PR-Managerin Agatha Raisin möchte eigentlich in einem verträumten, englischen Dorf zur Ruhe kommen. Dabei steht sie sich allerdings vor allem selbst im Wege. Und ein Mord, der die vermeintliche Idylle durcheinander wirbelt, ist auch nicht gerade hilfreich.
Cast & Crew «Agatha Raisin»
- Regisseur: Matthew Murray
- Drehbuchautor: M.C. Beaton
- Produktion: Mammoth Screen, Free@Last T
- Redakteure: Isabell Gerhardt-Suffner, Annette Reise
- Cast: Ashley Jensen, Jamie Glover, Katy Wix, Matthew Home, Matt McCooey, Jason Barnett, Lucy Liemann
Jessica Fletcher, bekannt aus «Mord ist ihr Hobby» und «Miss Marple», war zwar immer von Mordtaten umgeben, allerdings ist wahrscheinlich noch niemand auf die Idee gekommen, eine von den Beiden des Mordes anzuklagen. Auf dieses Problem stößt jedoch die Heldin, Hobby-Detektivin und Titelfigur des neuen, britischen Serienexportes «Agatha Raisin». Aber mehr dazu später, denn ansonsten steht die Detektivinnen-Serie bis auf ein paar kleine Abweichungen voll und ganz in der Tradition dieser klassischen, mörderischen Abendunterhaltung, was ihr auch gelegentlich zum Nachteil gereicht.
Agatha (Ashley Jensen) ist erfolgreich, reich, wird respektiert und ist sehr gut in ihrem Beruf. Als PR-Managerin gibt es kaum eine Bessere, um einen jungen Popstar vor großen Image-Schäden zu bewahren, wenn dieser außerhalb des ehelichen Gelöbnis sein Vergnügen sucht. Dennoch ist sie unzufrieden mit ihrem Leben, wie die Therapiesitzungen, die sie über iPad abhält, andeuten. Ihr Traum von einem schönen Leben sieht nämlich anders aus: Agatha möchte der täglichen PR-Tretmühle entkommen und sich ein kleines Häuschen in dem Nest Carsley kaufen. Dort will sie ihren Lebensabend verbringen, zumindest glaubt sie, dass sie das will. Dort verbrachte sie nämlich schon als Kind traumhafte Urlaube. Der Kulturclash ist jedoch vorprogrammiert.
Es immer schockierend, wenn Erwachsene zu Orten zurückkommen, die sie als Kind geliebt haben. Ein Aspekt, der zumindest in der ersten Episode geringfügig untersucht wird. Dafür werden Differenzen zwischen Großstadt und Dorfbewohner verhandelt. Agatha steht sich bei der Anpassung ans Dorfleben vor allem selbst im Wege. Mit einer Mischung aus großstädtischer Arroganz, Unbeholfenheit und Spinatquiche möchte sie sich einen Weg in die Herzen der Dorfbewohner bahnen. Anfangs jedoch ohne Erfolg: Von den hochangesehenen Frauen in der Dorfgesellschaft wird Agatha bestenfalls mit Misstrauen beobachtet. In ihrem neuen und perfekten kleinen Haus wird eingebrochen und die teure Katalogeinrichtung gestohlen.
Doch nicht nur das, die bei einem Dorffest bzw. Wettbewerb eingereichte und schon eben erwähnte Spinatquiche fordert unerwartete und vermeintlich tragische Konsequenzen. Der örtliche Schwerenöter ist nämlich einer der Jury-Mitglieder, die das leckere Gebäck bewerten sollen. Leider muss er kurz darauf sein Leben lassen. Die Diagnose: Die Quiche wurde vergiftet und der Neuankömmling Agatha gerät als erste unter Hauptverdacht. Natürlich lässt sie das nicht einfach auf sich sitzen, denn wenn sie schon nicht die Herzen ihrer Mitmenschen mit Quiche erobern kann, will sie es zumindest mit der Aufklärung eines Mordfalles versuchen. Dabei schafft sie sich jedoch fast noch mehr Feinde. Prompt zieht sie ein befreundetes homosexuelles Pärchen aus London und ihre Haushälterin als Unterstützung heran, um sich auf die Suche nach dem echten Mörder zu machen. Oder ist es vielleicht doch eine Mörderin?
