Cast & Crew
- Regie: André Erkau
- Darsteller: Yvonne Catterfeld, Götz Schubert, Emma Drogunova, Julius Nitschkoff, Andreas Schmidt, Jan Dose, Sebastian Nakajew, Johannes Zirner, Marko Dyrlich, Sabine Vitua
- Drehbuch: Sönke Lars Neuwöhner, Sven Poser
- Kamera: Gunnar Fuß
- Schnitt: Anke Berthold
- Musik: René Dohmen, Joachim Dürbeck
- Produktionsfirma: Molina Film
Wer sich einen Spaß machen und bei der Sichtung der neuen ARD-Donnerstagskrimireihe «Wolfsland» bei sämtlichen altbekannten Elementen einen Kurzen heben möchte, wird wohl kaum die gesamte Laufzeit durchstehen: Eine aufgeschlossene, moderne junge Ermittlerin (hier: Yvonne Catterfeld als Viola Delbrück) aus einer Millionenstadt (in diesem Fall: Hamburg) verlegt ihren Lebensmittelpunkt in eine beschaulichere, kleinere Stadt (dieses Mal: Görlitz). Dort wird sie prompt in einen kniffligen Mordfall verwickelt, den sie gemeinsam mit ihrem neuen Partner zu lösen versucht. Bei ihm handelt es sich um einen rauen Typen, einen Macho der alten Schule (mit dem Rollennamen Burkhard 'Butsch' Schulz, verkörpert von Götz Schubert) – eigenbrötlerisch, an bedeutungslosem Sex interessiert und nicht davon überzeugt, dass die weniger erfahrene Großstädterin eine Bereicherung auf dem Revier darstellt.
Beide haben ihr Päckchen zu tragen, doch während er seine emotionalen Bürden an seinem Umfeld auslebt, beißt sie sich durch, gibt sich freundlich und zuvorkommend, traut sich nur in der Sicherheit des Alleinseins, Tränen und Schmerz zu zeigen. Im Laufe ihres ersten Falls locken sich die frisch gebackenen Ermittlungspartner gegenseitig aus der Reserve. Sie gehen sachte aufeinander zu und erkennen, welche Vorteile ihr Gegenüber so mit sich bringt – aber die Lernkurve ist niedrig genug, um noch Raum für viele, viele Folgen mit der hier gebotenen, angespannten Dynamik über den Äther schicken zu können.
Zweifelsfrei: Ausgetretene Pfade sind nicht grundlos ausgetreten. Es gibt Versatzstücke, die halt funktionieren und daher nicht nur von Autoren und Regisseuren immer wieder gerne genutzt, sondern auch vom Publikum immer wieder gerne verschlungen werden. Niemand fordert, dass im Supermarkt nur noch exotische Schokosorten wie „Salz-Haselnuss-Ingwer-Toffee“ und „Fenchel-Urdbohne-Chili-Karamell“ ausliegen. Eine gute Vollmilchschokolade in Ehren kann kaum wer verwehren. Wenn aber nahezu ausschließlich Vollmilch angeboten wird und die neuste Sorte noch dazu überdeutlich mit geschmacksarmen Zutaten hergestellt wurde – dann fällt umso stärker auf, wie ideenarm die Schokoladenindustrie geworden ist.
«Wolfsland» mutet in der Auftaktfolge wie solch eine Discount-Vollmilchschokoladentafel an: Die Fließband-Grundkonstellation lässt in der Umsetzung jeglichen Flair vermissen – Catterfeld und Schubert gehen sich in ihren Rollen in Autopilotmodus auf die Nerven. Oh, ist die neue Kollegin vielleicht anstrengend-engagiert. Ey, rattert der alte Hase lebensüberdrüssige und frauenfeindliche Sprüche runter. Uff, sind unsere Ansätze vielleicht unterschiedlich!
Dass die Darsteller so blass agieren, dürfte auch an den steifen, ungeschliffenen Dialogen liegen – in wortkargen Momenten blitzt jedenfalls doch darstellerische Größe auf. Wenn Catterfelds Hanseatin aus Albträumen von ihrem dominanten Ex erwacht und glaubwürdig am ganzen Leib zittert. Oder wenn Schubert in den letzten Augenblicken die schroffe Schale seiner Figur kurz zum Zerbersten bringt. Der zentrale Kriminalfall, eine Abwandlung des „Bonnie & Clyde“-Motivs mit den arg grell auftragenden Emma Drogunova und Julius Nitschkoff als Aggro-Pärchen, kommt neben der ausgewalzten Einführung der Kommissare viel zu kurz – somit werden die Tatmotive nur lasch angerissen. Das wiederum führt dazu, dass es dem Finale an dramaturgischem Fundament fehlt, es wird spannungsarm eingeleitet, plätschert dahin und macht Platz für einen ersten Schritt Charakterentwicklung für die Hauptfiguren.
Inszenatorisch ist der «Wolfsland»-Auftakt, entstanden unter der Regie von André Erkau («Winnetous Sohn»), zumindest punktuell mehr als unterdurchschnittliche Ware von der Stange: Delbrücks Albträume sind fesselnd und finster, ohne effekthascherisch zu sein. Auch die mystischen, wenngleich etwas bemühten, Aufnahmen des Görlitzer Waldes machen Hoffnung, dass diese Kulisse bei einem besseren Fall viel Atmosphäre versprühen wird. Die ständigen Zooms des Kameramanns Gunnar Fuss während der Gesprächsszenen scheinen dagegen wahllos zu sein und reißen eher aus dem Geschehen heraus, statt den Zuschauer näher an die Figuren heranzubringen.
Fazit: Das Erste kehrt am Donnerstagabend aus dem Ausland in die Heimat zurück – und bleibt im Krimialltag stecken.
«Wolfsland – Ewig Dein» ist am 8. Dezember 2016 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen. Sieben Tage später folgt eine weitere Ausgabe.