«Der Lehrer» Hendrik Duryn: „Mit Humor öffnest Du Herzen und Verstand“

Im Januar meldet sich die RTL-Serie, die zuletzt große Quotenerfolge feierte, im deutschen Fernsehen zurück. Wir haben mit den Hauptdarstellern Hendrik Duryn und Jessica Ginkel gesprochen und versucht die geheime Erfolgsformel des Formats zu ergründen.

Zur Serie

Deutschlands „Lieblingslehrer“ kommen zurück: Seit Juni dreht RTL die mittlerweile fünfte Staffel von «Der Lehrer». Für 13 neue Folgen stehen Jessica Ginkel und Hendrik Duryn als Karin Noske und Stefan Vollmer vor der Kamera. Sony Pictures dreht noch bis Dezember in Köln und Umgebung. Gezeigt wird die frische Staffel ab dem 5. Januar immer donnerstags um 20.15 Uhr, ab 21.15 Uhr startet dann die neue Sitcom «Magda macht das schon».
«Der Lehrer» ist derzeit mega erfolgreich und eine der meistgesehenen Serien im deutschen Fernsehen – Wie erklären Sie sich das?
Hendrik Duryn:
Erstmal muss man da „mega“ definieren! (lacht) Alles ist immer gleich „mega“. Ich glaube, wir haben einen soliden Erfolg. Wir sind da ganz bescheiden. Wir sind froh, dass sich die Serie endlich beim Publikum durchgesetzt hat, denn bei uns war das von Anfang an der Fall. (lacht) Deswegen sind wir seit 2006 bis heute dran geblieben. Ich glaube, dass das Mischungsverhältnis des „Gleitmittels Unterhaltung“ stimmt – eben all das, was Spaß macht und das Herz öffnet. Du musst beim Menschen immer erst das Herz öffnen, bevor Du den Verstand erreichst. Wir sind keine Talkshow und keine Intellektuellensendung. Da ist es schwer, den Menschen wirklich im Inneren zu erreichen. Ich glaube, das beste Mittel ist einfach Humor.

Jessica Ginkel: Ja, jeder war in der Schule und kann sich mit dem Thema identifizieren.

Duryn: Deswegen haben es Knast-Serien viel schwerer, weil so wenig Leute im Knast sind. (lacht)

Ginkel: Ja, aber das ist ja wirklich so: Jeder kennt das von früher, dass man von einem Lehrer genervt war und einen anderen sehr gemocht hat. Oder dass man denkt: Genau so einen Lehrer hatte ich auch! Da hat man schon direkt einen persönlichen Ansatzpunkt.

Duryn: Genau, das macht ein gutes Buch immer extrem schwer, weil man auf der einen Seite zwar klare Geschichten hat, auf der anderen Seite aber nur „Character-driven“ ist. Wir haben da also keine Leiche, die irgendwo im Rhein treibt. Im Krimi sind dann die Kommissare, die ermitteln und am Ende steht der Mörder fest. Wir haben nur die Charaktere, die lebendig sind. Die müssen sich entwickeln, die haben Konflikte oder auch mal Freudenmomente, aber Du musst die immer kreieren. Die Geschichten dazu gibt es schon tausendmal, aber wie die erzählt werden, macht den Unterschied und alles ohne eine Leiche.

Jede Folge scheint dabei eine Art „Message“ übermitteln zu wollen bzw. behandelt auf unterhaltsame Weise auch „ernstere“ Themen wie beispielsweise Mobbing…
Duryn: Ja, bei uns heißt das dann die „Speech“, um die es geht. Grundsätzlich arbeiten wir immer mit einer Vier-Akt-Struktur. Das ist ein klassischer dramatischer Aufbau mit Wendepunkten für die Charaktere und den Verlauf der Geschichte. Gibt es schon seit der Antike. Bei uns gibt es dann immer den einen Moment, wir nennen das den Vollmer- oder Noske-Moment, der das Thema an der Wurzel packt und dann zur Message bzw. Speech wird. Sei es das Thema Mobbing, wirkliche Freundschaft oder sozialer Abstieg.

