Mit der Rückkehr zu seinem alten Hit mischt nun auch Christian Rach wieder am Markt der Help-TV-Köche mit. Ob seine Zeit vorbei ist? Was war das eigentlich mit seinem Nachfolger Henssler? Und welches Klientel bedient Kollege Rosin? Heute in Sülters Kochstudio.
Was haben Wetter und Essen miteinander zu tun? Vieles. Beides wird von jedem Menschen wahrgenommen, konsumiert, bewertet und in Diskussionen genüsslich seziert. Man könnte sich fragen, warum es dann im Bereich Help-TV nicht genauso viele Sendungen zum Wetter gibt, wie zum Essen.
Nun – ganz einfach. Das Wetter können wir nicht beeinflussen. Was wir essen hingegen ist eine ganz individuelle Entscheidung. Und das Wetter kostet kein Geld, vom Erwerb eines Regenschirms oder einer Sonnencreme vielleicht abgesehen. Nahrungsaufnahme durch das Einkaufen von Zutaten oder den Besuch einer gastronomischen Einrichtung hingegen schon. Und wenn es da nicht läuft, kommen die TV-Köche ins Spiel. Fachleute, die den Hobbyköchen und Gastwirten aufzeigen, warum das was sie tun, nicht funktionieren kann – und wie es in Zukunft besser laufen könnte. Kamera an und draufgehalten – zu unserer Unterhaltung und irgendwie auch als Lerneffekt. Und für die Spur Schadenfreude, die heute fast obligatorisch ist.
Lange Zeit war Christian Rach der Messias der Gastrohelfer. Im März kehrt er nun zu seinem Premiumformat bei RTL zurück. Wie hat sich der Markt seitdem verändert? Wer sind die Besten? Wer ist eigentlich überflüssig? Das ist ganz klar eine Sendepause wert.
Der Mann, der zu viel wollte
Als deutsche Version von «Ramsay’s Kitchen Nightmares» ging 2005 «Rach, der Restauranttester» an den Start und wurde direkt zum Publikumsliebling. Zu knuffig war Wirrkopf Rach, zu kultig seine herrlich offene Art
("der letzte Furz kommt immer aus der Tüte"). Sieben Jahre lang besuchte er Restaurant um Restaurant, gestaltete um, fegte mit eisernem Besen durch und versuchte, leckgeschlagene Betriebe notdürftig zu kitten.
Doch irgendwann war die Liebe zu RTL erkaltet und Rach zog es zu Höherem - er wollte bei den Öffentlich-Rechtlichen scheinbar seinem eigenen Bildungsanspruch auf einem anderen Level gerecht werden. Doch versenkte er zuerst das zwar gut gemeinte aber auch äußerst biedere «Rach tischt auf» und scheiterte später noch mit «Rach und die Restaurantgründer». ZDF und Rach - das passte einfach nicht. Also ging es per Salto rückwärts zurück zu RTL, wo er direkt wieder mit zwei Shows brauchbare Reichweiten einfuhr. Nun also der letzte Schritt in die Vergangenheit zu dem Format, was ihn einst groß gemacht hatte.
Natürlich könnte man ihm in der Bilanz dieser Sendung vorwerfen, dass eine große Anzahl von Lokalitäten trotz seines Eingreifens nicht lange überlebt hat. Doch wäre das fair? Die Betreiber waren schließlich nicht ohne Grund in Schieflage geraten. Eine Woche Handauflegen ist bei den Meisten schlicht nicht genug, auch wenn die eingebrachten Ideen unter Umständen eine Rettung hätten sein können. Menschen wie Rach können nur eine Richtung aufzeigen – gehen muss den Weg aber jeder letztlich selber.
Nicht umsonst gibt es auch diverse positive Gegenbeispiele aus allen Staffeln, wie die Restaurants
Conmux,
Petit Frank,
Markt 7,
Hexenhäuschen oder
Fellini al teatro – um nur einige zu nennen. Hier nahmen die Betreiber die Hilfe an, setzten sie um und sicherten sich ihre Existenz. Und auch wenn das pro Staffel nur in einem Fall auf Dauer gelingt, kann man doch eigentlich schon zufrieden sein.
Der Mann, dem die Schuhe nicht passten
Und dann, nach einer gewohnt erfolgreichen Staffel 2013, war er plötzlich fort, der Rach, und ließ RTL mit der Frage alleine, was man mit einem Erfolgsformat wie dem «Restauranttester» in Zukunft machen sollte. Ein Jahr nach seiner letzter Mission wurde diese Frage dann im Februar 2014 beantwortet: Mit zwei Testballons installierte man Steffen Henssler als neuen Frontmann, strich das „Rach“ aus dem Titel und beließ es – aus Vorsicht? – beim unverfänglichen «Der Restauranttester». Hatte man Angst, Henssler würde schnell die Segel streichen? Oder traute man dem vermeintlichen Koch-Rockstar vielleicht die Rolle nicht gänzlich zu?
