Die Kritiker: «Engelmacher – Der Usedom Krimi»

Der dritte ARD-Krimi aus Usedom reicht nicht an die beiden Vorgängerausgaben heran.

Cast & Crew

  • Regie: Jochen Alexander Freydank
  • Darsteller: Katrin Sass, Lisa Maria Potthoff, Emma Bading, Max Hopp, Rainer Sellien, Merlin Rose, Franziska Wulf, Rüdiger Klink, Magdalena Boczarska
  • Drehbuch: Scarlett Kleint, Alfred Roesler-Kleint, Michael Vershinin
  • Kamera: Philipp Timme
  • Schnitt: Ollie Lanvermann
  • Musik: Colin Towns
  • Produktionsfirma: Polyphon
Julia Thiel (Lisa Maria Potthoff) lässt sich nicht aufhalten. Nicht einmal von einem Dienstunfall: Noch bevor ihre Reha für beendet erklärt wurde, entlässt sie sich selber und taucht direkt in die Arbeit ein. Und prompt erwartet sie ein Fall, der sie direkt betrifft: Die junge Polin Jadwiga (Olga Kalicka), eine Arbeitskollegin von Julias Tochter Sophie (Emma Bading), scheint vom Erdboden verschluckt. Alsbald wird eine weitere Deutschpolin Opfer eines mutmaßlichen Verbrechens: Eine Abtreibungen vornehmende Gynäkologin (Magdalena Boczarska) wurde ermordet – und ausgerechnet Julias resolute Mutter Karin Lossow (Katrin Sass) steht unter Tatverdacht. Die nimmermüde, wenngleich körperlich und seelisch noch immer angeschlagene, Julia ist sich hingegen sicher, dass einer der vielen Abtreibungsgegner schuldig ist. Eine weiter Frage brodelt derweil im Hintergrund: Haben der Mord und Jadwigas Verschwinden vielleicht etwas miteinander zu tun?

Nachdem der zweite «Usedom Krimi» narrative Fäden aus der Auftaktfolge weiterführte und zudem Nebensächlichkeiten offen ließ, verzichtet Ausgabe drei weitestgehend auf horizontale Elemente – vielleicht wurde den Verantwortlichen im Ersten bewusst, dass eine jährlich fortgeführte Krimireihe nicht ideal für diese Erzählform ist. Obwohl das Fokussieren auf eine in sich völlig abgeschlossene Geschichte und auf den zentralen Fall, hinfort von den privaten Problemchen der wiederkehrenden Protagonisten, erquickliche Folgen haben könnte, ist dieser Neunzigminüter eine erzählerisch sehr steife und trübe Angelegenheit.

Das von Scarlett Kleint, Alfred Roesler-Kleint und Michael Vershinin verfasste Drehbuch verheddert sich schon früh darin, aus Julia Thiels Zustand, ihrer vertrackten Beziehung zu ihrer Mutter und den zwei Kriminalfällen sowie der Darstellung der Abtreibungsdebatte einen facettenreichen, zusammenhängenden Handlungsbogen zu konstruieren. Die mit steifen Dialogen nur mühselig vorangetriebenen Plotebenen sind sehr arm an Zwischentönen, alles wird in einer gleichbleibend trübseligen Stimmung vermittelt – ohne dass die Schicksale der Figuren so sehr vertieft würden, dass diese leidvolle Atmosphäre einen Empathie provozierenden Effekt hätte.

Eine ideenarme Schnittarbeit – die Wechsel von Subplot zu Subplot erfolgen in fast beliebiger Manier – bremst obendrein den Erzählfluss, so dass sich das maue Spannungselement nahezu allein durch Colin Towns finster-basslastige Instrumentalmusik generiert. Dass obendrein kurz vor der finalen Auflösung ellenlange, spröde in Szene gesetzte Gesprächsequenzen massig Erklärungen nachreichen, um so die sprunghafte Logik der dargebotenen Erklärung gerade zu quatschen, nimmt dem allen Schwächen zum Trotz von Potthoff und Sass mit angemessener Schwere gespielten Film weiter Wind aus den Segeln.

«Engelmacher – Der Usedom Krimi» ist am 10. November 2016 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
08.11.2016 10:57 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/89209