Das findet meistens im dritten oder vierten Akt statt. Wir versuchen da den eigentlichen Kern des Konfliktes herauszukristallisieren und ihm eine positive Perspektive zu geben. Aber nicht als allgemeine Wahrheit, sondern genau für diesen speziellen Konflikt der entsprechenden Figur. Aber im Empfinden liegt die Botschaft im gesamten dramatischen Verlauf einer Episode. Im Horizontalen geht das dann sogar über alle Folgen einer Staffel, also zum Beispiel: Wie funktioniert Geschlechterkampf? Wie funktioniert Emanzipation? Wie funktioniert die Entwicklung zwischen zwei Figuren? - Dafür gibt es diesen horizontalen Erzählstrang. Da heißt es dann immer so allgemein: Ja, die necken sich, die lieben sich und die bekriegen sich. Man bricht das immer so schnell herunter und fragt, wann die denn endlich zusammenkommen? Aber eigentlich geht es darum, was Figuren miteinander machen? Was lernen die Menschen voneinander? Und wo ist der Spaß dabei?

Ginkel: Man hört, dass Hendrik vom ersten Tag an voll in der Buchentwicklung involviert ist. Er schreibt ja auch mit als sogenannter Script-Consultant in einem Team von vier Leuten.

Auf das deutsche Fernsehen wird immer schnell geschimpft – wie erklären Sie sich das?
Ginkel:
Ich habe das Gefühl, dass sich das schon seit einiger Zeit aufweicht. Dass also deutsche Serien heute anders bewertet werden, als noch vor ein paar Jahren. Es wäre sehr schön, wenn das weiterhin so bliebe.

Wenn man das im Nachhinein nochmal alles zusammensucht, was uns die Presse so an den Kopf geworfen hat, denkt man: Wie grottig muss das gewesen sein?
«Der Lehrer» Hendrik Duryn über den schleppenden Start seiner RTL-Erfolgsserie
Duryn: Die Vielfalt in den USA ist enorm – das Land ist ja auch viel größer. Die produzieren viel mehr, deswegen fällt es auch nicht auf, wenn da mal etwas zerrissen wird. Bei den Deutschen fällt das viel mehr auf, weil wir hier einfach viel weniger produzieren. Bei «Der Club der roten Bänder» fällt das dann natürlich extrem positiv auf – toi, toi toi! Die bekommen von Anfang an einen positiven Hype – berechtigterweise. Das war mutig und großartig, was VOX da veranstaltet hat. Beim «Lehrer» fällt einfach auf, dass der sich zunächst durchsetzen musste. Der hat am Anfang immer auf die Fresse bekommen! Wenn man das im Nachhinein nochmal alles zusammensucht, was uns die Presse so an den Kopf geworfen hat, denkt man: Wie grottig muss das gewesen sein? (lacht) Das war bis 2009 noch so, wo alle geschrieben haben: „Im Sommerloch versendet“ oder „selbst RTL hat nicht daran geglaubt“ nach dem Motto: Es muss ja echt schlecht sein, wenn „selbst RTL“ es zwei Jahre in den Giftschrank packt. Und danach: „Oh, jetzt haben die es wieder ausgegraben. Sie geben der Serie nochmal eine letzte Chance“. Ich habe auch die Schlagzeile gelesen: „Der Patient ist noch nicht ganz tot“ – also immer so Begriffe, wo man sich fragt: Habt Ihr Euch die erste Staffel überhaupt mal angeschaut? RTL hat an die Serie geglaubt und bis zum heutigen Tag einfach alles richtig gemacht. Man sollte in dieser schnelllebigen Zeit dem Sender und den Machern für ihre Ausdauer gratulieren, als einfach nur auf dem deutschen TV aus Spaß herumzuhacken.

Beobachten Sie, was über Sie oder die Serie in der Presse geschrieben wird?
Ginkel:
Ich bemühe mich, das nicht zu intensiv zu betreiben. Mir macht meine Arbeit einfach unglaublich viel Spaß und ich stecke viel Herzblut in sie hinein. Natürlich beobachte ich die Quoten in dem Wissen, dass wir davon abhängig sind und die Serie bei schlechten Quoten nicht fortgesetzt wird. Allerdings kann ich das nicht beeinflussen und versuche das daher schon von mir wegzuhalten.

