«6 Mütter»: Ist das noch wunderschön - oder doch schon völlig egal?

Die neueste VOX-Kreation für den Dienstagabend punktet erneut mit der Authentizität und Unaufdringlichkeit, die dem Sender zuletzt Erfolg und Achtung eingebracht hat. Davon abgesehen fehlen dem Format aber wirklich greifbare spannende Kniffe - weshalb sich die Frage stellt, ob aus einer sympathischen Grundstimmung alleine schon massentaugliche Unterhaltung werden kann.

Aktuelle VOX-Hitshows (Auswahl)

  • «Sing meinen Song»
  • «Die Höhle der Löwen»
  • «Kitchen Impossible»
  • «Grill den Henssler»
Hinzu kommen Formate wie das am Dienstag ebenfalls in eine weitere Staffel gestartete «Geschickt eingefädelt» und «Ewige Helden» mit zumindest soliden Werten in Staffel eins.
Das Momentum spricht klar für VOX: Während RTL und Sat.1 seit Jahren mit sinkenden Einschaltquoten zu kämpfen haben und selbst ProSieben zuletzt ein wenig abzusacken drohte, hat der zweitgrößte Sender der RTL-Gruppe einen Topstart ins neue Fernsehjahr hingelegt. Einen elementaren Faktor für diesen Erfolg stellt die inzwischen beachtliche Zahl an noch relativ frischen Show-Hits dar (siehe Infobox), die sich umso beeindruckender liest, wenn man bedenkt, dass diese Formate nicht bloß der Masse munden, sondern dank einiger innovativer Elemente sogar bei der Kritikerzunft auf Respekt stoßen. In Folge dieser guten Arbeit in der Vergangenheit erlaubt sich der Privatsender in der aktuellen Saison eine kleine Verschnaufpause bei der Entwicklung neuer Hits, ja das am Dienstagabend erstmals gezeigte «6 Mütter» ist sogar einer der namhaftesten Neustarts. Der präsentiert sich dem Sender-Image entsprechend unprätentiös, ehrlich und grundentspannt, ist dabei jedoch auch ein derart stilles Gewässer, dass er seinem Publikum viel abverlangt, um seine Tiefe erkunden zu können.

Und darum geht es in der von Endemol Shine Germany produzierten Adaption der israelischen TV-Show «Mothers»: Sechs bekannte Promi-Mütter (Schauspielerin Nina Bott, Speerwerfin Christina Obergföll, Unternehmerin Dana Schweiger, Entertainerin Ute Lemper, Sportlerin Anni Friesinger und Soap-Star Wilma Elles) werden in ihrem nicht immer einfach zu händelnden Alltags-Spagat zwischen Familien- und Berufsleben begleitet und reflektieren ihre Doppelrolle als im Zentrum der Öffentlichkeit stehende Karrierefrau auf der einen und nach privatem Glück strebender Mensch auf der anderen Seite. Der Clou der Show: Alle sechs Protagonisten treffen sich überdies gemeinsam in einem Zimmer und tauschen ihre Erfahrungen gegenseitig aus - medial gestützt durch Einspieler, die besondere Situationen aus dem Alltag der Promis visualisieren sollen.

Bei dieser kollektiven Video-Beschauung fühlt man sich unweigerlich an «Ewige Helden» erinnert, das im ersten Quartal dieses Jahres mit durchwachsenem Erfolg bereits am Dienstagabend zu sehen gewesen war und in dem die Profi-Sportler in der Gruppe auf die größten Etappen ihrer Karriere zurückblickten. Was jedoch im Gegensatz zu dem äußerst sehenswerten Schaulaufen ehemaliger Sportstars in «6 Mütter» nicht integriert wurde, ist ein Bestandteil mit Wettbewerbscharakter. Und das kann man nun positiv oder negativ deuten: Meint man es gut mit der etwas anderen Dokusoap, kann man es ihr hoch anrechnen, dass sie sich auf das Wesentliche fokussiert und keinen forcierten Wettstreit benötigt, um in gewohnter TV-Manier irgendeinen "Gewinner" und "Verlierer" zu küren, der letztendlich ohnehin kaum von Relevanz ist.