Keiner kann mit Gewissheit sagen, ob es derartige Vorbehalte gab. Und man kann Henssler definitiv auch kein Versagen unterstellen. Seine Performance war okay, doch drängte sich der Eindruck auf, dass hier jemand krampfhaft versuchte, sich auf so cool wie nötig und möglich zu bürsten. Wenn es krawallig wurde, dann richtig. Wenn Emotionalität nötig war, dann mit der vollen Kitschkelle. Henssler kam nie richtig im Format an und irrlichterte auf eine merkwürdig distanzierte Weise durch seine Einsätze. Ob er noch eine Zukunft im Format hat, ist unklar, wenn auch eher unwahrscheinlich. Da er aber noch genügend andere Eisen im Feuer hat, dürfte ihn Rachs Rückkehr nicht zu sehr treffen.
Der Mann, der die Lücke nutzte
Doch gibt es selbstverständlich auch abseits von RTL Kochexperten in TV-Mission. Einer der beliebtesten, der gekonnt in die Rach-Vakanz grätschte, ist Frank Rosin. Mit seinem Format «Rosins Restaurants» auf kabel eins ist er auch schon seit 2009 auf Sendung und hält sich seitdem weitestgehend ohne Ausreißer nach unten über Senderschnitt.
Rosin ist dabei Christian Rach sogar am ähnlichsten – ein eher sperriger, oft kratzbürstiger und lauter Typ, der für klare Ansagen aber auch Empathie steht. Rosin schwankt zwischen Kumpeltyp und Diktator, explodiert plötzlich oder packt ohne Vorwarnung Umarmungen aus. Im Gegensatz zu Rach wirkt bei Rosin jedoch vieles zu kalkuliert. Dem Format wohnt ein deutlicheres Gefühl von Scripted Reality, inne als dem RTL-Produkt. Rosin an sich mag authentisch sein, die Machart der Produktion macht davon jedoch einen Teil zunichte. Dennoch funktioniert das Prinzip des starken Frontmannes hier eindeutig am zweitbesten.
Die Männer, die nie allein sein können
Neben den drei erwähnten Größen der Branche gibt es auch noch die Formate, die sich statt auf einen Frontmann lieber gleich auf mehrere stützen. Doch verderben zu viele Köche eben nicht nur sprichwörtlich den Brei. Es ist sicher interessant, wenn verschiedene Charaktere ihre ureigenen Ideen und Vorstellungen einbringen, mal harmonieren, mal aber auch interne Richtungsstreitigkeiten ausfechten müssen, dennoch spaltet man hier nur etwas auf, was im besten Falle eine einzige Person auch alleine leisten kann.
Ein reflektierter und kompetenter Helfer in Not geratener Gastronomen muss eigentlich alle nötigen Farben und Schattierungen selber abdecken können. Somit macht man es sich mit dem Bilden von Teams schlicht leichter und liefert mangels Einzelcharisma den Zuschauern einen größeren, bunteren Teller – in der Hoffnung, dass für jeden etwas dabei sein möge. Angstgetriebene Konzeption könnte man sagen. Unterhaltsam waren Teams wie die Original-«Kochprofis» (2005 bis 2009) und späteren «Küchenchefs» (2009-2014) mit Zacherl, Kotaska und Baudrexel ohne Frage – ihre diversen Ableger wirken dagegen jedoch auch deutlicher schaler. Klar ist: Wer einen Frontmann am Start hat, der ein derartiges Format alleine tragen kann, braucht keine aufgeblähten Teams.
Conclusio
Steckbrief
Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für
Rezensionen,
Interviews &
Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne
Sülters Sendepause und schrieb für
Die Experten und
Der Sportcheck.
Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen
Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch
Es lebe Star Trek gewann er 2019 den
Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei
SYFY sowie freier Mitarbeiter bei
Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins
TV-Klassiker und des
Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr
hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner
Autorenseite.
So groß der Markt in Sachen Help-TV und Kochshows in den letzten Jahren auch geworden sein mag: Es kann nur einen geben. Christian Rach bringt ein Charisma und eine Authentizität in ein simples Format wie den «Restauranttester», das keiner seiner Kollegen auch nur ankratzen kann. Seine natürliche Sperrigkeit, sein Mutterwitz und seine unverbogene Offenheit machen ihn zum perfekten Kumpel für Gastronomen und Zuschauer. Ob das Showformat heute noch zu großen Sprüngen taugt, sei mal dahingestellt – an Rach selbst wird die Neuauflage aber sicher nicht scheitern. