Wir hätten es selbst nicht geglaubt, aber der neueste DreamWorks-Hit «Trolls» kann viel mehr, als es die nervtötenden Trailer ankündigten.
Filmfacts: «Trolls»
- Kinostart: 20. Oktober 2016
- Genre: Animationsfilm
- FSK: 0
- Laufzeit: 92 Min.
- Musik: Christophe Beck
- Kamera: Yong Duk Jhun
- Buch: Jonathan Aibel, Glenn Berger
- Regie: Mike Mitchell, Walt Dohrn
- Mit den deutschen Stimmen von: Lena Meyer-Landruth, Marc Forster
- OT: Trolls (USA 2016)
Ob sich der Disney-Konzern in den Hintern beißt, sich damals nicht die Filmrechte an den Achtzigerjahre-Spielfiguren Trolls gesichert zu haben? Immerhin sind es nun die DreamWorks Animation Studios, die sich an den gigantischen Merchandise-Möglichkeiten um die neonfarbig behaarten Wichtel erfreuen dürfen. Vielleicht gelingt es der Trickschmiede mit dem angelnden Mondjungen im Logo ja sogar, den Kult von vor vier Jahrzehnten wieder aufleben zu lassen. Um das zu erreichen, müsste der gleichnamige 3D-Animationsfilm «Trolls» aber auch einschlagen, wie eine Bombe. Nach verhältnismäßig schwach laufenden Produktionen wie «Kung Fu Panda 3» oder «Home – Ein smektakulärer Trip» kann DreamWorks einen Kassenschlager verdammt gut gebrauchen. Und «Trolls» könnte tatsächlich dazu taugen, dem aktuell strauchelnden Konzern wieder auf die Beine zu helfen. Die Geschichte um die lebensfrohe Troll-Dame Prinzessin Poppy, die gemeinsam mit ihrem vollkommen gegensätzlichen Kumpan Branch das Leben ihrer Spezies retten muss, erfindet das Segment des familienfreundlichen Abenteuers zwar nicht neu. Im Kern allerdings offenbart „Trolls“ nicht nur eine pfiffige Message um die Sinnhaftigkeit des Glücks und darüber, wie uns von der Gesellschaft vorgeschrieben wird, wie wir ebenjenes erreichen. Auch die Aufmachung als knallbuntes Musical sorgt dafür, dass das handlungstreibende Element des Glücks tatsächlich für eineinhalb Stunden auf den Zuschauer überspringt.
Zum Glücklichsein braucht's 'nen Troll
Die knallig-bunten Trolls leben ein zufriedenes Leben. Ihr Tag besteht aus Singen, Tanzen und Kuscheln. 24 Stunden. Rund um die Uhr. Prinzessin Poppy (deutsche Stimme: Lena Meyer-Landruth) ist die Partyqueen unter den Trolls. Mit ihr als Planerin gerät jedes trollige Beisammensein zu einer absoluten Megasause. Einzig und allein der grummelige Branch (deutsche Stimme: Marc Forster) hält so gar nichts von der immerwährenden Heiterkeit. Er kennt die Geschichte der Bergens, den Feinden der Trolls. Dieses Volk aus Riesen und Monstern kann nur wirklich glücklich sein, wenn es in regelmäßigen Abständen Trolls verspeist. Als das Troll-Versteck auffliegt und Poppys Freunde von einem Bergen gekidnapped werden, müssen sich die frohsinnige Poppy und der Griesgram Branch zusammentun um mit geballter Troll-Power gegen die finsteren Bergens vorzugehen.
Auf einer Skala zwischen eins und zehn, bei denen ein durch und durch auf kurzweiligen Spaß ausgelegtes Roadmovie-Abenteuer wie «Pets» das untere, und eine kluge, emotional mitreißende und hochkomplex durchdachte Mischung aus Komödie und Drama wie «Alles steht Kopf» das obere Extrem bildet, erscheint ein Film wie «Trolls» wie für das untere Ende prädestiniert. Ein bunter Haufen Kobolde, die den lieben langen Tag damit beschäftigt sind, das Positive auch in den noch so niederschmetternden Momenten zu sehen, böte ein großes Nervpotenzial. Und tatsächlich steht ebendiese einseitig frohsinnige Attitüde der Entwicklung der Atmosphäre ein ums andere Mal im Weg, wenn emotionale Szenen eines schnellen Gags zuliebe einfach abgebrochen werden. Das ist vor allem deshalb so schade, weil der Kern von «Trolls» ein überraschend kluge Botschaft offenbart: Wer oder was legt eigentlich fest, was uns glücklich macht? Die Trolls beschäftigen sich mit dieser Frage überhaupt nicht. Sie sind generell von optimistischer Natur und das vermutlich vor allem deshalb, weil sie genau das nicht tun: hinterfragen. Die Bergens hingegen rennen dem Glück genau so hinterher, wie einst Hector in «Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück» – und wundern sich dann, dass sie es nicht finden.