Mittelpunkt und ganz klar Star der Serie ist Ashley Jensen, die schon in der Serie «Extras» einen großartig-ahnungslosen Gegenpart zu Ricky Gervais darstellte. Ihre Agatha Raisin ist gleichzeitig die komplexeste Figur der gesamten Serie. Sie ist insbesondere von einem überwältigenden Geltungsbedürfnis geprägt, welches sie immer wieder in die ein oder andere Bredouille befördert. Gleichzeitig sucht sie Harmonie und Ruhe, aber kann wiederum auch hierbei nicht wirklich abschalten und das Großstadtleben doch nicht hinter sich lassen.
Immer wieder ergeben sich aus dieser Charakterisierung und ihrer Attitüde neue amüsante Situationen, denen Agatha sowohl mit Schlagfertigkeit als auch mit Unsicherheit entgegentritt. Es macht Sinn, dass sich dieser Workaholic auch bei einem ruhigen Landleben obsessiv auf die nächste Aufgabe stürzt. Ob es jedoch logisch und vernünftig ist, dass eine Hobby-Detektivin in einem Mordfall ermittelt, während die Polizei sie einfach gewähren lässt, sollte am besten niemand hinterfragen.
Hier kommen wir auch schon zum Schwachpunkt der Krimireihe: Die Nebenfiguren sind mit zu breiten Pinselstrichen gezeichnet. Da wäre zum einem die etwas vertrottelte Polizei zu nennen, die sich nichts sehnlicher wünscht, als auch einmal einen Mordfall aufzuklären, weil sie das nach eigener Einschätzung ziemlich gut machen würden. Das stimmt natürlich wiederum nicht, wie der vorliegende Mordfall beweist, bei dem die Herren Polizisten nur falsche Schlüsse ziehen. Nebenher gibt es noch schrullige und wirsche alte Leute und eine intrigante Frauengemeinschaft, die Agatha unter anderem das Leben schwer machen. Gut ausgearbeitete Nebencharaktere werden hier leider auf dem Altar simpler Skurrilitäten geopfert. Das reicht vielleicht für den einen oder anderen kurzfristigen Lacher, darüber hinaus sollte die Krimikomödie hoffentlich noch in Zukunft mehr zu bieten haben. Die etwas holprige deutsche Synchronisation, die immer gegen das typisch-britische, komödiantische Timing verlieren wird, hilft dabei wenig.
«Agatha Raisin» bietet einerseits simple, aber dennoch effektive Komödien- und Krimiunterhaltung. Andererseits fehlt es an satirischer Schärfe, um auch einmal die eigenen traditionellen Genrekonventionen zu unterwandern. Muss das sein? Nicht notwendigerweise. Dennoch hätte ihr etwas mehr Pepp und Originalität gut getan. Aus filmtechnischer Sicht wagt die Serie leider nicht viel und kommt nur wenig fantasievoll daher. Gerade das Komödien-Genre kann mit einer entsprechend handwerklich begabten Hand und richtig angesetzten, getimten Schnitt über sich selbst hinauswachsen. Leider bleibt Regisseur Matthew Murray bei generischen Stilmitteln, deren Belanglosigkeit noch durch die auf zwanghaft albern gebürstete Musik unterstützt wird.
Fazit: «Agatha Raisin» ist vor allem wegen ihrer talentierten Hauptdarstellerin sehenswert. Nebencharaktere und Plot sorgen zwar für die ein oder andere amüsante Situation, verharren in ihrer Summe allerdings im Altbekannten. Fans von verträumten, englischen Cottages und dörflicher Gemütlichkeit können sich dennoch einen gemütlichen Krimiabend machen.
ZDFneo zeigt die ersten beiden Episoden von «Agatha Raisin» ab dem 10. Februar immer Freitags um 21.45 Uhr.