Die glorreichen 6: Winterlich-wunderbare Filme von Schnee und Eis (Teil III)
Egal ob frostige Stimmung oder bezaubernd-zugeschneite Winterlandschaften: Die kalte Jahreszeit dient als Setting vieler denkwürdiger Filme. Nun stolpern wir durch «Fargo».
Die Handlung
Filmfacts «Fargo»
Regie, Drehbuch und Produktion: Joel & Ethan Coen
Darsteller: Frances McDormand, William H. Macy, Steve Buscemi, Harve Presnell, Peter Stormare
Musik: Carter Burwell
Kamera: Roger Deakins
Schnitt: "Roderick Jaynes"
Erscheinungsjahr: 1996
Laufzeit: 98 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
1987 im zugeschneiten, nördlichen Mittleren Westen der USA. Mitten im Winter. Der duckmäuserische Jerry Lundegaard (William H. Macy), seines Zeichens Verkaufsleiter im Autohaus seines Schwiegervaters Wade Gustafson (Harve Presnell), hat immense Finanzprobleme. Also gibt er seinen tief in seinem Inneren verborgenen, dubiosen Seiten nach und heuert zwei Kriminelle an – einen stoischen Schweigsamen (Peter Stormare) und einen nervösen Schwätzer (Steve Buscemi). Die sollen im Auftrag Jerrys seine Ehefrau Jean (Kristin Rudrüd) entführen, um von deren Vater ein saftiges Lösegeld zu erpressen.
Doch es geht schief, was nur schiefgehen kann: Obwohl Jerry den Auftrag gegeben hat, dass dieses Verbrechen ohne Brutalität abzulaufen hat, steuert sich das Gangster-Duo in eine Parade von Patzern. Ihr Impuls, mit Gewalt dagegen zu steuern, verschlimmert alles nur. Während Jerrys Schwiegervater große Töne spuckt, und das Lösegeld selber übergeben möchte, macht sich die hochschwangere Polizistin Marge Gunderson (Frances McDormand) auf, in dem Fall zu ermitteln …
Winter-Wunderland oder frostige Höllenlandschaft?
Wie es für die Coens typisch ist: Die Winterlandschaft in «Fargo» hat mehr als nur eine Funktion. Einerseits ist dicker Schnee für einen Film, der in Minnesota spielt, als Lokalkolorit unerlässlich. Insbesondere für die aus Minnesota stammenden, regieführenden Coen-Brüder, die einen Teil ihres Schaffens auch der heimlichen Aufgabe gewidmet haben, ihre Filme in vielen verschiedenen US-Staaten spielen zu lassen und dabei Eigenheiten dieser jeweiligen Landstriche in das Feeling der Produktionen durchsickern zu lassen.
Dank Kameralegende Roger Deakins («No Country For Old Men», «Sicario») ist die Winterlandschaft in «Fargo» eine sehr ästhetische, verträumte, die in einer überraschenden Bandbreite an Weißschattierungen erstrahlt und einen pittoresken Charme hat – ein Gegengewicht zum eingangs sehr cartoonig-albernen Treiben der verplanten Figuren. Wenn dann die Coens schlagartig die Gangart des Films ändern und es sehr gewalttätig zugeht, dient der Schnee letztlich als blanke Leinwand für literweise rotes Blut, das vergossen wird …
Die glorreichen 6 Aspekte von «Fargo»
Passend dazu, dass die, wenngleich die Protagonisten wiederholt ausbremsenden, Schneemassen zunächst einladend-malerisch eingefangen werden, um letztlich nur als effektiver Hintergrund für eskalierende Gewaltnachwirkungen zu dienen, ist «Fargo» eine tonale Wundertüte: Die Coen-Brüder sind Meister der schwer zuzuordnenden Stimmung, und neben «A Serious Man» und «No Country for Old Men» ist «Fargo» das Paradebeispiel dafür:
Ist «Fargo» eine durch die übertriebene Freundlichkeit der Einwohner Minnesotas, die sehr schlichte Sprache der Figuren und die pointiert eingefangenen, skurrilen Eigenheiten dieses Bundesstaats dezent amüsante, trotzdem fesselnde Krimigeschichte? Quasi ein Schmunzellokalkrimi auf gehobenem Qualitätsiveau? Ist es eine von Running Gags und bestechenden Details getragene, saukomische, wenngleich makabre Komödie? Ist es eine zynische, niederschmetternde Geschichte über eine engagierte Polizistin, die alleine einem großen Verbrechen hinterherrennt? Wie es bei den besten Coen-Filmen der Fall ist: Die Tagesform bei der Betrachtung des Films mit seinen denkwürdigen Singsang sprechenden Figuren hat erstaunlich große Auswirkung darauf, welche Nuancen sich stärker entfalten.
Gestützt wird diese diffizile Leistung nicht nur von der filigranen Inszenierung, sondern insbesondere durch Frances McDormand in der Hauptrolle. Die zurecht mit dem Academy Award ausgezeichnete Aktrice gibt eine akzentuierte, auf dezent ulkige Weise grundehrliche und geradlinige Darbietung ab, die dieses intendierte Tonfallchaos zusammenhält.
«Fargo» ist auf DVD und Blu-ray erschienen und kann via Amazon und iTunes als VoD geordert werden.