Die chinesische Wanda-Gruppe hat es auf Hollywood abgesehen. Der Großkonzern kauft Kinoketten und Produktionsfirmen. Alles was noch fehlt, ist ein großes Filmstudio.
Wanda Konzernleiter Wang Jianlin
Der Gründer und Konzernleiter der Wanda Gruppe wurde 1954 im Kreis Cangxi in der Provinz Sichuan geboren. Von 1970 bis 1986 war er in der chinesischen Befreiungsarmee und seit 1993 leitet er die 1988 gegründete Wanda Group. Er gilt mittlerweile als reichster Mann Chinas und belegt mit einem Vermögen von 24,2 Milliarden Dollar Platz 29 der Forbes Liste der reichsten Menschen der Welt. Vielleicht mag dem einen oder anderen aufgefallen sein, dass der letzte «Transformers»-Film allerlei Vorwände suchte, um einen Teil seiner Handlung nach China zu verlegen. Auch der aktuelle Kinohit «Doctor Strange» lässt seinen Showdown in einer chinesischen Stadt stattfinden. Die chinesische Version von «Iron Man 3» hat einen Subplot, der sich mit einem chinesischen Herzchirurgen und seiner Tochter beschäftigt. Manche dieser Handlungsstränge wirken gelungen und organisch, viele sind noch ungelenk und albern. Und auch wenn sich wahrscheinlich kaum jemand einen «Transformers»-Film anschaut, weil alles einen Sinn ergeben muss, hat die Extra-Aufmerksamkeit, die Hollywood-Blockbuster dem Reich der Mitte schenken, dennoch ihre Gründe. Und die liegen nicht unbedingt immer im Plot der betreffenden Filme vergraben.
Das chinesische Kinopublikum gehört mittlerweile zu einer kaufkräftigen Zielgruppe, die man ansprechen möchte. Das funktioniert besser, so scheint zumindest der ein oder andere Hollywood-Produzent zu denken, wenn sich das Publikum zumindest teilweise in der Handlung, im Setting, oder in den Nebenfiguren wieder erkennt. Das soll keinesfalls bedeuten, dass Charaktere chinesischer Abstammung in einem Film lediglich dazu da sind, den chinesischen Kinomarkt zu bedienen. Es gibt schließlich viele gute Gründe, Filme mit und über chinesische Menschen zu drehen. Ein Hollywood-Blockbuster, der seine Handlung plötzlich und ohne wirklich ersichtlichen Grund nach China verlegt, hat aber höchstwahrscheinlich wirtschaftliche Intentionen. Ironischerweise war es ein Film namens «Warcraft: The Beginning», welcher in China 220 Millionen Dollar einspielen konnte. Ein Fantasy-Spektakel, das keine einzige chinesische Figur enthielt, in einem Fantasieland spielt und in der westlichen Welt nur moderate Erfolge erzielen konnte. Auf die Gründe soll später noch eingegangen werden.
Lukrativer Flirt mit China
Hollywood flirtet offen mit China und China flirtet noch offener zurück. „Flirten“ bedeutet in diesem Fall, dass ein chinesisches Großunternehmen amerikanische Kinoketten und Produktionsfirmen wie Legendary-Entertainment aufkauft. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um eines der reichsten Chinas: Die Wanda-Gruppe, gegründet vom Geschäftsmann Wang Jianlin in Dalian, in der Provinz Liaoning, beschäftigte sich zunächst vornehmlich mit Immobilien, unter anderem auch Kaufhäuser und Luxushotels. Mittlerweile gehört sie zu den erfolgreichsten Entwicklern von Gewerbeimmobilien und besitzt 125 Plazas und 81 Hotels, zusätzlich werden noch 69 weitere Hotels und 70 weitere Plazas gebaut. An der Hongkonger Börse wird das Unternehmen mit 22 Milliarden Hong Kong-Dollar notiert. Wanda machte jedoch bei diesem äußerst erfolgreichen Industriezweig nicht halt, sondern streckt seit etwa 2005 seine Fühler auch in Richtung kultureller Unternehmungen aus.
