Ken Duken begründete im Pay-TV eine zarte deutsche Serienwelle mit, nun spielt er in ZDFneos erster Drama-Serie die Hauptfigur «Tempel». Bringen Sie die deutsche Serie auf Vordermann, Herr Duken?
Zur Person: Ken Duken
Ken Duken wurde am 17. April 1979 in Heidelberg geboren. Seine ersten Rollen übernahm der Sohn der Schauspielerin Christina Loeb im Theater, ehr er 1997 sein Filmdebüt im Fernsehkrimi «Blutiger Ernst» neben Nadja Uhl und Daniel Brühl gab. Auf die Kinoleinwand schaffte es Duken erstmals 1999 im Rahmen von «Schlaraffenland», es folgten Rollen in «Gran Paradiso» oder «Tödlicher Umweg» sowie einige Arbeiten im Zuge internationaler Produktionen. Den Grimme-Preis erhielt Duken 2005 und 2008 für seine Leistungen in «Kiss and Run» und «Eine andere Liga». 2009 war er außerdem Teil von Quentin Tarantinos «Inglorious Basterds», im gleichen Jahr wirkte er in Til Schweigers «Zweiohrküken» mit. Auch in bislang 46 Fernsehproduktionen trat er auf, darunter in TNT Series Grimme Preis-prämierter Serie «Add a Friend» und im bald erscheinenden «Tempel», ZDFneos erster Drama-Serie.Ein Protagonist mit Dreitagebart, kurzgeschorenen Haaren und Schlabberpulli. Schon in den ersten Szenen merkt man der neuen ZDFneo-Serie «Tempel» an, dass man es hierbei nicht mit Ware für den Massengeschmack zu tun hat. Die erste eigenproduzierte Drama-Serie des Digitalsenders soll auch kontrovers sein, anecken, so steigt das neue Format gleich bei einer Szene ein, in der der Protagonist zum ausgelassenen „Treat Me Nice“ von Elvis eine Leiche in der Badewanne wäscht. „Wir wollen mit dem Kontrast auf keinen Fall Gewalt verherrlichen. Dieser Umgang zeigt eher auf, wie beliebig mit Gewalt umgegangen wird heutzutage“, beruhigt Ken Duken gegenüber Quotenmeter.de. Und trotzdem: Duken spielt in der Drama-Serie einen Mann mit verschiedenen Gesichtern: Altenpfleger, aber Ex-Boxer. Familienvater, aber Krimineller. Liebender Ehemann, aber dem Rotlicht zugetan.
Man kann den 37-jährigen Heidelberger dieser Tage guten Gewissens als Mann für die mutigen deutschen Serien-Produktionen bezeichnen, weshalb die Rollenwahl des Mark Tempel, der in der ZDFneo-Serie zwischen zwei grundverschiedenen Welten steht, kein Zufall ist. Mark Tempel sei „sehr komplex, wie die meisten von uns. Bei ihm kommt es nur deutlicher zum Vorschein“, erklärt Duken. „Aber gerade dieser Kontrast zwischen dem Tier, das er in sich trägt, und dem Familienvater und Altenpfleger, war für mich der Reiz an dem Projekt.“
Aus der Sicht eines Schauspielers sind solche Facetten oft klare Argumente für eine Rolle. Erwähnt man dieser Tage deutschen Senderverantwortlichen in Zusammenhang mit neuen Serienideen Stichworte wie „hochkomplexe Charaktere“, „Gewaltdarstellungen“ oder „Kontroversität“ dann kann man jedoch davon ausgehen, dass nicht unmittelbar Dollar-Zeichen in den Pupillen der Senderchefs aufblitzen. In den vergangenen Jahren wurde der deutschen Serie immer wieder der große Aufstieg prophezeit, was folgte waren jedoch meist neue Rückschläge. Etwa mit dem international gefeierten «Deutschland 83», nach dem sich Märkte aus aller Welt rissen, das aber beim für das Format verantwortlichen RTL hierzulande im Rahmen der linearen Ausstrahlungen enttäuschte. Zuletzt auch mit «Weinberg», das zwar bei TNT Serie im Bezahlfernsehen zunächst fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit lief, aufgrund seiner hohen Qualität dann mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, doch im Zuge der Ausstrahlungen im Privatfernsehen bei VOX auf ganzer Linie versagte.
