Die Kino-Kritiker: «T2: Trainspotting»

Nach zwanzig Jahren versammeln sich Mark, Spud, Sick Boy und Begbie erneut auf der Leinwand und feiern mit «T2: Trainspotting» ein solides Comeback, das sich dem gesetzteren Alter der Hauptfiguren, aber auch des Publikums, anpasst.

Filmfacts: «T2: Trainspotting»

  • Kinostart: 16. Februar 2017
  • Genre: Drama
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 117 Min.
  • Kamera: Anthony Dod Mantle
  • Buch: John Hodge
  • Regie: Danny Boyle
  • Darsteller: Ewan McGregor, Ewen Bremner, Jonny Lee Miller, Robert Carlyle, Steven Robertson, Shirley Henderson, John Kazek
  • OT: T2: Trainspotting (USA/UK 2017)
1996 verfilmte Regie-Tausendsassa Danny Boyle («Steve Jobs») den Roman «Trainspotting» von Irvine Welsh. Das mitunter äußerst schwarzhumorige Drama um eine Gruppe von vier Heroinabhängigen aus Edinburgh avancierte schnell zum Kult. Doch wie gut der sogar für einen Oscar nominierte Film (1997 für das beste Drehbuch) in den letzten zwanzig Jahren gealtert ist, liegt vermutlich am ehesten im Auge der Betrachter, für die «Trainspotting» damals zur Jugend oder zum jungen Erwachsensein gehörte. Vor allem mit den Figuren musste man warm werden. Ohne diese Grundlage ist Boyles erst zweite Kino-Regiearbeit nämlich „nur“ ein solider Drogenfilm – immerhin aber auch einer der besonders rauschhaften Sorte. Ein wenig sollte sich genau dieser Umstand dann aber auch zum Problem für die jetzt, zwanzig Jahre nach Teil eins erscheinende Fortsetzung erweisen. Genau zwei Jahrzehnte hatten Mark, Spud, Simon und Begbie nun nämlich Zeit, erwachsen zu werden und endlich ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Ersteres ist der Viererclique tatsächlich gelungen, Letzteres nicht so ganz. Und so fehlt es «T2: Trainspotting» tatsächlich an ebenjener Rauschhaftigkeit des Vorgängers, was im Hinblick auf die Handlung zwar nur konsequent ist, aber auch dazu beiträgt, dass die DNA des ersten Films nur noch vereinzelt durchscheint.

Sie sind zurück!


Zuerst war da eine Gelegenheit… dann passierte ein Verrat. 20 Jahre sind inzwischen vergangen. Vieles hat sich geändert, vieles ist auch völlig gleich geblieben. Mark Renton (Ewan McGregor) kehrt zurück an den einzigen Ort, den er jemals sein Zuhause nennen konnte. Und sie warten auf ihn: Spud (Ewen Bremmer), Sick Boy (Jonny Lee Miller), und Begbie (Robert Carlyle). Aber auch andere gute, alte Freunde warten bereits: Leid, Verlust, Freude, Rache, Hass, Freundschaft, Liebe, Sehnsucht, Angst, Reue, Diamorphin, Selbstzerstörung und Lebensgefahr, alle stehen Schlange, um ihn zu begrüßen, bereit zum Tanz.

Die gute Nachricht richtet sich direkt an alle Fans: Der Cast aus «Trainspotting» ist in «T2» nicht einfach bloß „wieder mit an Bord“, sondern schafft es perfekt, die seelische Reifung (oder eben die fehlende seelische Reifung) über die letzten zwanzig Jahre an den Zuschauer heranzutragen. Ganz so, als wäre man nie wirklich weg gewesen, knüpft das Sequel ordentlich an die bereits bekannte Atmosphäre an; mit einem Unterschied. Stand im ersten Teil noch die von Höhen und Tiefen geprägte Drogenthematik im Mittelpunkt, werden illegale Rauschmittel hier zwar ebenso selbstverständlich konsumiert wie damals (vor allem der Verbrauch von Kokain ist in «T2: Trainspotting» hoch), doch fokussiert wird dieser wichtige Teil der Reihe nicht mehr. Stattdessen geht es um die zwischenmenschlichen Belange der Protagonisten und – ganz wichtig – um späte Vergeltung, genauso wie um Versöhnung. Immerhin hat Mark vor zwanzig Jahren all seine Freunde bei einem Coup verraten und das Geld alleine mitgehen lassen.