2012 kaufte Wanda die amerikanische Kinokette AMC für 2,6 Milliarden Dollar, wodurch der Konzern zum größten weltweit operierenden Kinobetreiber wurde. Das Unternehmen betreibt sechs Prozent aller kommerziellen Filmleinwände in China und etwa 13 Prozent in den USA. Es folgte eine Phase der Neugestaltung: Design und Layout der AMC-Kinos wurden verändert, großzügige Liegesitze wurden installiert, ein erweitertes Essens- und Getränkeangebot eingeführt, sogar ein Kellnerservice ist Teil dieser speziellen Kinoerfahrung. Solche attraktiven Änderungen hatten durchaus positive Auswirkungen auf die Verkaufszahlen: Der Ticketverkauf verdoppelte sich in den 18 Monaten nach dem Kauf. 2013 kaufte die Wanda-Gruppe den britischen Yachtbauer Sunseeker auf, dessen Yachten unter anderem in «James Bond»-Filmen verwendet wird.
Im Januar 2016 erwarb Wanda für 3,5 Milliarden Dollar die Produktionsfirma Legendary Entertainment, die hinter Filmen steckt wie Christopher Nolans «Dark Knight»-Trilogie und «Inception» und sich für Kinohits wie «Hangover» und «Jurassic World» mitverantwortlich zeigt. Auch der eingangs erwähnte «Warcraft: The Beginning» wurde ebenfalls von Legendary produziert und konnte gerade durch den weitreichenden Einfluss des Wanda-Großkonzerns entsprechend aggressiv in China promotet werden. Es ist das erste Mal, dass ein chinesisches Unternehmen eine amerikanische Produktionsfirma dieser Größenordnung aufkaufte. Im Mai 2016 kam die Entertainment-Marketing- und Product-Placement-Agentur mit dem einschlägigen Namen Propaganda GEM hinzu, deren Fokus auch auf Hollywood Inhalte liegt. Im Moment befindet sich die Wanda-Gruppe in ersten Verhandlungen, um Dick-Clark-Productions aufzukaufen. Die TV-Produktionsfirma produziert zum Beispiel die Golden Globe Awards, die American Music Awards, die Billboard Music Awards und Sendungen wie «So you think you can dance». Dick Clark Productions wurde 1957 vom gleichnamigen, legendären Moderator Dick Clark gegründet, der 2012 verstorben ist und von CEO Allen Shapiro geleitet wird.
AMC Theatres
AMC wurde schon 1920 gegründet und hat seinen Sitz in Kansas City. 1995 eröffnete das Unternehmen sein erstes Multiplex in Dallas. Mittlerweile betreibt AMC 8400 Kinoleinwände in den USA. Weitere Kinos sind in Großbritannien, Frankreich, Mexiko und Hong Kong vertreten. Das Unternehmen gehört nun vollständig der Wanda Gruppe an, die 2016 zusätzlich noch die Carmike Kinos aufkaufte. Dank des Brexit konnte AMC in diesem Jahr günstig die englische Kinokette Odeon & UCI erstehen. Hierbei handelt es sich also um große Summen, die durch die Gegend geworfen werden. Im Moment sieht das alles noch nach willkürlichen Käufen einer hungrigen, chinesischen Entertainment-Industrie aus, worin noch kein klarer Plan zu erkennen ist. Gegenüber dem Reuters-Magazin äußerte Wanda-Geschäftsführer Wang folgendermaßen: „Mein Ziel ist es, Hollywood-Unternehmen zu kaufen und deren Technologie und Fähigkeiten nach China zu bringen.“ Die chinesische Entertainment-Industrie hat den Ruf, sehr ambitioniert zu sein. Sie möchte allerdings auch dem Hollywood-Weg folgen beziehungsweise ein Stück Hollywood-Magie einfangen. Wang will dabei allerdings nicht nur eine Geldquelle sein, sondern auch Kontrolle ausüben. Bisher besitzt das chinesische Unternehmen zwar noch kein TV-Network oder Filmstudio, wollte aber noch vor ein paar Monaten einen kleinen Anteil an den Paramount-Studios kaufen. Paramount zog sich aufgrund von internen Konflikten mit dem Elternkonzern Viacom aus den Verhandlungen zurück. Stattdessen konnte Wanda einen Produktionsdeal mit Sony aushandeln, der es dem Studio unter anderem leichter machen wird, seine Filme in China zu vermarkten.
