Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat kein erstklassiges Turnier gespielt. Die Niederlage gegen Katar kam im Stream auf ein Achtel der Zuschauerzahl, die bei der EM 2016 gemessen wurde. Und dennoch: Die DKB-Übertragungen werden in ein paar Jahren vielleicht Wegbereiter für einen neuen Trend gewesen sein.
Die Handball-Weltmeisterschaft in Frankreich, die seit gut zwei Wochen läuft, hatte so einige Überraschungen dabei: Aus sportlicher und deutscher Sicht sicherlich das Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft, die einige Verletzungssorgen hatte und nicht zuletzt aufgrund unnötiger Fehler (zu früh) gegen Katar im Achtelfinale ausschied. Aus allgemeinerer Sichtweise aber sicherlich auch die Akzeptanz des DKB-YouTube-Streams während der Spiele. Wie ausführlich zerpflückt wurde, konnte sich der Rechteinhaber BeIn, der die weltweiten WM-Rechte hauptsächlich für seine Pay-TV-Kanäle in Frankreich erwarb, nicht mit ARD oder ZDF einigen – und auch andere Interessenten wie Sky, Eurosport, DAZN oder Sportdeutschland.TV kamen nicht zum Zuge. Stattdessen sprang die DKB, eine Kreditbank, ein und zeigt die Streams nun mit Hilfe von YouTube auf ihrer Webseite.
Und der damit generierte Traffic ist eine Hausnummer – und sicher höher ausgefallen als erwartet. Beim Auftaktspiel vor zwei Wochen waren schon um die 600.000 Haushalte dabei, die weiteren Vorrundenspiele generierten meist zwischen 350.000 und 500.000 Haushalte. Die störten sich offenbar auch nicht daran, dass es bei einer ziemlich abgespeckten Übertragung blieb. Um nicht Rundfunk-ähnlich zu wirken, setzte das Programm mit dem Einlauf der Mannschaft ein und endete kurz nach Abpfiff. Auf Interviews und tiefgehende Analysen von Experten wurde verzichtet, einzig der Kommentator (bei deutschen Spielen der langjährige Handball-Begleiter Markus Götz) war für Einordnungen zuständig.
Am Anfang war das Wort der Skepsis
Ja, es hatte sie gegeben. Die Leute, die einen Internet-Stream für eine Weltmeisterschaft einer Sportart, die das Potential hat, mit Finalspielen 13 oder 16 Millionen Menschen vor die Geräte zu holen, für nicht nur unangemessen hielten, sondern diesen sogar als „Total-Katastrophe“ bezeichneten. Diese können sich nun bestätigt fühlen, denn auf solche Ergebnisse kamen Sponsor DKB und YouTube freilich nicht. Einen Erkenntnisgewinn positiver Natur kann man aber dennoch ziehen. An die eine Million Zuschauer bei den entscheidenden Spielen ist eine ziemliche Hausnummer, ist es doch für den Durchschnittsdeutschen noch keine übliche Variante, ein Livesport-Event via Streaming-Plattform anwählen und irgendwie auf den (Fernseh)-Bildschirm bekommen zu müssen. „Wer wirklich Interesse an den Spielen hat, wird sie auch sehen – egal ob im TV oder Stream", sagte kürzlich etwa Kommentator Uwe Semrau und spekulierte, dass im Turnierverlaufe die Zuschauerzahl bei YouTube auf über eine Million steigen werde.
In dieser Hinsicht lassen sich selbst die ermittelten rund 500.000 Haushalte der Vorrunden-Spiele schon wirklich sehen. Sport1 holt im linearen TV nur mit absoluten Spitzenpartien der Handball-Bundesliga vergleichbare Werte – zumal beim YouTube-Stream die tatsächliche Zahl der Seher nicht so klar ist. Angezeigt werden schließlich die Abrufe. Keiner weiß, ob ein Abruf gerade von einem Menschen oder einer ganzen Horde Handball-Verrückter geschaut wird. Selbst wenn man aber mal die Zahl 500.000 als Vergleichswert nimmt, so liegt man damit auf dem Niveau, das Sky im Januar 2015 mit den deutschen Spielen bei der WM in Katar im Pay-TV generierte. Das Ausscheiden des DHB-Teams vergangenen Sonntag nun sahen am Ende sogar 1,03 Millionen Zuschauer, glaubt man den offiziellen Angaben bei YouTube.
