Heute Abend zeigt RTL II die Auftaktfolge von «Achtung, die Dietrichs kommen!». Dabei hat der Sender aus einer spannenden Idee nur wenig gemacht…
Die „da oben“ gegen die „da unten“. Auf der einen Seite die Eliten, deren vorrangiges Ziel es ist, sich selbst zu bereichern. Auf der anderen Seite die breite Masse, die sich bevormunden und ausbeuten lässt. Dieses Bild zeichnen Populisten bei AfD und Pegida nur allzu gern. Aber auch ganz objektiv gesehen, abseits abenteuerlich-populistischer Anschauungen, kann eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft in einigen Hinsichten nicht von der Hand gewiesen werden. Beispielsweise, wenn man von sozialer Gerechtigkeit spricht.
So fällt vor allem die Verteilung der Vermögen in der Bundesrepublik höchst ungleich aus. Während die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung einen großen Teil des gesamten Vermögens kontrollieren, sind die ärmsten zehn Prozent sogar verschuldet. Keine Frage: Armut und Reichtum bzw. soziale Gerechtigkeit bleiben brisante Themen. Karl Marx hin oder her - so ganz tot scheint er nicht zu sein, der Klassenbegriff.
Die neue RTL II-Sendung
«Achtung, die Dietrichs kommen! – Das Leben der etwas anderen Millionärsfamilie» knüpft exakt an dieser Stelle an. Genau genommen handelt das Format von einer vierköpfigen Familie, die nach einem unverhofften Erbe von 13 Millionen Euro zu den oberen 10.000 gehört und es so richtig krachen lässt. Nur: Ahnung vom Leben in der High Society hat die Familie nicht. Ob auf der Luxusyacht oder im Nobelrestaurant: Wo die Dietrichs auftauchen, benehmen sie sich daneben und verbreiten Chaos. Erst später stellt sich heraus, dass es sich bei den Dietrichs nicht um die angenommenen Chaoten, sondern um die vier Comedians Markus Krebs, Christiane Olivier, JayJay Jackpot und Tobias von Freyend handelt, die ihr Umfeld gehörig auf den Arm genommen haben.
Mit anderen Worten: «Die Dietrichs» sind die „da unten“, die im Milieu der Superreichen („da oben“) ein bisschen Unfrieden stiften dürfen. Allein schon dieser Gedanke dürfte so manchem ein schadenfrohes Grinsen aufs Gesicht treiben.
Nur hat RTL II aus der netten Formats-Idee leider viel zu wenig herausgeholt. Was sich auf den ersten Blick ein wenig nach einem sozialkritischen «Verstehen Sie Spaß?» anhören mag, hat mit selbigem herzlich wenig zu tun. Sozialkritisch ist die Sendung in kaum einer Weise. Stattdessen setzt sie vor allem auf eines: Klischees und Krawall. Damit erinnert sie mehr an «Berlin: Tag & Nacht» und Co als an vieles andere, das man bei der bloßen Sendungsbeschreibung hätte erwarten können.
Das Hauptproblem des Formats ist dabei, dass die vier Hauptcharaktere viel zu überzeichnet daherkommen. Das wirkt sehr übers Ziel hinausgeschossen. Hinzukommt, dass die Mittel, mit denen die Dietrichs provozieren, häufig ziemlich primitiv sind. Dass Vater Jürgen vor den Augen eines der "Opfer" in der Sendung vermeintlich öffentlich uriniert, hat mit gutem Geschmack nicht viel zu tun. An ein klassisches Comedy-Format erinnern «Die Dietrichs» tatsächlich kaum, für echte Lacher sorgt die 45-minütige Auftaktfolge nur selten. Ein bisschen weniger Krawall, ein bisschen mehr Comedy: Das hätte der Sendung gewiss gut getan.
Denn an lautstarken Auseinandersetzungen mangelt es in der Auftaktfolge nicht. Es braucht nur etwas mehr als 120 Sekunden, bis sich die Dietrichs bei der vermeintlichen Besichtigung einer Luxus-Immobilie erstmals gegenseitig anzicken. Man könnte fast meinen, die Sendung wolle so schnell wie womöglich den Eindruck erwecken, ordentlich auf Krawall zu setzen, um so den einen oder anderen Zuschauer bei der Stange zu halten.
Der Einzige, der in der Auftaktfolge wirklich zu unterhalten weiß, ist ein Autoverkäufer von Luxus-Wagen, der ebenfalls Opfer der Dietrichs wird. Obwohl auch er mit äußerst plumpen Aussagen zur Weißglut getrieben werden soll (Dietrichs: „Ist das ein Grill?“ – Verkäufer: „Nein, das ist der Motor!“) erträgt er die Provokationen der Dietrichs über einen erstaunlich langen Zeitraum mit großer Gefasstheit. Damit ist er das heimliche und womöglich unfreiwillige Highlight der ersten Folge.
Dass die von Endemol Shine Germany produzierte Sendung nicht so gut wie erwartet geworden ist, hat womöglich auch RTL II erkannt. Ursprünglich war die Ausstrahlung schon für Oktober 2016 am Montagabend um 22.15 Uhr geplant gewesen. Dann entschied man sich dazu, die Sendung zu verschieben - und wird sie nun erst auf dem späten Sendeplatz um 23.20 Uhr zeigen. Von allzu großem Vertrauen zeugt diese Terminierung in jedem Falle nicht.
Acht Folgen von «Achtung, die Dietrichs kommen! – Das Leben der etwas anderen Millionärsfamilie» gibt es ab heute Abend, 23.20 Uhr, immer montagabends bei RTL II zu sehen.