Ken Duken lässt sich davon nicht beirren: „Ich bin der Meinung, dass Qualität sein Publikum findet“. Gerade mit «Weinberg» müsste Duken jedoch etwas verbinden. Das Format stammt von TNT Serie. Zusammen mit «Weinberg»-Hauptdarsteller Friedrich Mücke begründete er in «Add a Friend» (Foto) beim Bezahlsender ab 2012 die zarte deutsche Serienwelle mit, als das Genre in den USA schon längst boomte. Auch deutsche Sender ergriff der Ehrgeiz, nachdem die Wiedemann & Berg-Produktion im Rahmen seiner drei Staffeln zum Geheimtipp avancierte und zum Beleg dafür, dass sich Mut auch auszahlen kann. Schließlich nahm der kleine Sender für die Eigenproduktion viel Geld in die Hand und schuf damit eines der ersten Prestige-Projekte im deutschen Pay-TV überhaupt, das auch die Weichen für «Weinberg» stellte. Als Protagonist, dem Fotografen Felix Wagner, der nach einem Autounfall mehrere Wochen in einem Krankenhaus verbringen muss und aufgrund seiner Bettlägerigkeit ein modernes Kammerspiel innerhalb der Wirren der Online-Kommunikaton durchlebt, trug Duken maßgeblich zum Erfolg der Serie bei.
Die deutsche Serie bleibt auch über vier Jahre nach dem Start von «Add a Friend» nur ein zartes Pflänzchen, trotzdem ist Ken Duken nun einen Schritt weiter – nämlich im Free-TV bei ZDFneo und damit bei einem Partner, der aufgrund des öffentlich-rechtlichen Auffangnetzes namens Gebührenfinanzierung etwas mehr Risiken eingehen kann. Den ersten Vorstoß wagte ZDFneo vergangenes Jahr mit Sitcoms, als man etwa «Eichwald, MdB», «…und dann noch Paula», «Ellerbeck» oder «Im Knast» ins Programm entließ. Von letzterer Sendung und dem TVLab-Gewinner «Blockbustaz» wurden sogar schon die zweiten Staffeln bestellt.
© ZDF/Reiner Bajo
Eva (Antje Traue, M.) heißt Mark (Ken Duken, l.) in seinem alten Zuhause willkommen. Natascha (Isolda Dychauk, r.) liegt erschöpft auf dem Bett.
Über «Tempel» (ZDFneo)
Altenpfleger Mark Tempel lebt mit seiner Frau Sandra, die seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt, und der gemeinsamen Tochter Juni im Berliner Wedding. Die Tempels fühlen sich wohl in ihrem Kiez, ihrer Heimat. Doch das Viertel verändert sich rasant. Als die Immobilienmafia auch die Tempels massiv unter Druck setzt und dabei auch vor drastischen Bedrohungen nicht zurückschreckt, hat Mark genug: Genug der Ohnmacht, genug des Aushaltens, was die Reichen und Mächtigen für die Mittelschicht bestimmen.
Serienstart: 29.11.2016
Nun also die erste eigene Drama-Serie – wie bei TNT Serie mit Ken Duken. Will Duken die deutsche Serie auf Vordermann bringen? „Danke. Aber, nein, natürlich nicht. Ich habe mir einfach zum Ziel gemacht, die Projekte zu finden, die mich reizen und herausfordern“, wiegelt Duken ab. Und dennoch hat auch er einen Stand zur aktuellen Lage des deutschen Serienmarkts. Eine positive Entwicklung sei generell schon zu spüren, findet Duken, „nur werden einige Serien-Projekte leider nicht in voller Konsequenz zu Ende gebracht. Es scheint, es werden in erster Linie Serien produziert, weil man eine erfolgreiche Serie machen will und nicht, weil man eine Geschichte erzählen will.“
Die Krise der deutschen Serie als hausgemachtes Problem der Entwickler. Von einer "Alibi-horizontalen Erzählweise" spricht Duken sogar, eingeflochten in die typische episodische Erzählstruktur. Das bestrafe der Zuschauer ziemlich schnell mit dem Umschaltknopf. Starke Worte, doch worin liegt der Mehrwert des anlaufenden «Tempel», worin die Dramatik oder die gesellschaftliche Relevanz? Dramatik erhalte der Serien-Newcomer vor allem durch die Figuren und ihr unorthodoxes Verhalten, meint Duken. „Zusätzlich ist «Tempel» wahnsinnig konsequent und mutig zu Ende erzählt." «Tempel» setze sich in erster Linie emotional mit aktuellen Themen der Gesellschaft auseinander, erklärt der Schauspieler weiter. „Mir gefällt, dass es diese Probleme sichtbar macht, ohne den nötigen Interpretationsspielraum zu nehmen, den man als Grundlage zu Diskussionen braucht.“
Die zunächst sechsteilige Produktion scheint also nach Angaben Dukens viele Komponenten zu enthalten, die für einen Serienerfolg nötig sind. Doch es bleibt Realität, dass auch Qualität beim oft unberechenbaren deutschen Zuschauer keinen bleibenden Eindruck hinterlässt, dessen ist sich auch Duken bewusst. „Im Vorfeld kann ich persönlich dazu nichts sagen“, antwortet Duken, angesprochen auf die Erfolgsaussichten des Formats. „Nur, dass ich selber die Serie sehr mag und stolz auf das Ergebnis bin!“ Eine Maxime, nach der sich vielleicht nicht nur Schauspieler, sondern auch Sender öfter für Serien aussprechen sollten.