Die 10 größten TV-Überraschungen des Jahres 2016

Böhmermann, DAZN, «Ninja Warrior Germany», Rocket Beans TV: Auch das Medienjahr 2016 hielt viele Überraschungen parat. Wir blicken auf die Top 10.

Ninja Warrior Germany


Man hatte die weniger erfolgreichen Sendungen noch im Kopf, «Wipeout» zum Beispiel. Ein großer Hit waren Action-Parcours-Shows in Deutschland nie – dann kam «Ninja Warrior Germany», ein Ableger eines japanischen Originals. Mit über 20 Prozent Marktanteil beim jüngeren Publikum sprengte das Format alle Quotenerwartungen – gerade auch, weil sich in den letzten Jahren genügend Sommer-Showflops angehäuft haben. Großen Anteil am Erfolg hat das mitreißende Moderatorentrio Laura Wontorra, Frank Buschmann und Jan Köppen, eine neue Staffel ist längst bestellt. Prognose: 2017 werden wir noch mehr Show-Action sehen. Unter anderem mit Netflix‘ «Beastmaster».

Comeback der 90er


Ein Zeichen von Ideenarmut oder einfach ein Grund zum Feiern? Viele Formate aus dem goldenen Jahrzehnt des Privatfernsehens kamen in diesem Jahr wieder zurück, darunter vor allem die klassischen Gameshows wie «Glücksrad» und «Ruck Zuck» (RTLplus). RTL war mit den Quoten zufrieden und bestellte für alle Shows neue Staffeln. Ebenfalls bei RTL wurde «Der heiße Stuhl» wiederbelebt, die kontroverse Talkshow aus den 90ern. Auch von ihr wird es 2017 weitere Folgen geben. Mit «Tutti Frutti» (RTL Nitro]] steht das nächste berühmte 90er-Format in den Startlöchern.

Böhmermann löst (fast) eine Staatskrise aus


Wer glaubte, dass 2015 das Jahr des Jan Böhmermann war, der ließ sich in den vergangenen Monaten eines Besseren belehren. Im Frühjahr traf er den Nerv der politischen Klasse, indem er ein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Erdogan vortrug und damit heftige Reaktionen auslöste. Bis in höchste politische Kreise wurde das Thema diskutiert, auch Angela Merkel äußerte sich. Ein besseres Zeugnis kann man einem Satiriker nicht ausstellen – selbst Ziehvater Harald Schmidt erreichte eine solche Relevanz nie. Böhmermanns Marktwert – und seine Popularität – stiegen mit der Geschichte stark an. Neue Wege geht er dennoch nicht: Ein weiteres Jahr bleibt er beim ZDF und macht das «NeoMagazin Royale».

DAZN


Die digitale Revolution erfasst die Sportwelt, und DAZN ist ihr Vorreiter: Man staunte nicht schlecht, als die Streaming-Plattform im Laufe des Jahres immer mehr Live-Rechte ankündigte, die vorher verstreut über verschiedene Kanäle liefen. US-Sport, Tennis, Fußball mit Premier League und La Liga, noch vieles mehr. Über 8.000 Live-Events pro Jahr sollen übertragen werden – damit mischt DAZN den Medienmarkt kräftig auf. Doch auch negative Überraschungen gibt es: Die Plattform läuft längst nicht so reibungslos wie von anderen Streaming-Diensten gewohnt. Ein „Netflix des Sports“ ist DAZN damit noch nicht. Und die verbesserungswürdige Unternehmenskommunikation ärgert Nutzer: Schon für die Startphase werden Apps für Konsolen und Apple TV sowie Chromecast-Unterstützung angekündigt – bis heute wurde von den Versprechen keines umgesetzt.

Olympia nicht mehr bei ARD und ZDF


Es war eine der größten Sportnachrichten des Jahres, und gleichzeitig war es die überraschendste: Die Olympischen Spiele 2018 bis 2024 werden nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen sein. Damit endete bereits in diesem Jahr eine jahrzehntealte Tradition der Sportberichterstattung. Durch die neue Rechtelage spricht mancher Beobachter gar eine Niederlage für die gesamte Gesellschaft: Dadurch, dass die Olympischen Spiele künftig nur noch auf Spartensendern (Eurosport 1 und DMAX) sowie im Pay-TV zu sehen sein werden, fehlt die große Aufmerksamkeit zumindest alle zwei bis vier Jahre, die ARD und ZDF automatisch mit sich bringen. Weniger Aufmerksamkeit für die Randsportarten bedeutet weniger Mitglieder in Vereinen, dann weniger Förderung, dann weniger Spitzentalente. Die Sportnation Deutschland könnte sich dadurch verändern. ARD und ZDF tragen insofern Verantwortung: Die eingesparten Millionen für Olympia-Rechte sollten nun so genutzt werden, dass viele Sportarten abseits des Fußballs weiterhin im Fernsehen prominent vertreten sind – jetzt eben zwischen den Olympia-Höhepunkten alle vier Jahre.