Auf der anderen Seite richtet sich nun der Zuschauer-Blick derart stark auf den Promi-Alltag und die Kommentierung dessen, dass die Macher dazu gezwungen sind, diese beiden einzigen Elemente der Show so anregend zu präsentieren, dass sie alleine den Konsumenten bei der Stange halten. Eine unheimlich schwere Aufgabe, wenn man nicht den ausgetrampelten Pfad mitsamt Krawall, Laientheater und ähnlichen inszenatorischen Hilfsmitteln zur künstlichen Befruchtung einer leb- und geistlosen TV-Zelle abermals entlangschreiten möchte. Die hiesigen Verantwortlichen möchten dies angenehmerweise nicht und hoffen stattdessen darauf, dass gute Schnitt-Arbeit, eine ehrliche Aufmachung ohne irgendeinen Firlefanz und das ungewohnte Feeling, das sich durch das Fehlen eines Off-Sprechers und der Mixtur aus Einspieler und deren Kommentierung durch die Protagonisten selbst ergibt, eben diese Verbindung zum Publikum aufbauen.

Das ist aller Ehren wert und macht es dem empathischen Kritiker umso schwerer, diese schöne Sendung in Frage zu stellen oder gar zu kritisieren - zumal es tatsächlich gelingt, selbst oftmals eher affektiert und vom alltäglichen Leben entgrenzt wirkende Persönlichkeiten wie Dana Schweiger (Foto) oder Ute Lemper von einer sehr menschlichen Seite ohne die ganz großen Star-Allüren zu zeigen. Doch nach der guten Stunde Sitzkreis-Gruppenkuscheln bleibt eben auch wenig Handfestes übrig, dass man sich selbst die Frage nach der Konsumentscheidung am kommenden Dienstag ganz klar und unmissverständlich mit «6 Mütter» beantworten würde. Die angenehme Atmosphäre wohl, das Gefühl, einem Gespräch zwischen sechs guten Freundinnen mit ganz unterschiedlichen Lebenserfahrungen lauschen zu können und gerade für junge Eltern wohl auch der Abgleich mit dem eigenen täglichen Wahnsinn im Haushalt - ja, diese Argumente könnte man anführen. Aber reicht das über sechs Wochen hinweg für den Sendeplatz um 21:45 Uhr?

Die Sendung jedenfalls macht es ihrem Betrachter nicht leicht, sich für sie zu begeistern. Ihre Schönheit verbirgt sich weitgehend hinter einem transparenten Schleier aus der schrecklich fade und gewöhnlich klingenden Prämisse, mal wieder irgendwelchen Promis beim ritualisierten Daueratmen zuzuschauen. Dass aus diesem Brei ein wohlig warmes, mitunter vielleicht etwas rührseliges, aber gleichzeitig auch wirklich berührendes Format mit latentem Lagerfeuer-Touch werden kann, erschließt sich erst sehr behutsam. Und das ist im schnelllebigen Fernsehgeschäft, wo nicht selten die dauerkeifenden Proleten und oberflächlichen Sprücheklopfer die Massen (bis hin zur möglichen US-Präsidentschaft) in den Bann ziehen, stets eine Gefahr. Wenn dann noch einzigartige Show-Elemente wie bei den «Löwen», «Sing meinen Song» oder «Kitchen Impossible» ausbleiben, wird die Gefahr umso größer, dass das dezente Aufblühen eines solchen Mauerblümchens unentdeckt bleibt.

Wie hat euch der Auftakt von «6 Mütter» gefallen?
Sehr gut, ich freue mich schon auf die weiteren Folgen.
45,3%
War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
22,1%
Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
13,7%
Habe es (noch) nicht gesehen.
18,9%


Auf der anderen Seite haben nicht zuletzt die VOX-Zuschauer in der jüngeren Vergangenheit ein ums andere Mal dem Zynismus vieler Fernsehmacher und -kritiker den Mittelfinger gezeigt und könnten dies bei «6 Mütter» wieder tun. Leider fehlt dem Neustart aber ein greifbares Alleinstellungsmerkmal, das man so richtig groß bewerben oder betonen könnte. Viel mehr als "joar, da haben halt so bekannte Mütter über ihr Leben mit Kindern gequatscht, das war halt irgendwie ganz schön" dürfte am Arbeitsplatz oder an den Schulen beim morgendlichen Austausch nicht kommen, um die Vorzüge und Qualitäten zu benennen. Und das macht es so schwer, eine klare, argumentativ unterfütterte Empfehlung auszusprechen, denn letztlich müsste jeder die Magie selbst für sich entdecken - fraglich, wie viele dazu ohne konkreten USP bereit sind.

Insgesamt sechs Folgen von «6 Mütter» laufen seit dieser Woche immer dienstags gegen 21:45 Uhr bei VOX.
08.11.2016 23:47 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/89237