YouTube bewies dabei eindrucksvoll, dass die Google-Server selbst diesem Ansturm stand hielten. Bis auf einen Komplett-Ausfall in der ersten Halbzeit des Eröffnungsspiels, der natürlich negative Schlagzeilen mit sich brachte, nach Auskunft des deutschen Handball-Verbands aber einem Fehler beim Rechtegeber geschuldet war, liefen die Streams technisch perfekt. You Tube gibt den Zuschauern derzeit also ein Bild davon, wie die Sportübertragung in den nächsten fünf bis zehn Jahren aussehen könnte. Oder anders gesagt: Man schafft das, von dem Anbieter DAZN zwar träumt, aber bei einigen Nutzern noch auf technischer Ebene scheitert. Bei DAZN kommt es nachwievor stark darauf an, über welche Geräte und mit welcher Internet-Leistung man die angebotenen Sport-Streams schauen möchte: So ist ein ruckelndes oder verwaschenes Bild bei DAZN oft ein Ärgernis.
Somit dürften sich auch die Player im Sportmarkt bestätigt sehen, die schon seit Jahren auf die stetig wachsende Bedeutung von Sportübertragungen auf mobilen Geräten hinweisen. Sky hatte sich im zurückliegenden Jahr explizit dafür entschieden, sich die Bundesligarechte über alle Verbreitungswege zu sichern – und dafür lieber auf 40 Spiele pro Saison verzichtet. Die Alternative wäre gewesen, dass ein anderer Anbieter rund 100 Spiele pro Saison hätte streamen dürfen. Nicht zuletzt der Überraschungs-Erfolg der Handballer im Web unterstreicht das Potential von Sportstreams mit denen etablierte Anbieter umzugehen haben.
Klar ist: Der Sportrechtemarkt, der 2016 so stark in Bewegung war wie lange nicht mehr, wird durch diese Entwicklung nicht gerade beruhigt. Im Ausland etwa haben sich sogar Unternehmen wie Twitter inzwischen eingeschaltet und wollen an großen Sportevents partizipieren. Hierzulande wird Amazon ein nicht geringes Interesse an Fußball nachgesagt: Ab Sommer 2017 macht der Internetriese schon mal die Bundesliga-Konferenz im Webradio – und wird sich sicherlich nicht lumpen lassen, dieses Projekt auch in einer anständigen Qualität auf die Beine zu bekommen.
Daraus lässt sich ableiten: Zwar wird von offiziellen Stellen aktuell wieder und wieder betont, dass die DKB-Übertragungen 2017 eine Ausnahme und der Not geschuldet waren. Die Kreditbank erklärte gar, an den Rechten für 2019 kein Interesse zu haben. Aber: Der Erfolg und natürlich auch die in den kommenden Jahren fortschreitende technische Entwicklung dürfte andere Player wachgerüttelt haben. Die Handball-WM hat gezeigt, dass schon jetzt eine nicht unerhebliche Menge an Menschen in die Streams klickt, wenn dieser Prozess einfach möglich ist und zudem saubere Qualität bietet. „Ich glaube, im Kosmos der Sportrechte ist eine neue Zeit angebrochen“, erklärte etwa Sportreporter Uwe Semrau gegenüber
Meedia. Semrau begleitete für die DKB vereinzelte Spiele der Handball-WM ohne deutsche Beteiligung. „Ich glaube, dass solche Entscheidungen, wie wir sie jetzt erlebt haben, in Zukunft gang und gäbe sein werden. Aus dem einfachen Grund, weil es mittlerweile viele verschieden Plattformen gibt, auf denen man so ein Produkt vertreiben kann. Damit sind Sportübertragungen wesentlich facettenreicher, aber auch unübersichtlicher geworden,“ mutmaßte er. Von daher würde es wundern, wenn nicht bald jemand versuchen würde mit einem solchen Modell auch wirklich Geld zu verdienen – neue Anbieter wie auch bestehende Sender inkludiert.