Im Angesicht eines verheerenden Terroranschlags auf das Machtzentrum der USA wächst ein Mann über sich hinaus und zeigt, dass die beste Wahl für ein wichtiges Amt manchmal nicht in vorderster Front zu finden ist. Zeitgeistlicher Kommentar oder typische Network-Action?
Facts
- Titel: Designated Survivor
- Episodenzahl: 22 (Season 1)
- Network: ABC
- Produzenten: Mark Gordon, Nicholas Pepper, Kiefer Sutherland, David Guggenheim, Simon Kinberg u. a.
- Darsteller: Kiefer Sutherland, Natascha McElhone, Maggie Q u. a.
Die Bürgerinnen und Bürger der USA stehen just vor einer schwerwiegenden Entscheidung: Wer soll für die nächsten Jahre die Geschicke im Weißen Haus zu Washington, DC lenken? Gibt man zum zweiten Mal die Schlüssel an die politisch versierten Chaos-Clintons, die in Bills Amtszeit neben allen Errungenschaften mit allerlei Skandälchen für Aufsehen und teils Belustigung gesorgt haben? Man hätte auf diese Weise nicht nur die erste Präsidentin in der Geschichte des Landes im Oval Office, sondern auch den ersten First Husband an ihrer Seite. Oder vertraut man Lebemann und Entertainer Donald Trump, der mit seinem markigen Sprüchen, unbedachten Scherzen und undurchsichtigen Geschäftspraktiken wieder und wieder aneckt und polarisiert?
Die Produzenten von «Designated Survivor» geben eine simple, wenn auch in ihrer Herleitung drastische und erschreckende Antwort: Was wenn niemand der großen Namen mehr verfügbar wäre? Was, wenn Präsident, Vizepräsident und große Teile des Kongresses bei einem verheerenden Angriff sterben würden? Wer übernähme in einem solchen Fall überhaupt die Führungsposition. Ohne repräsentative Umfrage behaupte ich: 99 Prozent der Amerikaner hätten hierauf keine Antwort geben können. Nach Ansicht dieses Piloten wird sich diese Wissenslücke aber zumindest schließen lassen.
Der Plot
Kiefer Sutherland spielt Tom Kirkman, unterklassiges Kabinettsmitglied, Ehemann und Vater. Als bei einem Anschlag auf das Capitol während der Rede zur Lage der Nation alle hochrangigen Politiker der USA inklusive des Präsidenten den Tod finden, muss Kirkman sich seiner Verantwortung stellen und aus dem Stand das Präsidentenamt übernehmen. Zunächst widerwillig fügt er sich seinem Schicksal und steht schon bald Machtspielen, internen Querelen und weltbewegenden Entscheidungen gegenüber...
Eine Frage des Zeitgeist
Der Auftakt fesselt definitiv. Der Pilot von «Designated Survivor» brennt ein Feuerwerk aus Spannungsmomenten ab und zeichnet dabei gekonnt das Portrait eines Mannes, der in gewisser Weise unvorbereitet und hilflos in eine Situation stolpert, die größer ist, als er selbst. Dass sich diese Situation ganz nebenbei auch noch an politischer Brisanz abarbeitet, hilft ebenfalls.
Kiefer Sutherland spielt den Tom Kirkman mit seiner aus «24» bekannten, fiebrigen Intensität, die ihn immer zwischen den Fronten, emotional aufgeladen, im Zwiespalt und irgendwie neben der Spur zeigt. Kirkman ist ein Mann, der niemals ernsthaft das Präsidentenamt angestrebt hatte, nun aber in eine Rolle gedrängt wird, die für ihn noch vor wenigen Stunden undenkbar schien. Letztlich ist er tief im Herzen jedoch auch eine Art Jack Bauer mit – Verzeihung – furchtbarer Hornbrille – bereits im Teaser springt er beim ersten Bildausfall der Übertragung aus dem Capitol mit einer inneren Unruhe auf, die typisch war für den stetig unter Strom stehenden CTU-Agenten.
An seiner Seite gibt Natascha McElhone ein wenig zu sehr ihre «Californication»-Routine, wirkt dabei neben Sutherland aber im Gegensatz zu ihrer Show mit David Duchovny zu Beginn ein wenig deplatziert.
Inhaltlich begibt man sich durchaus auf heikles Terrain – vermengt man doch die in der Bevölkerung sicherlich weit verbreitete Angst vor Terror mit der Frage, wer das Land in Zukunft wird führen können. Eine Art von Doppelangst sozusagen, die besonders in den USA vermutlich wenige kalt lassen wird.
Dabei ist es durchaus ein gelungener Schachzug, dass man nach dem intensiven Teaser zunächst ein wenig zurückspringt, um das Familienleben der Kirkmans zu beleuchten. Diese werden jedoch als typische amerikanische Durchschnittsfamilie gezeichnet und können somit nicht aus Stereotypen ausbrechen. Dafür ist es umso interessanter, Kirkman auch als politischen Aktivisten zu zeigen, der durchaus für Werte und Ideale einsteht, mit seinen Ideen innerhalb seiner eigenen Regierung aber offenbar scheitert und kurz vor davor steht, aufzugeben. Ein wenig erinnert die Hauptfigur hier an Kevin Kline im amüsanten und Film «Dave», in dem Kline als Doppelgänger des Präsidenten alles anders machen kann, als der eigentliche Befehlshaber.
Dabei bleibt die Serie trotz ihres fesselnden Settings und der starken Umsetzung in ihren ersten Episoden jedoch auch eindeutig eine typische Network-Show, die sich hier und da dem Mainstream anbiedert und hemmungslos Stereotypen zitiert. Wenn man es jedoch schafft, die Waage zu halten, muss das nicht gegen das Format sprechen.
Entgegenlaufen könnte diesem in der Summe eigentlich straff-stimmigen Konzept die ausgeweitete Staffelbestellung auf 22 Episoden – ohnehin heutzutage fast schon ein Relikt einer anderen TV-Zeit. Nicht nur Sutherlands andere große Serie «24» hatte schließlich oft genug unter dem Zwang gelitten, die Story auf derart viele Episoden zu strecken. Hier wäre weniger unter Umständen inhaltlich betrachtet mehr gewesen – in diesem Zuge sei auch die Sorge erwähnt, dass «Designated Survivor» auf ABC nicht in ausreichendem Maße Zuschauer wird halten können. Nach rund 11 Millionen zum Auftakt sackte man in der zweiten Episode auf 8 und aktuell mit der dritten auf 7 Millionen – viel Luft nach unten gibt es da nicht mehr – der Deal mit Netflix stellt zwar ein Pfund dar, das der Serie sicher auch durch Durststrecken wird helfen können, dennoch werden die Parameter für eine erfolgreiche Network-Programmierung dadurch aber auch nicht gänzlich ausgehebelt.
Das Urteil
«Designated Survivor» könnte einer der heißesten Neustarts des Serienherbstes sein, wenn man über die aufgeblasene Staffelbestellung nicht vergisst, eine kohärente und spannende Geschichte zu erzählen, ohne die Glaubwürdigkeit mit redundanten Nebenhandlungen unnötig zu strecken.
Ob das dann in Hinblick auf die Zuschauer funktioniert ist die zweite Frage. Für den Moment haben wir es aber mit einem perfekten Sutherland-Vehikel zu tun, das politische Fragen clever mit Zeitgeistangst vermischt.
«Designated Survivor» läuft in den USA auf ABC, ist in der ersten Staffel auf 22 Episoden ausgelegt und wird in Deutschland zeitnah von Netflix präsentiert werden.