Dating-Shows


Als wäre Tinder nicht genug: Eine neue Art von Dating-Show erobert das Fernsehen, und die Zutaten sind fast immer dieselben. Partnerwahl im Speed-Modus, oberflächlich und konsequent, die Partnerwahl als Kosten-Nutzen-Rechnung. Teilweise auch viel Haut. Neben den bekannten Formaten «Take Me Out» und «[Adam sucht Eva» haben sich in diesem Jahr noch «Kiss, Bang, Love» und «Match Factor» dazugesellt. So viel Dating gab es im Fernsehen wohl selten. Die nächste Dating-Idee aus dem britischen TV zeigt, dass es auch noch ein „Stück“ plakativer geht: In «Naked Attraction» weiß der Kandidat sofort, womit er es zu tun bekommt. Er kann im Studio aus sechs potenziellen, völlig nackten Dating-Partnern eine/einen auswählen, um einen gemeinsamen Abend zu verbringen.

ARD-Vorabend: Todeszone adé


Was sich 2015 bereits andeutete, zeigte sich in diesem Jahr umso stärker: Die langjährigen Probleme des Vorabends im Ersten scheinen gelöst – weil die Zuschauer anscheinend das Quizshow-Genre wieder für sich entdecken. Mit Hits wie «Wer weiß denn sowas?», «Gefragt – gejagt» und dem «Quizduell» fährt man starke Zahlen ein und hat teilweise die Qual der Wahl, welche Formate denn auf den knapp bemessenen Sendeplätzen zu sehen sein sollen. Seit einiger Zeit hat man dafür den 18-Uhr-Sendeplatz am Montag bis Freitag freigeräumt, zusätzlich freitags den Platz um 18.50 Uhr. Kontinuität zahlt sich aus: Lagen die Quoten 2015 bei vielen Shows noch im knapp zweistelligen Bereich, legten sie in diesem Jahr massiv auf teilweise 15 Prozent Marktanteil und mehr zu. Vor allem bei «Wer weiß denn sowas?», das den täglichen Quiz-Sendeplatz am Vorabend in diesem Jahr hauptsächlich besetzte. Eine Erfolgsgeschichte.

Serien werden retro


In diesem Jahr erreichte die Retro-Welle im Serienkosmos ihren vorläufigen Höhepunkt: Mit einer neuen Staffel von «Akte X» kam beispielsweise eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Serien der 90er Jahre zurück. Besonders Netflix hat den appeal der Retro-Serien für sich entdeckt, und damit neue Kundengruppen erschlossen: «Fuller House», das Revival der 80er-Sitcom, war der erfolgreichste Serien-Neustart 2016, wenn man (inoffizielle) Abrufzahlen von Marktforschungsunternehmen zugrunde legt. Nicht ohne Grund wurde sogar noch in diesem Jahr eine zweite Staffel nachgeschoben. Ein ähnlicher Hype umgab die neuen Folgen von «Gilmore Girls». Und mit «Stranger Things» wurde zwar keine alte Serie neu aufgelegt – aber selten schaffte man es, ein solches Retro-Feeling zu erzeugen wie mit dieser Geschichte. 2017 folgt übrigens der nächste große Klassiker mit neuen Episoden: «Twin Peaks».

Meinungsmacht TV? Nicht mit Trump


Das Jahr 2016 legt die Krise des Informationsmediums Fernsehen so offen wie nie zuvor: Auf der einen Seite sprachen viele TV-Sender eine Sprache, nämlich die des liberalen Weltbildes. Man stellte sich mehr oder weniger offensichtlich gegen Trump, gegen den Brexit. In Late-Night-Shows wurde noch nie so einseitig Stellung gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten bezogen wie vor dieser Wahl. Und auf der anderen Seite schenkte man ihm so viel Berichterstattung und Aufmerksamkeit – wenn auch größtenteils negative –, dass man sagen kann: Das Fernsehen hat sich seine eigenen Dämonen gezüchtet. In jedem Fall konnte kein etabliertes Medium die überraschenden Ausgänge der Wahlen verhindern, stattdessen wird über den Big-Data-Sieg der Rechten gesprochen. Das Leitmedium Fernsehen hat ausgedient – zumindest in diesen Fällen.

Rocket Beans TV: Raketenbohnen fliegen immer höher


In der Psychologie gibt es das Stichwort des Dritten Weges: Wenn man mit einer Sache, Idee, mit einem Projekt scheitert, dann steht dieser Dritte Weg für Chancen, für neue Möglichkeiten, aus der Krise zu wachsen – und eben nicht für Selbstmitleid, Antriebslosigkeit, Negativität. Alles ist also eine Frage der eigenen Perspektive. So gesehen war das Ende von «MTV Game One» das Beste, was dem Team um die Raketenbohnen passieren konnte: Statt für Andere zu produzieren ergriff man 2014 die Chance, einen eigenen 24h-Internetsender für Nerds aufzubauen. In diesem Jahr ging die Erfolgsgeschichte weiter: Von Twitch wechselte man zu YouTube, man gewann viele neue Fans, man ging viele Kooperationen ein, mit dem jungen ARD/ZDF-Angebot funk und dem Sender RTL II You. Selbst dem großartigen «Game One» muss man mittlerweile nicht mehr hinterhertrauern: Seit einigen Wochen wird mit «Game Two» der Nachfolger produziert.

Die gesamte Redaktion von Quotenmeter.de wünscht Ihnen ein frohes Weihnachtsfest 2016!
24.12.2016 17:36 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/90178