Die Serie lebt ja von diesem wiederkehrenden Konflikt Karin Noske vs. Stefan Vollmer - wird das ewig so weitergehen?
Ginkel:
Ja, es wird turbulent zugehen, mit einigen Auf und Ab´s! (lacht)

Duryn: Dadurch, dass wir kein Krimi sind, willst Du ja eine durchgängige Geschichte erzählen. Das bindet Dich nun mal an die Hauptfiguren. Wenn ich jetzt Zuschauer bin, möchte ich natürlich horizontal gesehen – das ist jetzt nicht doppeldeutig zu verstehen - wissen, was zwischen Frau und Mann abgeht. Wir versuchen zu erzählen, wie eine Beziehung wirklich funktioniert. Das ziehen wir natürlich im Extremen auf und übertreiben auch mal. Das ist Fiktion, das ist nicht das wahre Leben! «Der Lehrer» ist zwar wahr, weil es viele solche Lehrertypen gibt – nur ist man in der Realität nicht dazu geneigt, diese anzuerkennen. Denn dann müsste man sich mit denen ernsthaft auseinandersetzen. Der Filter des Fernsehens hilft da. Es gibt diese Lehrer – hundertprozentig! Ich kenne auch mehrere von denen, aber man sieht sie in Wahrheit nicht. Das ist bei der Beziehung genauso: Was in der Realität in zehn Jahren passiert, komprimieren wir in zehn Folgen. Wir spiegeln das Leben fiktional. Da geht es auch darum, die „funny Moments“ im Leben zu erkennen, wenn man sich mit der Bratpfanne in der Hand das nächste Mal streitet – da gibt es genug „funny Moments“ im echten Leben.

Wie lange wollen Sie das noch weiterspielen?
Duryn: Ich glaube nicht so lange, bis wir Oma und Opa werden…

Ginkel: Warum nicht?

Duryn: Das war eindeutig! (lacht) Wir treiben es noch eine ganze Weile, weil die Beziehung noch lange nicht erschöpft ist und wir ja keinen Einzelfilm á la Romantic-Comedy machen. Im Thema Geschlechterkampf und Emanzipation steckt noch ganz viel drin. Wir stellen unsere Hauptfiguren ständig vor neue Herausforderungen, die das Leben nun einmal mit sich bringt und wühlen uns dabei durch alles, was wehtun könnte. Nach dem Motto: „Wir stehen bis zum Hals in der Scheiße, aber der Ausblick ist schön.“ - Ist übrigens ein Zitat aus einem meiner Lieblingsfilme «Alles auf Zucker».

Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit Lehrern?
Ginkel: Mein Vater ist Lehrer. Hendrik geht es da ja in seiner Familie ähnlich. (lacht) Ich habe sogar auf Lehramt studiert. Als Kind hatte ich allerdings den Wunsch, Musicaldarstellerin zu werden. Da mein Vater Lehrer ist, fand er die Idee jetzt nicht so wahnsinnig gut und hatte da auch gar keinen Bezug zu. Ich hatte mein Abi in der Tasche und habe überlegt, was ich jetzt mache. Mein Vater meinte natürlich, dass ich doch Lehramt studieren könnte. Dann habe ich mir das mal angeguckt, denn ich mochte einfach die Arbeit mit Kindern. Studiert habe ich in Potsdam, wo man im ersten Semester direkt in die Schulen geht, um gleich zu testen. Ich habe Kunst, Mathe und Sachkunde für die Grund- und Hauptschule studiert und habe das bis zum Ende sehr gerne gemacht.

Duryn: Gibt es zu, du warst in irgendeinen Lehrer verliebt! (lacht)

Ginkel: Oh, nein, um Gottes Willen! (lacht) Nein, ich hatte gute Lehrer, aber keinen, in den man sich verliebt. Und natürlich keinen, der so „Vollmer-esk“ ist!

Duryn: Ja, das ist ein Standard-Begriff bei uns. Aber tatsächlich war meine ganze Familie auch Lehrer. Meine Mutter, Vater, Schwester, Tante… Das hilft mir manchmal in der Buchentwicklung.

Vielen Dank für das Gespräch, Jessica Ginkel und Hendrik Duryn.
29.11.2016 07:49 Uhr  •  Benjamin Horbelt Kurz-URL: qmde.de/89635