Ein Film, der nicht weiß, ob er Thriller oder Drama sein will, schafft leider keinen stimmigen Genre-Mix, sondern: nichts Halbes und nichts Ganzes.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Franziska Weisz als Tina Siebold
Katharina Wackernagel als Pola Warlimont
Arnd Klawitter als Karl Siebold
Philipp Christopher als Sven Kellermann
Hinter der Kamera:
Produktion: Ziegler Film
Drehbuch: Marcus O. Rosenmüller und Stefan Brunner
Regie: Marcus O. Rosenmüller
Kamera: Roman Novocien
Produzentin: Tanja ZieglerAls ihre Tochter vom Balkon fällt und dabei zu Tode kommt, ist Tina Siebold (Franziska Weisz) gerade bei der Arbeit, wo sie eine antike Statue restauriert. Ihr Mann Karl (Arnd Klawitter) hatte während des Unfalls die Nachbarin geknallt. Dass er immer wieder Affären mit anderen Frauen hat, weiß Tina, und scheint ihren Frieden damit gemacht zu haben.
Obwohl sie zu einem Gesprächskreis für Trauernde geht, das Grab ihrer Tochter schmückt und sich wortkarg-betroffen durch Gespräche mit Außenstehenden hangelt, scheint sie nicht um ihr Kind zu trauern. Emotionslos arbeitet sie Formalitäten ab und sucht einen Sarg aus wie andere eine Bohrmaschine. Alexithymie, vermutet der Psychologe des Trauergesprächskreises hinter ihrem Verhalten, eine Unfähigkeit, die eigenen Gefühle wie die Fremder richtig zu deuten und zu empfinden, was sich in einer finsteren Gefühlskälte äußert.
Eines weinseligen Abends überredet Tina ihre Freundin und Kollegin Pola (Katharina Wackernagel), mit ihr zusammen zu tindern. Die beiden erstellen Profile auf Seitensprungseiten – und zügig beißt bei Tina der Erste an: Faun nennt er sich, was zu ihrem Nickname, einer nordischen Göttin, gut passt. Die beiden treffen sich, haben Sex – und Tina verschwindet spurlos. Pola denkt an eine Entführung und weiht Tinas Mann in das Geheimnis seiner Frau ein. Der hatte nicht nur am Tod seiner Tochter schwer zu schaffen, sondern auch an der emotionalen Eiseskälte, mit der seine Frau auf dieses tragische Ereignis reagierte.
Leider weiß dieser Film seine ganze Laufzeit über nicht so recht, was er sein will: Er beginnt als ein etwas entrücktes, nicht selten überreizt inszeniertes Drama, wandelt sich aber mit der Zeit zu einem Mitknobelthriller, um am Schluss wieder einen Schlenker ins Psycho-Drama zu nehmen. Leider wird daraus kein stimmiger Genre-Mix, sondern: nichts Halbes und nichts Ganzes. Um Screentime für seinen Thriller-Plot freizuräumen, werden die an sich sehr spannenden tiefenpsychologischen Dispositionen von Tina nur oberflächlich abgearbeitet (auch wenn Franziska Weiszs beeindruckendes Spiel viele Facetten offenbart), während der Wandel zum Thriller eben keine sinnige Ergänzung dieses dramatischen Stoffes ist, sondern ein Abstecher in die falsche Richtung, der noch dazu eine ziemlich unangenehme Auflösung erfährt: Nehmt euch in Acht vor den Gefühlskalten!
Das wäre nicht so schade, wenn man nicht all die Bemühungen erkennen könnte und die vielen richtigen Gedanken, die in «Tödliche Gefühle» leider nicht richtig zu Ende gedacht wurden. Zu oft liegt der narrative Fokus statt auf der spannenden, interessanten Ausgangssituation (eine Frau mit Alexithmyie, die nicht trauern kann und dadurch mit ihrem trauerndem Umfeld in Konflikt gerät) auf halsbrecherischen Plot-Wendungen, die zu bemüht auf
Ticking Clock geschrieben sind und weit fahriger aufgelöst werden als es das narrative Potential erlaubt hätte.
Das ZDF zeigt «Tödliche Gefühle» am Montag, den 3. Oktober um 20.15 Uhr.