5 neue Serienknaller, von denen Ihr zu wenig hören werdet

Von versteckten US-Serien aus dem Streaming-Markt und Perlen abseits der großen Sender – das sind die heimlichen Herbst-Highlights.

Alles für Serienfreunde

Von US-Serien könnt Ihr nicht genug bekommen? In unserer «First Look»-Rubrik veröffentlichen wir regelmäßig Kritiken zu den heißesten Serien-Neustarts aus den USA.
Wenn der Serienfreund dieser Tage nach neuem Stoff zum bingen sucht, verläuft dies in einstudierten Handlungsmustern: Was befindet sich unter den Neuerscheinungen im On-Demand-Dienst meines Vertrauens und wie hoch liegt der Metascore? Welche neuen Formate legen einem die Fanportale, Foren oder Lieblingskolumnisten ans Herz? Und was ist das neue heiße Thema in den abonnierten Serienpodcasts? Alle diese Quellen führen mittlerweile zu einer recht treffsicheren Selektion, um mit hoher Wahrscheinlichkeit Wortführer in der nächsten Serien-Diskussion des Freundeskreises zu werden. Trotz der noch immer steigenden Vernetzung und unzähligen Tipps in Fachpresse und Internet, gehen einige Serienknaller aber dennoch an uns vorüber – insbesondere dann, wenn sie hierzulande kaum Thema sind. Wir nennen fünf Serien, die in Deutschland sicher weniger Aufmerksamkeit erfahren als sie verdient hätten.

«Atlanta» (FX)
Der US-Kabelsender FX ist längst keine Unbekannte mehr unter Serienfans, mittlerweile wird FOX‘ Schwestersender immer öfter in einem Atemzug mit HBO oder AMC genannt. Vor allem mit «American Horror Story», «The Americans» oder zuletzt «Fargo» und «American Crime Story» war man in aller Munde. Noch immer finden sich jedoch Liebhaberformate unter den FX-Eigenproduktionen, die es in der breiten Masse nicht schaffen, einen Hype zu generieren – und dies nebenbei bemerkt auch gar nicht wollen. Ein solches Format schuf der Rapper und ehemalige «Community»-Darsteller Donald Glover nun in Eigenregie. Im metaphorischen Sinne, den tatsächlich schreibt, produziert und spielt Glover ‚nur‘ für sein neues Projekt, das mit tiefschwarzem Humor das trostlose Leben des klammen, afroamerikanischen Vaters Earl in der titelgebenden US-Stadt porträtiert, der seinem rappenden Cousin Alfred zu Weltruhm verhelfen will. Die absurden, aber dennoch lebensnahen Episoden aus Earls Leben erinnern unweigerlich an Senderkollege «Louie». Eine Comedy, die realer, ehrlicher und nachdenklicher daherkommt als alle anderen Serien dieses Jahres, aber uns mit subtilem Humor dennoch ein Schmunzeln auf die Lippen treibt. Auch aufgrund der vielen popkulturellen Referenzen und dem Fokus auf afroamerikanische Kultur in den USA wird es «Atlanta» jedoch wohl nie schaffen, ein Feuer in Deutschland zu entfachen. Zumindest im Pay-TV wird «Atlanta» jedoch schon bald eine Chance eingeräumt: Der Fox Channel zeigt die Serie ab dem 22. November immer dienstags in Doppelfolgen.

«Insecure» (HBO)
Es fällt nicht schwer, beim klangvollen Namen HBOs einen neuen Serien-Hit zu vermuten. Während der Fokus der Serienjunkies zurzeit jedoch ganz auf der ebenfalls brillanten Adaption des Spielfilms «Westworld» liegt, beschäftigen sich noch sträflich wenige Personen mit dem neuen Follow-Up der Sci-Fi-Serie am Sonntag, die auf den Namen «Insecure» hört. Am 9. Oktober gestartet, findet sich auch hier in der Serien-Schöpferin die Protagonistin: Issa Rae spielt in der halbstündigen Comedy-Serie von ihr und Comedy Central-Moderator Larry Wilmore eine Version ihrer selbst, die in ihrem Job bei einer NGO vor sich hin vegetiert, gleichzeitig mit ihrer stagnierenden Beziehung zu kämpfen hat und konstant darauf wartet, nun endlich richtig durchzustarten. Fans der beiden Showrunner werden es schon geahnt haben: Hier wartet eine bissige, smarte Comedy, die von der «Awkwardness» der Hauptfigur und ihrer Mitmenschen lebt. Pointiert werden Themenfelder wie Rasse, Geschlecht, Dating und Karriere beackert. Da die Show hierzulande aufgrund der mangelnden Popularität ihrer Schöpfer wenig Zugkraft besitzt und der Schatten von «Westworld» zu groß ist, droht «Insecure» jedoch zu Unrecht unterzugehen.

