Die Kritiker: «Solo für Weiss»

In «Solo für Weiss» sucht Anna Maria Mühe nach verschwundenen Mädchen. Trotz ein paar Stolpersteinen ein effektiver und solider Krimi-Zweiteiler.

Nachdem der mutmaßliche Mädchenmörder Matthias Mattner (Philipp Hochmair) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, kann er fliehen. Der Fall wird der Kommissarin Nora Weiss (Anna Maria Mühe) übergeben, die aber just in diesem Moment ganz andere Probleme hat: Ihre Patentochter ist scheinbar auf der Überfahrt mit der Fähre von Lettland nach Lübeck verloren gegangen und kann trotz Weiss polizeilicher Unterstützung erst einmal nicht gefunden werden. Auch wenn sie Gewissensbisse plagen, muss sich Kommissarin Weiss um den vorliegenden Kriminalfall kümmern. Die Suche nach ihrem Patenkind muss sie stattdessen zunächst ihrem Vorgesetzten Jan Geissler (Peter Jordan) übergeben. Damit nicht genug: Für den hochkarätigen Fall wird ihre auch noch ein neuer Ermittlungspartner zur Seite gestellt. Simon Brandt (Jan Krauter) hat ein Jahr nach einem der verschwundenen Opfer des geflüchteten Täter gesucht. Zusammen stolpern sie in eine Netz von Korruption und Intrigen.

Kaum ein Krimi wird das Rad neu erfinden. Was allerdings immer wieder erfrischend sein kann, sind gut ausgearbeitete, charismatische Figuren und ihr Zusammenspiel untereinander, Atmosphäre und Setting. All kann «Solo für Weiss» mit Abstrichen für sich verbuchen. Anna Maria Mühe gibt sich (Entschuldigung für das alberne Wortspiel!) redlich Mühe als Kommissarin Autorität auszustrahlen, wirkt gelegentlich allerdings noch zu unerfahren und zu jugendlich, um zumindest diese Seite ihrer Rolle immer überzeugend auszufüllen. Gelegentlich wirkt ihr Spiel etwas steif, als würde sie in etwas zu großen Schuhen laufen.

Vielleicht hätte eine ältere Darstellerin hier gut getan, vielleicht ist es aber genau das, was die Rolle recht reizvoll macht. Das Drehbuch von Thomas Berger und Matthias Klaschke ist zumindest bei ihr clever genug, um den Zuschauer solche Charaktermerkmale nicht in umständlichen Dialogen auf die Nase zu binden. Auch wenn hier der ein oder andere typische Satz eines Profiler-Ermittlers fällt und gelegentlich der Klischeedialog vorherrscht, driftet «Solo für Weiss» niemals ab. Mühes Talent liegt in den leiseren, fast wortlosen Szenen durch, in denen sie wesentlich eindringlicher wirkt. Das gilt fast für alle Darsteller dieser Doppelfolge: In den betont emotionalen und lauten Szenen wirken die Performances etwas hölzern, was vielleicht auch an den teilweise altbekannten Dialogen liegen mag, die der erfahrene Krimi- und Thriller- Fan wahrscheinlich schon zu oft gehört hat und/oder auswendig kennt.

Regisseur Thomas Berger beherrscht sein Handwerk solide, nicht spektakulär, aber mit gewissenhaften Kameraeinstellungen und Bildaufteilungen. Das mag für den beiläufigen Zuschauer nicht unbedingt sehr viele bedeuten oder aufregend sein, aber es hilft generell aus relativ subtile Weise, dass der TV-Krimi nicht zu angestaubt und eben nich wie ein TV-Krimi erscheint. Die Verfolgungsjagden erreichen zwar keinen spektakulären, cinematischen Standard, besitzen aber durchaus eine aufregende, kinetische Energie, was der dynamischen Kameraarbeit von Frank Hüpper zu verdanken ist (dankbarerweise arbeitet er in Aktionssequenzen ohne alberne Wackelkamera). Sogar der ein oder andere Zweikampf ist überzeugend inszeniert, was nach einem albernen Kriterium für ein Lob klingen mag, aber leider ist das gerade in deutschen Genre-Filmen zu oft nicht der Fall.
Auch wenn die beiden «Solo für Weiss» - Episoden zwei unterschiedliche Titel haben, spielt der Fall in «Das verschwundene Mädchen» auch in «Die Wahrheit hat viele Gesichter» eine Rolle. Und was zunächst wie eine überambitionierte Überladung von Haupt-, Neben- und Subplots wirken kann, stellt sich hinterher als ziemlich clevere Verknüpfung heraus. Daneben bietet der Zweiteiler auch ein paar effektive Schauer- und Spannungsmomente, von denen sogar noch mehr reingepasst hätten.

Emotional und psychologisch wird bei der Figur des Ermittlers Simon Brandt etwas übertrieben. Denn dieser musste nicht nur psychische Blessuren von der langen Jagd nach dem eingangs erwähnten Kindermörder davon tragen, sondern ist auch noch in einem Undercovereinsatz der Spielsucht verfallen. Das überzeugende Zusammenspiel mit Partnerin Weiss gleicht solche Unausgewogenheiten allerdings mühelos wieder aus. Nebenbei und gekonnt wird der langsame Zerfall zweier Eltern eines der jungen Mädchen und Opfer erzählt, ohne dabei den Fall aus den Augen zu verlieren. Im Mittelpunkt steht allerdings eine Kommissarin, die streckenweise emotional unterkühlt wirken kann, aber vielmehr professionell ihrer Arbeit nachgeht. Eine Figur, der es schwer fällt und der es schwer gemacht wird, anderen zu trauen.

Fazit: Effektiver, ausreichend spannender, emotional weitestgehend überzeugender und vom soliden Regie- sowie Kamera-Handwerk geprägter Krimi-(bis jetzt)Zweiteiler, der hin- und wieder etwas zu bemüht wirkt, seinen Ermittlern psychologische Tiefe zu geben.
05.11.2016 11:25 Uhr  •  Stefan Turiak Kurz-URL: qmde.de/89177