Die glorreichen 6: Winterlich-wunderbare Filme von Schnee und Eis (Teil I)

Egal ob frostige Stimmung oder bezaubernd-zugeschneite Winterlandschaften: Die kalte Jahreszeit dient als Setting vieler denkwürdiger Filme. Zu Beginn stapfen wir in die postapokalyptische Welt von «Snowpiercer».

Die Handlung


Filmfacts «Snowpiercer»

  • Regie: Bong Joon-ho
  • Produktion: Park Chan-wook, Lee Tae-hun, Jeong Tae-sung, Steven Nam
  • Drehbuch: Bong Joon-ho, Kelly Masterson; basierend auf dem französischen Comic "Le Transperceneige" von Jacques Lob, Benjamin Legrand, Jean-Marc Rochette
  • Darsteller: Chris Evans, Song Kang-ho, Tilda Swinton, Jamie Bell, Octavia Spencer, Ewen Bremner, Ko Asung, John Hurt, Ed Harris
  • Musik: Marco Beltrami
  • Kamera: Hong Kyung-pyo
  • Schnitt: Steve M. Choe, Changju Kim
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Laufzeit: 126 Minuten
  • FSK: ab 16 Jahren
Der Plan, durch Geoengineering der globalen Erwärmung entgegenzuwirken, ging gewaltig nach hinten los: Es wird eine neue Eiszeit ausgelöst, die jegliches Leben auf der Erde auslöscht – ausgenommen von den Passagieren eines dank ausgefeilter Technologie nonstop die Welt umrundenden Zuges namens Snowpiercer. Fast zwei Jahrzehnte nachdem der ewige Winter begann, haben sich an Bord weit auseinanderklaffende Klassen gebildet.

Am hinteren Ende des Zuges vegetiert eine geknechtete Arbeiterklasse vor sich hin, die sich den herrischen Regeln der Betreiber des Snowpiercers zu beugen hat. Diese residieren im sagenumwobenen Vorderteil des überlangen Schienenfahrzeugs – doch unter der Führung des verbitterten Curtis (Chris Evans) und unter Hilfe des Technikers Gilliam (John Hurt) bildet sich eine Gruppe von Revolutionären. Als diese ihren Kampf beginnt, wird sie von zahllosen skurrilen und beängstigenden Überraschungen heimgesucht …

Winter-Wunderland oder frostige Höllenlandschaft?


Zweifelsfrei: In diesem Film, der eingangs fast durchweg die rostig-braune, stählern-graue, künstlich-industrielle Lebenswelt der Arbeiterklasse zeigt, entfalten die nach dem ersten Drittel gezeigten Aufnahmen einer lichtdurchfluteten, schneebedeckten Gebirgskette eine zauberhafte Wirkung. Bieten sie als helle Naturbilder doch einen kurzen, aufmunternden Augenblick der visuellen Abwechslung.

Dennoch: Insgesamt betrachtet ist «Snowpiercer» kein Film, der Schnee und Eis verfallen ist, sondern einer, in dem der Winter als Bedrohung herhält: Die Welt, wie wir sie kennen, wurde durch Kälte zerstört und unwirtlich gemacht – und die wortwörtliche, meteorologische Kälte steht als Versinnbildlichung für soziale Kälte. Denn in Bong Joon-hos Anti-Utopie sind mangelnde Empathie, Ruchlosigkeit und Ablehnung der wahre Feind.

Die glorreichen 6 Aspekte von «Snowpiercer»


Die in englischer Sprache gedrehte, südkoreanische Produktion «Snowpiercer» beginnt als grimmige, karge Anti-Utopie, um sich daraufhin kontinuierlich in einen konzeptuellen Wahnsinn hineinzusteigern. Regisseur Bong Joon-ho baut seine Comicadaption mit der Dramaturgie eines schrittweise seine wahre Bandbreite enthüllenden Videospiels auf – was hier ausnahmsweise eine intuitive, schlüssige Sache ist: Wagon für Wagon kämpft sich der Widerstand rund um «Captain America»-Darsteller Chris Evans in seiner grantigsten Rolle nach vorne, und stößt stets auf völlig neue Welten und Herausforderungen. Ganz gleich, wie sehr sich die Revoluzzer darauf einstellen – die Entdeckungen bleiben unerwartet und (für das Publikum willkommen-)irritierend.

Die außergewöhnlich gestalteten, mit scharfem Auge überzeichneten Welten innerhalb des Snowpiercers werden packenderweise durch ebenfalls überspitzte Figuren bevölkert – welche dank magnetischer Performances des ambitionierten Ensembles zum Leben erweckt werden. Vor allem Alison Pill als eine mit «Monty Python»-Manie agierende Lehrerin, eine schrullig-bedrohliche Tilda Swinton und der als charakterlicher Anker des Stoffes dienende, traumatisierte Chris Evans bleiben besonders in Erinnerung – genauso wie die abwechslungsreichen, kreativ inszenierten Actionszenen, die von hart bis lustig die gesamte Klaviatur bedienen, ohne den Film durch zu ungleiche Umsetzung entzwei zu reißen.

Trotz leichter Überlänge und besagter unkonventioneller Dramaturgie hat «Snowpiercer» jedoch keine nennenswerten Durchhänger – was an der fiebrigen Figurenzeichnung und einem sich steigernden Erzähltempo liegt: Das Drehbuch von Bong Joon-ho und Kelly Masterson gleicht in seiner narrativen Dynamik einem schweren Zug auf freier Strecke – es geht schnaufend los, dann nimmt die wahnwitzige Geschichte Fahrt auf, bis sie nach dem retardierenden Moment letztlich in ihrer mahnenden, verrückten Art völlig entgleist. Massentauglich ist «Snowpiercer» deshalb keineswegs – wohl aber eine lang nachhallende Metapher auf den Klassenkampf und das feindselige Naturell unserer Gesellschaft.

«Snowpiercer» ist als DVD und Blu-ray erhältlich sowie via Amazon, Netflix, maxdome, Watchever, Wuaki, Google Play, Videobuster und Videoload als Stream abrufbar.
25.12.2016 04:56 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/90193