Popcorn und Rollenwechsel: Absurd, spezifisch, gut.
Es gibt Filmgattungen, von denen kaum jemand weiß, dass es sie gibt: Überaus konkrete Zusammenstellungen von Filmen, die sich auf absurde Weise als kohärente Gruppe definieren. Und die laut unserem Filmkolumnisten richtig gut sind.
Blutige Musicals mit Meat Loaf
- «Rocky Horror Picture Show»
Rockstar Meat Loaf düst auf einem Motorrad durch ein zum irrsinnigen Kult gewordenes Musical, in dem das Anderssein gefeiert wird – bis er, naja, nicht mehr fährt. Oder singt. Oder sonstwas.
- «Tenacious D: Kings of Rock»
Meat Loaf ist der strenggläubige Vater eines pummeligen, rockvernarrten Bengels, der nach Hollywood aufbricht, um dort seine Erfüllung als Rockstar zu finden – und davon zu träumen, mit seiner mächtigen Stimme Köpfe zum Explodieren zu bringen.
- «Stage Fright»
Meat Loaf ist der Vater zweier Halbwaisen, die in einem Musicalcamp arbeiten, wo ein berüchtigtes Musical wiederaufgeführt wird – und ein brutaler, Musicals hassender Killer mit Schwäche für Metal eine tödliche Schneise hinterlässt.
Kostspielige Disney-Misserfolge, die sich zu unantastbaren Klassikern entwickelt haben
- «Pinocchio»
Die Geschichte einer Marionette, die dank eines enormen Produktionsaufwands das Laufen lernte, dringend hohe Einnahmen in Europa gebraucht hätte, um mit ihrem Vorgängerfilm mitzuhalten, jedoch aufgrund des Dritten Reiches zunächst ihr Publikum nicht finden konnte und letztlich nach allerlei Schrecken und Wirrungen ein richtiger Disney-Klassiker wurde.
- «Fantasia»
Ein filmisches, höchst kreatives Konzert, bestehend aus diversen Meilensteinen klassischer Musik, die in verschiedensten Zeichenstilen und mit variierender narrativer Konkretheit zum Leben erweckt werden. Doch erst die 70er-Counter-Culture lernte, dies zu schätzen.
- «Alice im Wunderland»
Die junge Alice stürzt in ein Reich des intellektuellen und schrägen, surrealen Witzes, wo das übliche Disney-Herz schwer zu finden ist. Und erst die 70er-Counter-Culture lernte, dies zu schätzen.
- «Dornröschen»
Ein adliges Neugeborenes wird dazu verflucht, in einem atemberaubend gezeichneten, prachtvoll gestalteten Märchenreich nach dem Stich einer Spinnadel in einen tiefen Schlummer zu fallen, so dass es nicht mitbekommt, dass sein vom Publikum durchaus warm aufgenommener Film aufgrund immenser Produktionskosten erst nach vielen, vielen Jahren als finanzieller Erfolg aufgefasst werden kann.
- «Tron»
Jeff Bridges wird in einen Computer transferiert, bekommt ungeheuerlich stylische Designs und saucoole, eiskalte Musik um die Ohren geknallt und Jahrzehnte später erkennen die Leute endlich, wie toll das damals alles aussah.
- «Rocketeer»
Ein Stuntpilot wird während des Zweiten Weltkriegs dank eines Jetpacks zum Superhelden, bekämpft die Nazis, gelangt einige Zeit vor dem Superheldenfilmboom ins Kino und geht böse unter, wird aber von Jahr zu Jahr lauter von Leuten gefeiert, die erkennen, wie vergnüglich seine Story ist.
- «Ein Königreich für ein Lama»
In den letzten Zügen der Disney-Zeichentrickära macht sich ein arroganter, egozentrischer, vergnügungssüchtiger König auf, in der Gestalt eines Lamas das Vermächtnis seines Heimatstudios durch wilden, schrillen Humor und eine gigantische Dosis Selbstironie aufzumischen.
Rachel McAdams und die Zeitreisen
- «Die Frau des Zeitreisenden»
Rachel McAdams ist die Frau des Zeitreisenden.
- «Midnight in Paris»
Rachel McAdams ist die Verlobte des Zeitreisenden.
