Es gibt Serien, ohne die wären andere Formate gar nicht denkbar gewesen. Serien, die eine neue Sprache, eine bisher unbekannte Art des Ausdrucks gefunden und etabliert haben. Drei dieser Perlen stellen wir euch in dieser Reihe vor.
Warum?
Manuel Weis: Wir haben hier mit «Dawson's Creek» eine Serie, in deren Zentrum vier junge Menschen in einer US-Kleinstadt stehen. 6 Staffeln liefen damals bei TheWB aus dem später dann mal The CW wurde und wo dann andere Jugendserien wie «Gossip Girl», «One Tree Hill» oder eine Neuauflage von «90210» lief. Wieso wird dieser Serie eigentlich der Ruhm der Nennung in dieser Rubrik zuteil?
Darum!
Björn Sülter: Es wäre zu einfach, die Abenteuer von Dawson, Joey, Jen und Pacey schlicht als Vorreiter für andere (Folge-)Formate zu sehen. Die Serie zitiert durchaus selber bekannte Klischees und bedient übliche Serienmechanismen.
Was Autor und Mastermind Kevin Williamson («Scream», «Ich weiß was du letzten Sommer getan hast», «The Faculty») jedoch an Emotionalität in den Mix wirft, ist bis heute einzigartig. Er beleuchtet nicht nur die pubertären und post-pubertären Dramen seiner Protagonisten, sondern spiegelt diese auch noch gekonnt in den erwachsenen Figuren. So schuf er eine Serie, die alle Altersstufen ernst nimmt, die inne hält, um Zusammenhänge zu erklären und zu veranschaulichen. Gesellschaftliche Probleme werden beleuchtet, Kerr Smith gelang mit Hilfe der sensiblen Dialoge in der Rolle des Jack McPhee die bis dahin beste Darstellung eines Homosexuellen, Motive wie Scheidung und Tod erhalten eine kritische und generationenübergreifende Auseinandersetzung und hallen lange nach.
Warum?
Manuel Weis: Die Serie lief also vor Sendungen wie «The OC», «Gossip Girl» und Co – aber nach «Beverly Hills 90210» und dem Original-«Melrose Place». Welche neuen Elemente sind darin zu entdecken?
Darum!
Björn Sülter: Das wichtigste Element der Serie ist eines, das Kevin Williamson auch erfolgreich in Filme wie «Scream» einfließen ließ: Die Kunstform Dialog. Für die Jugendlichen bei «Dawson´s Creek» bediente er sich dabei eines Kniffs, der für viele Zuschauer zunächst - und für einige auch langfristig - gewöhnungsbedürftig war. Seine Charaktere sprachen wie gebildete Erwachsene und schraubten sich in ihren psychologischen Selbst- und Fremdanalysen oft gegenseitig in verschachtelte und ungeahnte Höhen.
Die deutsche Version ist hierbei übrigens äußerst hörenswert weil liebevoll und kompetent umgesetzt. Kleine Anekdote am Rande: Während der Synchronarbeiten arbeiteten die Brüder Dennis Schmidt-Foß (Sprecher von Joshua Jackson alias Pacey) und Gerrit Schmidt-Foß (Sprecher von James Van Der Beek alias Dawson) gemeinsam an der Serie. Ab der zweiten Staffel kam dann sogar noch der dritte Bruder Florian Schmidt-Foß dazu (Sprecher von Kerr Smith alias Jack). Und wer denkt, damit sei es getan: Dascha Lehmann sprach Katie Holmes alias Joey - und heiratete 2001 "Pacey" Dennis Schmidt-Foß.
Ein weiterer Faktor war und ist die wunderbare Musikuntermalung - Williamson ergänzte seine Dialoge und die Optik stets mit dem bestmöglichen Popsong und setzte auch hier einen Trend. Bis heute sind viele Songs des Soundtracks für mich untrennbar mit Szenen der Serie verbunden.
Warum?
Manuel Weis: Erstaunlich ist auch, dass keinem der Schauspieler (vielleicht mit Ausnahme von Katie Holmes) eigentlich der richtig fette Durchbruch gelungen ist. Warum ist das so?
Darum!
Björn Sülter: Eine Problematik, die viele Serienschauspieler der Achtziger und Neunziger teilen, die aber nicht immer gleichermaßen erklärbar ist. In der Causa James van der Beek muss man sagen, dass dieser schlicht kein besonders wandelbarer Darsteller ist. Schon in «Dawson´s Creek» konnte man seine Mimik fast schon als betoniert bezeichnen. So blieb der große Durchbruch leider lange aus. Allerdings wurde es die letzten Jahre besser - in «Apartment 23» begeisterte er als selbstironische Ausgabe seiner selbst, in «CSI: Cyber» durfte er immerhin zwei Staffeln lang ermitteln und schlug sich gut.
Joshua Jackson hingegen ist ein wunderbarer Darsteller und durfte sein Talent seit Ende der Serie auch wiederholt zeigen. Zwar weniger in großen Kinoproduktionen, sondern eher in kleinen Perlen, aber zumindest auch nochmal im TV in fünf Jahren als Peter Bishop in «Fringe» - klasse!
Michelle Williams wurde seit Ende der Serie dreimal für den Oscar nominiert («Brokeback Mountain», «Blue Valentine», «My Week with Marylin»). Sie ergatterte zwar keine der Trophänen, erhielt für ihre Darstellung der Marylin Monroe aber immerhin einen verdienten Golden Globe. Somit denke ich, muss man ihr bisher durchaus eine starke Karriere attestieren.
Ich würde Katie Holmes gar noch hinter ihr einreihen, obwohl du sie explizit herausgehoben hattest. Allerdings hatte sie mit «Thank You for Smoking», «Die Kennedys» oder auch zuletzt in «Ray Donovan» durchaus ebenfalls gute Auftritte.
Ich finde, dass das eigentlich gar nicht mal schlecht aussieht für die vier aus Capeside.
Fazit: «Dawson´s Creek» ist eine der schönsten, intelligentesten, humor- und gefühlvollsten sowie mitreißendsten Familienserien der vergangenen Jahrzehnte. Ein Must-See für alle, die sich auf Stoffe dieser Art emotional einlassen können und wollen.