Ein ehemaliger BKA-Beamter begibt sich nach Marokko, um den Tod seiner Frau und seiner Tochter zu rächen. Ein starker, weil stoischer Heiner Lauterbach in einem etwas zu konventionellem Thriller.
Cast & Crew «Spuren der Rache»
- Regie: Nikolai Müllerschön
- Darsteller: Heiner Lauterbach, Maya Lauterbach, Uwe Preuss, Julia Thurnau, Michele Cuciuffo, Dar Salim, Blerim Destani, Uwe Bohm
- Drehbuch: Klaus Burck
- Kamera: Daniel Koppelkamm
- Schnitt: Yvonne Tetzlaff
- Szenenbild: Yvonne von Wallenberg
- Musik: Julius Kalmbacher, Cop Dickie
Rache ist in Thrillern und Actionfilmen schon seit jeher ein beliebter Antriebsmotor, um einen Plot in Fahrt zu bringen. So zynisch es auch klingen mag, aber schon viele fiktionale Ehefrauen und Kinder mussten bereits entführt werden oder ihr Leben lassen, um dem Helden ein Motiv zum Handeln zu geben. Dies kann sich gelegentlich ganz amüsant gestalten wie im ersten «Taken»-Film (zu deutsch «96 Hours») oder auch herzlich albern wie im Arnold Schwarzenegger-Vehikel «Collateral Damage». Aber es handelt sich auch um ein Motiv, das sich mittlerweile deutlich abgenutzt hat und besonders in deutschen Genre-Auswüchsen immer öfters wieder verwertet wird. Die Ermüdungserscheinungen sind überdeutlich. Das merkt man auch am vorliegenden Beispiel.
Ein Bombenanschlag mitten in Berlin - eine Sequenz, die trotz sichtlicher Mühen nicht unbedingt überzeugen kann - der gerade in den Ruhestand getretene BKA Verwaltungsbeamte Frank Hennigs (Heiner Lauterbach) verliert dabei seine Frau und seine Tochter. Der Drehbuchkonflikt verlangt, dass die Ermittlungen schon nach zwei Tagen wieder eingestellt werden, ohne Erfolg.
Das möchte der Beamte Hennings nicht auf sich sitzen lassen. Denn auch wenn das Attentat auf einen prominenten deutschen Politiker abzielte, nimmt Hennings das Ganze verständlicherweise ziemlich persönlich. Folglich begibt er sich auf seinem Rachefeldzug und einer Spur folgend nach Marokko. Dort vermutet er den Drahtzieher des Anschlags, nämlich den Geschäftsmann Sharif Nader (Michele Cuciuffo). Um in seine Nähe zu kommen, bewirbt sich Hennings als Privatlehrer für Naders Tochter Yasmin (Maya Lauterbach). Denn er plant selbst ein Attentat auf den mutmaßlichen Terroristen.
Trotz einiger Plot-Wendungen, ist es nicht schwer sich auszumalen, wo das Ganze letztendlich hinführt. Zwischen Hennings und Yasmin baut sich eine emotionale Beziehung auf. Sie wird Ersatztochter, er Ersatzvater. Seit der merkwürdigen Angewohnheit eines Til Schweigers, seine eigene Tochter in vielen seiner Filme unterzubringen, kann man natürlich auch den Auftritt von Heiner Lauterbachs Tochter entsprechend skeptisch gegenüber stehen. Das Ergebnis ist momentan weder besonders schlecht noch besonders großartig, was aber auch der Rolle geschuldet sein kann, die ihr zugeschrieben wird. Ob Talent vorhanden ist, muss und kann sich erst zukünftig herausstellen. Jedenfalls gibt sie sich sehr viel Mühe, um sich das kleine Herz aus der Seele zu spielen und es ist immer schwierig jugendliche Darsteller zu beurteilen.
Bis auf Julia Thurnau, die eine leicht zynische BKA-Ermittlerin und überzeugende tough lady gibt, sucht man interessante Figuren oder Charakterentwicklungen jedoch vergeblich. Im Grunde bleiben große Überraschungen aus. Zu sehr ist «Spuren der Rache» mit den typischen Versatzstücken eines solchen Thrillers beschäftigt. Spionage-Kram, der mit solider Spannung inszeniert ist. Aber - und das ist das Problem vieler deutscher Genre-Produktion - vieles vom Schauspiel bis zu den Dialogen wirkt wie die Kopie einer US-Produktion.