Der bunteste Film des Jahres!
Gerade jüngere Menschen machen ihre Glückseligkeit allzu gern von materiellen Dingen abhängig. «Trolls» bietet da nicht bloß eine (zugegebenermaßen nicht allzu subtile) Lehrstunde darüber, worauf es im Leben eigentlich ankommt. Er präsentiert sich obendrein auch als Plädoyer für das Anderssein und gegen die Ausgrenzung sozial schwacher Menschen. Ein an Aschenputtel erinnernder Subplot um die Bergen-Magd Bridget, die trotz ihres niedrigen gesellschaftlichen Standes bis über beide Ohren in den König verliebt ist, kommt zwar ohne Überraschungen aus, weil er gerade im Anbetracht seiner offensichtlichen Vorlage zu simpel auf ein Happy-End zusteuert, doch die Szenen zwischen den beiden sowie der Miteinbezug der Trolls machen aus diesem Handlungsstrang einen solchen, dessen Entwicklung man gern zusieht. Wenn Bridget in bester Musical-Manier den Lionel-Richie-Evergreen „Hello“ ihrem Liebsten entgegen schmachtet, dann geht das ehrlich zu Herzen, da das anschließende emotionale Auf und Ab von diversen Extremen geprägt ist.
Unterschwellig ist das alles zwar nicht, aber es reißt mit. Von dem eigentlichen Hauptplot kann man das nicht immer behaupten, wenngleich «Trolls» im Großen und Ganzen als einfach durchschauendes Familienabenteuer funktioniert. Die Gesangseinlagen setzen punktuell starke Akzente (die Wahl, ob man den Originaltitel übersetzt oder in der Originalsprache beibehält, wirkt indes leicht willkürlich) und auch ein Großteil der Gags funktioniert. Spannung kommt dagegen nur selten auf; dazu ist «Trolls» zu sehr als Animationsfilm angelehnt, an dem vor allem die Kleinen ihren Spaß haben sollen. Das führt darüber hinaus zu einem Minimum an Popkulturanspielungen (angenehm) sowie zu einer arg auf die wesentlichen Konfliktpunkte reduzierten Erzählung (weniger angenehm). Gut und Böse sind klar definiert und wenn es dann doch einmal zu einer Bedrohung kommt, wird sie von einem Kommentar oder abrupten Szenenwechseln abgemildert. Ein wenig mehr Mumm hätte «Trolls» an dieser Stelle also gut getan.
Was hingegen so richtig Pepp in den Film bringt, ist die visuelle Aufmachung von «Trolls». Neben Stop-Motion-Tricktechnik, bei der Knetfiguren scheinbar zum Leben erwachen und klassischer CGI-Animation, bekommen wir hier ein aus der bunten Welt der Bastelutensilien entstammende Fantasiereich zu sehen, in denen sich Poppy und ihre Freunde (die dagegen fast ein wenig minimalistisch anmuten) eineinhalb Stunden lang verdiengen dürfen. Glitzer, Filz, Papierbögen oder Moosgummi lassen aus «Trolls» ein kunterbuntes, lebendiges Scrapbook werden, das sich von Szene zu Szene an Kreativität überbietet. Ebenfalls zum guten Gelingen tragen die Sprecher bei. Wenngleich man Ohrwurm-Lieferant Marc Forster hier und da anmerkt, dass er in «Trolls» sein Debüt als Synchronsprecher gibt, gefällt er doch insgesamt als grimmiger Branch. ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landruth wirkt dagegen routinierter und überzeugt mit ihrer optimistischen Attitüde, mit der sie den Film nachhaltig prägt. Die Sprecherleistungen ihrer Kollegen finden sich alle auf einem guten Grundniveau ein, doch da sich die Macher von «Trolls» hauptsächlich auf die beiden Protagonisten beschränken, bekommt der Rest kaum mehr zu tun, als Gag-Stichworte ins Geschehen zu rufen. Trotzdem ist die Besetzung definitiv durchdacht. Lena und Marc mögen vielleicht nicht die geborenen Synchronsprecher sein, doch spätestens wenn sie in einem rührenden Duett Phil Collins‘ „True Colors“ singen und später der Vergleich zu Justin Timberlake und Anna Kendrick gezogen werden kann, stellt man fest, dass man sich hier kein besseres deutsches Pendant hätte wählen können.
Fazit
Knallbunt, musikalisch, erzählerisch nicht ganz ausgereift aber immer liebevoll: «Trolls» bietet frech-harmlosen Animationsspaß, der im Kern eine feine Message offenbart: Uns sollte Niemand diktieren, was uns glücklich zu machen hat! Wir sind uns sicher: Zumindest dieser Film tut es schon mal ein bisschen.
«Trolls» ist ab dem 20. Oktober bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in tollem 3D!