«Easy» (Netflix)
Netflix erhöhte zuletzt deutlich die Schlagzahl. Immer häufiger landen neue Eigenproduktionen neuerdings auf der Streaming-Plattform. Auch der On-Demand-Riese muss sich in seinen Marketing-Kampagnen jedoch auf einzelne Produktionen konzentrieren. Das sind im Zweifel die massentauglicheren, aber weniger innovativen Formate. Also nicht «Easy». Am 22. September veröffentliche Netflix die acht Episoden der Anthology-Serie von Joe Swanberg, die dessen Arbeiten im noch jungen Genre des „Mumblecore“ fortsetzt. Mumblecore, als Subgenre des Independentfilms entstanden, lebt von geringen Budgets, improvisierten Dialogen und einer Do-it-yourself-Ästhetik – alles keine Merkmale, die zwangsläufig Massen an Zuschauern anlocken. Gerade für Theaterfreunde und Fans authentischer Gespräche sind die scheinbar zunächst voneinander unabhängigen Geschichten über verschiedenste Arten von Liebesbeziehungen in Chicago jedoch wie geschaffen. Junge bis mittelalte Zuschauer werden sich und ihre Lebensfragen in mindestens einer der Folgen der naturalistischen Dramedy wiedererkennen. «Easy» ist dann besonders wertvoll, wenn man die Geschichten auf seine eigene Lebenswirklichkeit beziehen kann. Dies wird für viele jedoch zu selten der Fall sein, hinzu kommt die unkonventionelle «Mumblecore»-Machart, die Gelegenheits-Zuschauer eher abschreckt. Wenig verwunderlich, aber dennoch bedauerlich, dass «Easy» bisher nur aufgrund der schlüpfrigen Szenen Orlando Blooms in Deutschland von sich reden machte.

«Fleabag» (BBC Three)

Steckbrief

Timo Nöthling ist seit April 2013 Teil der Quotenmeter-Redaktion. Sein Arbeitsbereich war von Beginn an breit gefächert und umfasst zahlreiche Schwerpunktthemen, Hintergrundartikel, Interviews oder die wöchentlichen US- und Sport-Checks. Mittlerweile fokussiert der Serienfan vorrangig auf Themen rund um die US-Unterhaltungsindustrie, insbesondere Streaming.
Von theaterhaften Umsetzungen zu tatsächlichen Theaterstück-Adaptionen: BBC Threes «Fleabag», basierend auf Hauptdarstellerin Phoebe Waller-Bridges Ein-Personen-Stück aus dem Jahr 2013, hätte sich vielleicht nicht einmal bis über die Grenzen der britischen Inseln herumgesprochen, hätte Amazon Prime die Serie nicht seinem US-Portfolio hinzugefügt. Ob die sechsteilige Serie jemals Einzug ins deutsche Angebot findet ist fraglich, auch weil Zuschauer es hier mit einer ganz und gar besonderen Produktion zu tun haben: Die Serie handelt von einer wütenden, mit Selbsthass erfüllten Frau namens «Fleabag», die nur mit Mühe ihr Café über Wasser hält und sich ihrer bewegten Vergangenheit erinnert: Dem Tod ihres besten Freundes, One-Night-Stands, Diebstählen und Alkoholexzessen. Ein sensibles Portrait einer modernen jungen Frau mit all ihrem Schmerz und ihren Unsicherheiten. Klingt zu dramatisch? «Fleabag» ist trotz vieler schwerer Themen auch Comedy mit teilweise langgezogenen Szenen, die nur auf eine herrlich absurde Pointe hinauslaufen. Zartbesaitete Gemüter sollten hiervon jedoch Abstand nehmen, denn vor expliziten Themen wird nicht zurückgeschreckt, weshalb «Fleabag» wohl nicht auf einem großen Sender gelaufen ist – und auch nie laufen wird.

«Speechless» (ABC)
ABCs neue Serie «Speechless» hat womöglich noch die besten Chancen, auch in Deutschland Erfolge zu feiern. Sehr respektabel startete das halbstündige Format am 21. September in die neue US-Saison und zeigte sich zuletzt relativ konstant. Der sonst etwas biedere Charme neuer Network-Serien wird jedoch in deutschen Landen dafür gesorgt haben, dass sich Serienfans bislang noch kaum mit dem neuen Format befasst haben. Minnie Driver («Barney’s Version») spielt in der für eine Network-Serie recht zynischen Sitcom die Mutter der dysfunktionalen DiMeo-Familie. Alles schon mal dagewesen: Ein unverhohlener Ehemann, die unangenehm ernste Tochter und der hochintelligente Sohn. Aber auch, und hier kommt eine Neuheit im breiten Feld der Familien-Sitcoms, mit J.J. (Micah Fowler) – dem an Zerebralparese erkrankten ältesten Sohn mit messerscharfer Zunge. Nicht nur das „besondere“ Kind, sondern eine echte, mehrdimensionale Persönlichkeit. Smart und empathisch bewegt sich «Speechless» weit weg vom Betroffenheitsfernsehen, in das Formate mit solchen Charakteren oft abrutschen.
19.10.2016 10:31 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/88804