? Wie will sich „Funk“ langfristig von den bereits etablierten jungen Formaten im Netz unterscheiden – ob im Info-, Unterhaltungs- oder Fiction-Segment? Welche neue Farbe kann „Funk“ etablieren, die die existierenden Strukturen „privater“ Angebote nicht bewerkstelligen können?
Erst wenn sich diese Fragen präzise beantworten lassen, werde ich überzeugt sein, dass die 40 Millionen Euro Jahresbudget für dieses Projekt (freilich Peanuts im Vergleich zu anderen Posten) eine sinnvolle, nachhaltige Investition sind.