Die glorreichen 6: Kurz und knapp – Filme unter 90 Minuten (Teil VI)
Sie stehen oftmals im Schatten dreistündiger Epen – dabei sind kurze Filme mindestens genauso beeindruckend. Diese Staffel "Die glorreichen 6" befasst sich mit Geschichten unterhalb einer Laufzeit von 90 Minuten. Zum Abschluss: «Dumbo»!
Die Handlung
Filmfacts «Dumbo»
Regie: Ben Sharpsteen, Norman Ferguson, Wilfred Jackson, Bill Roberts, Jack Kinney, Samuel Armstrong
Produktion: Walt Disney
Story: Otto Englander, Joe Grant, Dick Huemer
Erscheinungsjahr: 1941
Musik: Oliver Wallace
Lieder: Frank Churchill, Ned Washington
Orchestration: Edward H. Plumb
Laufzeit: 64 Minuten
FSK: ohne Altersbeschränkung
Lange musste Elefantendame Mrs. Jumbo auf die Ankunft ihres Sohnes warten – doch während ihr Zirkus auf Reisen geht, kommt der Klapperstorch endlich an. Der zuvorkommende Vogel überreicht ihr ein Bündel, in dem sich ein niedliches Elefantenbaby befindet. Dieses hat allerdings selbst für einen Elefanten wahnsinnig große Ohren, was ihm bei den weiteren Elefantendamen Hohn, Spott und den gehässigen Spitznamen Dumbo einbringt. Dem ist noch nicht genug: Als der Zirkus Station macht, wird Mrs. Jumbos Sohn von frechen Besuchern gedemütigt, woraufhin der fürsorglichen Mutter der Geduldsfaden reißt: Sie gibt dem lautesten der Spötter ordentlich Klapse, wofür sie von der Zirkusleitung in einen beengenden Käfig gesperrt wird.
Das Elefantenjunge findet alsbald ausgerechnet in einem vorlauten, aber moralisch integren Mäuserich namens Timothy einen treuen Freund. Dieser nimmt sich vor, dem geächteten Kind zu mehr Respekt zu verhelfen. Timothys Plan, Jumbo Junior alias Dumbo bei einem waghalsigen Stunt zur Starattraktion zu machen, schlägt jedoch katastrophal fehl – so dass der kleine Elefant die soziale Hackordnung weiter hinunterstürzt. Nicht verzagen: Im Suff kommt Timothy eine neue Idee …
Kurz und knapp – Warum «Dumbo» nicht länger sein darf
Über viele Jahrzehnte hinweg waren die Walt Disney Animation Studios ein hell loderndes Beispiel für die Strahlkraft effektiven Geschichtenerzählens: Nur eine kleine Handvoll von Disney-Zeichentrickfilmen weist eine Laufzeit von über 90 Minuten auf, kaum einer dieser Klassiker fühlt sich auch nur eine Minute zu lang an. In dieser Riege an kurzen, prägnanten Filmen ist «Dumbo» das Urexempel für eine zügig erzählte, unterhaltsame und trotzdem ergreifende Geschichte:
Die Disney-Künstler führen in der Zeitspanne von etwas mehr als einer Stunde eine liebenswerte Figur ein, etablieren ihre missliche emotionale Lage, verschlimmern diese, zeigen einen Weg aus der Misere, reißen ihrem Titelhelden erneut den Boden unter den Füßen hinfort und erarbeiten letztlich eine Lösung – all dies, und sie haben nebenher Zeit für kreative cartoonige Späße, ohne, dass es in Hektik ausartet. «Dumbo» verfolgt makellos das Mantra: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Und wenn es wo ein Zuviel gibt, sei es an Ohrengröße oder Trickwahnsinn, dann verleiht es dem Ganzen erst seinen Charme.
Die 6 glorreichen Aspekte von «Dumbo»
Nach den detailverliebten Produktionen «Schneewittchen und die sieben Zwerge» und «Pinocchio» sowie dem aufwändigen und experimentellen «Fantasia» wirkt «Dumbo» auf dem ersten, oberflächlichen Blick wie eine B-Produktion: Die Hintergründe sind nicht so filigran ausgeschmückt, die Figuren sind in klareren Linien gezeichnet, also nicht so verschnörkelt wie in den ersten drei Disney-Trickfilmen. Aber «Dumbo» ist zeichnerisch wesentlich eindrucksvoller als es bei einer flüchtigen Betrachtung zeichnen mag: Brillante, schlichte Zeichnungen erwecken hier in warmherzig gehaltenen, ausdrucksstarken Bildern Figuren zum Leben, die langfristig in Erinnerung bleiben. Allein schon, wie Zeichner Bill Tytla den stummen Protagonisten mimisch Bände sprechen lässt, ist beeindruckend.
Hinzu kommt eine muntere Farbpracht: Anders als fast alle abendfüllenden Disney-Zeichentrickfilme entstand «Dumbo» unter der Verwendung von Wasserfarben – die die Trickkünstler raffiniert einsetzen. Dieser cartoonig gehaltene, nicht einmal 70 Minuten lange Zirkusausflug strahlt aus sich heraus, doch die Zärtlichkeit von Wasserfarben verhindert, dass die hellen Farbtöne in den Augen beißen. Somit entsteht eine fröhliche, freundliche Optik, die zum Zirkusthema passt.
Dabei ist in «Dumbo» nicht alles Friede-Freude-Jumboerdnüsse, ganz im Gegenteil: Der Film rekreiert mit erschreckender Authentizität, wie gemein und giftig Leute gegenüber auffälligen Anderen sein können. Die schmerzenden Gemeinheiten mit denen der Titelheld von Lästertanten und Lausebengeln überschüttet werden, sind wie aus dem Leben gegriffen und erden den späteren Zirkusspaß in einem Kontext der Feindseligkeit – umso berührender ist die so intuitiv erzählte, schlicht gehaltene Mutter-Kind-Beziehung, die diesen kleinen, feinen Film so herzlich macht.
Abgerundet wird «Dumbo» durch die eingängigen, frohen, aber einen etwas trüben Beiklang mitbringenden, Kompositionen von Oliver Wallace sowie die pfiffigen Lieder von Frank Churchill & Ned Washington – inklusive der Ausnahmenummer «Rosa Elefanten», einem psychedelischen, trunkenen Trickfilmtraum der zu den irrsten Sequenzen der Disney-Geschichte zählt.
«Dumbo» kann via Amazon, Maxdome, Netflix, Watchever und Videoload sowie Google Play und Sky Ticket gestreamt werden. Zudem ist er als DVD und Blu-ray zu erwerben.