Das Drehbuch von John Hodge, der auch schon das Skript zum ersten Teil verfasste und sich für «T2» sehr lose an Irvine Welshs Nachfolgeroman «Porno» bedient, versucht sich an einem stimmigen Mix aus nostalgischer Vergangenheitsbewältigung und dem Aufbruch zu neuen Ufern. Dabei verliert Danny Boyle leider mehrmals das Voranschreiten des Hauptkonflikts aus den Augen. Der Streit um das gestohlene Geld ist immer wieder von unterschiedlicher Relevanz und rückt zeitweise ganz in den Hintergrund. Ein wenig mehr Stringenz hätte der Erzählung hier gut getan – so scheint Boyle immer nur dann auf diesen Konflikt zurückzugreifen, wenn der Rest der Handlung gerade ins Stocken gerät.

Sie sind in die Jahre gekommen


Den Rest der Handlung teilen sich die unterschiedlichen Lebensentwürfe der vier Protagonisten, die alle über Marks offenkundigen Absprung von der Straße in ein gutbürgerliches Leben zusammengehalten werden. Vor allem Spuds scheinbare Unfähigkeit, ein ganz normales Leben zu führen, erweist sich als emotionaler Ankerpunkt von «T2: Trainspotting». Frances „Franco“ Bedbie wiederum wird in der Fortsetzung fast schon zu einer Art Antagonist. Kein Wunder: Schließlich war er es, der unter Marks Flucht mit dem Geld am meisten zu leiden hatte. Leider mangelt es Begbies Storyline an Charme – aus dem früher immer noch unterschwellig charismatischen Kleinganoven ist ein ziemlich unausstehlicher Krimineller geworden, an dem vor allem die Attitüde abschreckt, die er gegenüber Frau und Kind an den Tag legt. Als Storymotor für ein konsequentes Finale könnte er trotzdem dienen. Leider ist Danny Boyle im Finale zu sehr auf Versöhnung aus, anstatt im richtigen Moment zum Ende zu kommen. Bis dahin kann «T2: Trainspotting» mit einigen sehr starken Einzelszenen punkten. Dazu gehören ein an den Off-Kommentar aus Teil eins angelegter „Sag ja zum Leben“-Monolog Marks ebenso wie eine irre Verfolgungsjagd in einem Parkhaus.

Bei all diesen Szenen spielt Danny Boyle all jene Stärken aus, die «T2: Trainspotting» überdeutlich zu einem typischen Danny-Boyle-Film machen. Visuell und akustisch ist Boyles 13. Regiearbeit nämlich ein absoluter Hochgenuss, der sich vielfach vor dem ersten Film verbeugt und sich vereinzelt auch von ihm inspirieren lässt (einige Szenen aus «Trainspotting» werden sogar direkt in diesem Film verbaut). Ganz so extravagant, vor allem aber exzessiv geht es in diesem Film jedoch nicht mehr zu. Trotzdem beweist Kameramann Anthony Dod Mantle («Snowden») ein tolles Auge für Farbgestaltung, Bildaufteilung und optische Spielereien, um das Geschehen aufzupeppen. «T2: Trainspotting» schaut sich somit wie ein etwas behäbiger und – so ist es ja auch nun mal – zwanzig Jahre älterer Bruder des Ausgangsfilms, der wiederum mit seiner Reife überzeugen kann. Neue Fans wird die zweiteilige Reihe damit wohl nicht gewinnen. All jene Zuschauer, die mit den Charakteren bislang nicht warm geworden sind, erhalten in «T2» wenig Gelegenheit, neue Facetten an ihnen zu entdecken. Für alle anderen erweist sich der Film hingegen als würdiges Sequel, von dem man jedoch nicht erwarten sollte, dass Mark, Spud, Sick-Boy und Begbie – vor allem aber Danny Boyle – in den vergangenen zwanzig Jahren nicht gealtert sind.

Fazit


«T2: Trainspotting» ist in erster Linie ein Film, der sich an die Fans des ersten Teils richtet – und zwar an solche, die jenen vor allem aufgrund der interessanten Figuren lieben gelernt haben. Wer sich einen ähnlich exzessiv-dreckigen Drogenfilm wie Mitte der Neunziger erhofft, wird von diesem hier vermutlich enttäuscht werden.

«T2: Trainspotting» ist ab dem 16. Februar 2017 in den deutschen Kinos zu sehen.
14.02.2017 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/91201