Kritik an Hollywood und ein brandneues Studio
Am 17. Oktober diesen Jahres trat Wang Jianlin in Hollywood bei einer Gala des Los Angeles County Museum of Art auf, wo er von Bürgermeister Eric Garcetti wie ein Staatsoberhaupt empfangen wurde. „Ich bin froh, dass die Beziehung zwischen Los Angeles und China aufblüht“, äußerte sich der Bürgermeister. In seiner eigenen Rede kritisierte Wang jedoch die amerikanische Unterhaltungsindustrie und Hollywood-Filme im Spezifischen. Er glaubt, dass sich die Filme verbessern und noch mehr chinesische Elemente einfügen müssen, um den chinesischen Publikumsansprüchen und dem stetig wachsendem chinesischen Markt gerecht zu werden. Wagemutig sagt er voraus, dass das chinesische Box Office jährlich um 15 Prozent wachsen wird, und zwar über die nächsten zehn Jahre.
Das Herzstück seiner Rede war jedoch die Ankündigung des Acht-Milliarden-Dollar teuren Movie «Metropolis» in der chinesischen Hafenstadt Qingdao. Ein Studio-Komplex, das etwa 165 Hektar umfassen soll. Das Gelände soll 2018 fertiggestellt werden, 30 Produktionsstudios, einen Unterwassertank und Wohnraum für ausländische Filmemacher bieten. Außerdem soll ein Freizeitpark Teil dieser Studioerfahrung sein. Die Fortsetzungen von «Pacific Rim» und «Godzilla» sind die ersten Produktionen (und ebenfalls Legendary-Produktionen), die hier gefilmt werden sollen. Bürokratische Details wie Arbeitsvisa und natürlich auch eine Sprachbarriere, die zu Produktionsverzögerungen führen kann, werden noch ausgearbeitet. Dennoch ist die Intention klar: Hollywood-Talente sollen nach China gelockt werden und ein zusätzlicher Anreiz sollen massive Steuervergünstigungen für amerikanische Produktionen sein. Trotzdem wird es für Wanda nicht einfach, von Grund auf ein brandneues Studiosystem aufzubauen. Wang betonte aber, dass er weder Hollywood Konkurrenz machen wolle noch eine politische Agenda verfolge, sondern lediglich für neue Geschäftsmöglichkeiten sorgen und bei der Expansion Hollywoods helfen möchte. Dennoch wird diese Art des kulturellen Ausverkaufs in den USA misstrauisch betrachtet. Auch die Politik scheint langsam nervös zu werden. So setzen sich 16 Mitglieder des US-Kongresses für genauere Überprüfungen und Überwachungen solcher Geschäftsabschlüsse ein. Denn auch wenn diese äußerst lukrativ sein mögen, bleibt man kritisch, wenn China sich einen der liebsten amerikanischen Zeitvertreibe einverleibt.
Der Ton, den Wanda anschlägt, bleibt jedenfalls kämpferisch. Vor allem mit dem amerikanischen Unterhaltungskonzern Disney möchte das chinesische Unternehmen konkurrieren. Wang teilte unlängst mit, dass die Ära von Mickey Mouse vorbei und es an der Zeit für neues Entertainment sei. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass die Wanda-Gruppe eine Reihe von eigenen Themen- und Freizeitparks in China besitzt und Disney gerade erst seine Parks in China eröffnet hat. Es bleibt jedenfalls spannend auf dem amerikanischen Film- und Fernsehmarkt, auch und vor allem weil China aggressiver mitmischt. Interessant ist auch, dass eigentlich nur 34 ausländische Filme im Jahr in den chinesischen Kinos erlaubt sind, die auch noch von der Regierung abgesegnet werden müssen. Ein Weg diese Barriere zu umgehen oder sich einen Vorteil sowohl auf dem amerikanischen als auch chinesischen Kinomarkt zu verschaffen, könnten Koproduktionen zwischen den USA und China sein. Eine davon ist der Film «The Great Wall», in dem Matt Damon die Hauptrolle spielt und an der chinesischen Mauer gegen CGI-Monster kämpft. Dieser startet im Dezember schon in China, Griechenland, Malaysia, Singapur, Taiwan, Türkei und weltweit in den ersten Monaten des nächsten Jahres. Regisseur ist der berühmte chinesische Filmemacher Yimou Zhang, der unter anderem die optisch eindrucksvollen Martial Arts-Filme «Hero» und «House of the Flying Daggers» drehte. Viel spannender als der Film selbst sind vermutlich die weltweiten Einspielergebnisse und wie diese sich auf die zukünftigen amerikanischen und chinesischen Kooperationen auswirken werden.