- «Alles eine Frage der Zeit»
Rachel McAdams ist die Frau des Zeitreisenden.
- «Doctor Strange»
Rachel McAdams ist die weiterhin mit ihm befreundete Ex-Lebensgefährtin des die Zeit manipulierenden Superhelden.
Kostspielige Disney-Misserfolge, die sich zu unantastbaren Klassikern entwickeln werden – und dann bin ich es, der zuletzt lacht, denn ich mochte sie von Anfang an!
- «Atlantis – Das Geheimnis der verlorenen Stadt»
Ein Kartograf und Linguist begibt sich auf eine in atemberaubenden, extrabreiten Bildern festgehaltene, mystisch-abenteuerliche Expedition zur versunkenen Stadt Atlantis und fällt auf die Nase, weil die Zuschauer von Disney Songs statt Explosionen verlangen.
- «Der Schatzplanet»
Ein rebellischer Jugendlicher gelangt an eine Schatzkarte, die ihn dazu bringt, auf einem Segelschiff quer durchs Universum zu reisen. Währenddessen hat er mit Piraten, einem Spinnenmonster und der Ignoranz des Publikums zu kämpfen.
- «Tron: Legacy»
Ein rebellischer, junger Erwachsener wird in einen Computer transferiert, wo er von fetziger Daft-Punk-Musik begleitet nach Jeff Bridges Ausschau hält, um gemeinsam mit ihm und einer naiven, doch kämpferischen Olivia Wilde gegen einen tyrannischen, jungen Jeff Bridges anzutreten. Das Publikum erkennt prompt, wie stylisch das alles ist, braucht aber Jahre, um die verborgene Brillanz zu erkennen – und noch immer sind einige sehr laut am zweifeln.
- «John Carter»
Ein rebellischer, traumatisierter Kriegsveteran wird auf den Mars transportiert, wo er sich in eine leicht bekleidete, kampfesfähige, aber diplomatisch agierende Prinzessin verliebt und in den Zwist dreier verschiedener Clans verstrickt wird. Sowie in den galligen Clash zwischen Disneys Marketingabteilung, einem sich beweisen wollenden, talentierten Regisseur und einem Kinopublikum, das sich von Beginn an gegenüber diesem Big-Budget-Sci-Fi-Abenteuerfilm aus dem Hause Disney verschworen hat.
- «Lone Ranger»
Auf einem Rummel wird einem romantisierte Nacherzählungen des Wilden Westens abfeiernden, kleinen Jungen vom sich der Demenz nähernden, einzigen Überlebenden eines Völkermords die Geschichte nacherzählt, wie ein naiver und tollpatschiger, doch rechtschaffener Anwalt aus der Stadt in den Westen zog, einen ausgestoßenen, Rache suchenden Ureinwohner kennenlernte und mit ihm versuchte, die schändlichen Nebenwirkungen des kapitalistischen und technologischen Fortschritts einzudämmen. Weite Teile des Kritikerpublikums und der normalen Kinogänger haben offenbar während des Prologs ihren Kopf in den Wolken gehabt und heulen trotz gerissener Erklärung rum, wie es kommen kann, dass ein hartes, kerniges, teures und verrücktes Disney-Westernspektakel eines exzentrischen, aneckenden Blockbuster-Regisseurs über einen kleinen Jungen, der romantisierte Nacherzählungen des Wilden Westens abfeiert, dann aber auf einem Jahrmarkt die Lebensgeschichte eines irren Völkermordüberlebenden nacherzählt bekommt, tonal vollkommen eklektisch ausfällt.
- «A World Beyond»
George Clooney und Britt Robertson tummeln sich in einem nostalgischen, familienfreundlichen, jedoch einige nette Spitzen umfassenden Sci-Fi-Jugendabenteuer – das in einer Ära startet, in der genau solche stilistischen Rückstürze gefeiert werden. Nur das hier, nee, das hätte gefälligst voll «Lost»-mäßig mysteriös werden müssen, mit «Mission: Impossible – Phantom Protokoll»-artigen Actionszenen. Außerdem ist es dreist, wenn in einem Film, der altmodische Sci-Fi-Stile feiert, nicht nur auf «Planet der Affen» angespielt wird, sondern auch auf «Star Wars», weil, das ist ja Disney-Crosspromo, jawohl ja!