Abseits von der alltäglichen Höflichkeitsfloskel „Wie geht’s?“ ist es die Frage, die mir wohl am häufigsten gestellt wird. Und ich kann sie nicht mehr hören: „Wovon handelt er?“ Wann immer ich von einem Film erzähle, den mein Gegenüber nicht kennt, kommt diese Frage. Und ich als Filmkritiker erzähle nun einmal oft von Filmen. Wenn ich sage, was ich den Tag über so gemacht habe, passiert es. „Ich war in einer Pressevorführung, und zwar von «Wilde Enten quaken zurück» …“, sage ich. „Aha … wovon handelt er?“, fragt man mich. Wenn ich sage, was mein Lieblingsfilm des Monats war, wird es ebenfalls gerne gefragt. Und so weiter.
Liebe Leute … Schön, dass ihr euch für meinen Job interessiert sowie für meine große Passion, dieses wunderbare Medium Film. Aber: Ihr könntet so viel bessere Fragen stellen! Denn was bringt es euch schon, wenn ihr euch von mir eine Plotangabe wünscht? Große Erkenntnisse über den jeweiligen Film könnt ihr davon nicht erwarten. „Es geht um eine Gruppe Superhelden, die die Welt retten“ fasst sowohl den tollen «Marvel’s The Avengers» als auch den sterbenslangweiligen «X-Men: Apocalypse» zusammen. „Es geht um Gentleman-Gangster, die mit Köpfchen und Dreistigkeit ein Ding drehen“ deutet auf «Ocean’s Eleven» hin. Oder auf «Ocean’s Twelve». Oder auf «Ca$h» und zig andere Filme. Noch viel mehr Filme erhält man beim Plot „Mann lernt Frau kennen, sie sind sich zunächst spinnefeind, dann verlieben sie sich ineinander und kommen trotz eines großen Missverständnisses zusammen“.
Gewiss, ich habe gerade eben nicht die ausgefeiltesten Plotangaben von mir gegeben. Doch auch eine richtig gelungene Plotnacherzählung gibt nur rudimentäre Einblicke darauf, wie ein Film wirkt oder wie gut er ist. Die Faszination vieler gelungener Filme lässt sich kaum durch einen Abriss der Story wiedergeben. „Es geht darum, dass sich fähige und widerwillige Helden verschiedener Klassen und Rassen zusammentun, um einen machtvollen Ring von A nach B zu bringen – wo sie nach rund drei Stunden Filmlaufzeit nicht ankommen“ erklärt «Der Herr der Ringe – Die Gefährten» korrekt, aber weit unter dem Wert des Peter-Jackson-Geniestreiches. Der«Forrest Gump»-Plot ist letztlich nur „Ein geistig eher langsamer Mann erzählt Passanten von seinem bewegten Leben“, aber wer möchte den Film angesichts dessen schon sehen? Und «Mad Max: Fury Road» erst … „Die Helden fahren von A nach B nach A!“ Wow …
Im Gegenzug haben zahlreiche lahme Filme richtig spannende Storyideen zu bieten:
«Suite française – Melodie der Liebe» erzählt von der Besatzung eines französischen Dorfes durch die Nazis und von einer daraus folgenden „horizontalen Kooperation“, also von einem im Kino selten angepackten Thema. «BFG – Big Friendly Giant» erzählt, wie ein englisches Waisenmädchen einem freundlichen Riesen, der Träume zusammenstellt, dabei hilft, feindlich gesinnte Riesen in die Flucht zu schlagen. «Maleficent – Die dunkle Fee» erzählt, wie eine gute Fee durch den Raub ihrer Flügel verbittert, bei der strengen Beobachtung des Opfers ihres bösesten Fluchs jedoch wieder lernt, gut zu sein. Da ließen sich so starke Filme draus spinnen, und dennoch werden all diese Werke insgesamt dem gebotenen Stoff nicht gerecht.
Also: Leute. Ihr müsst den Plot hinter euch lassen. Übung Nummer eins: Geht in «Swiss Army Man», den Film über einen Mann, der einen furzenden Leichnam entdeckt.
Klingt dumm, ist aber lustig, klug und berührend. Das hättet ihr anhand der Handlungszusammenfassung wohl kaum erraten, oder?