Auch wenn Kompetenz vorhanden ist, hat alles den Anschein des schon einmal Dagewesenen. Dazu muss man nicht einmal weit zu den Verschwörungsthrillern der 70er Jahre zurück gehen, sondern wird schon bei den Matt Damon - «Jason Bourne» - Filmen fündig. Darüber hinaus werden die typischen, ermüdenden Stereotypisierungen angeführt und selten Nuancen innerhalb des Gut-Böse-Schema geboten. Auch das moralische Dilemma, das sich bei Hennings auftut wird mit bekannter Simplizität und Unbedarftheit angegangen: Schließlich muss sich Hennings fragen, ob er nicht selbst mit seinen Racheauftrag den Kreislauf der Gewalt immer weiter zur Eskalation bringt. Ziehtochter Yasmin steht stets mit ihrer kindlichen Naivität zur Seite, um solche fragen zu beantworten.
Nun ist Heiner Lauterbach kein alternder Star à la Liam Neeson, der noch einmal seine Actionhandschuhe auspackt und es in amüsanter Hau drauf-Manier seinen schlimmsten Gegnern zeigen möchte. Dennoch ist seine zurückhaltende Performance eine der Stärken des Zweiteilers. Insbesondere in den stillen Szenen unmittelbar nach dem Tod seiner Familie, weiß er als trauender Witwer und Familienvater wortlos zu überzeugen. Auch die Rolle des starren Beamten, der zum ersten Mal wirklich Gewalt anwenden muss und von der Situation überfordert ist, kauft man ihm sofort ab. Dies ist auch der Schauspielführung des Regisseurs Nikolai Müllerschön zu verdanken, der solche starken Momenten nicht durch unnötige Dialoge zerreden lässt oder mit übertriebenen und melodramatischen Emotionen auflädt. Stoik kann gelegentlich viel machtvoller sein als Tränen, Geschrei und Gesichtsakrobatik, auch wenn der Zweiteiler sich nicht bis zum Schluss daran hält.
© ARD Degeto/Luis Koppelkamm
Frank Henning (Heiner Lauterbach) hat seine Familie bei einem Bombenanschlag verloren. In seinem Schmerz fokussiert der pensionierte Verwaltungsbeamte nur noch ein einziges Ziel: er will nach Marokko reisen und Vergeltung üben.
Die Inszenierung selbst hält sich mehr oder weniger strikt an die Grenzen des TV-Bildschirms. Gerade hier kann man sich gern etwas bei den amerikanischen Kollegen abschauen oder ein wenig Experimentierfreude beweisen. Vor allem wenn der Plot eher zur Nebensache wird, kann eine spektakulärere Inszenierung viel ausmachen. Wenn Regisseur Müllerschön in dieser Hinsicht allerdings sparsam bleibt, ist das durchaus ein Problem. Mit Verfolgungsjagden zu Fuß und Zweikämpfen beweist er nämlich ein weniger glückliches Händchen. Aber es ist auch ein extrem Deutsches Phänomen, dass kaum ein Regisseur vernünftige Kampfszenen choreografieren und filmen kann. Dennoch finden sich besonders in der zweiten Episode überzeugende Spannungsmomente, in denen der Schnitt dankbarerweise nicht schnell und überhastet daherkommt. Ansonsten passiert filmtechnisch nicht viel: Exotische Settings, eine recht behäbige Atmosphäre mit einem teilweise dröhnenden Soundtrack von Julius Kalmbacher und Cop Dickie, der gelegentlich an die Musik eines Johann Johansson in Denis Villeneuves «Sicario» erinnert.
Fazit: Ein stellenweise solider, wenn auch nicht überragender Rachethriller, der die bekannten Töne anschlägt und nie über die selbst gesetzten Genre-Grenzen hinauswächst. Das simple, moralische Dilemma wird etwas zu naiv ausdiskutiert. Heiner Lauterbach kann zwar als stoischer Rache- und Gerechtigkeitssuchender überzeugen, hat darüber hinaus allerdings nicht viel mehr zu tun.
«Spuren der Rache» ist am am 2. und 4. Januar 2017 jeweils um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.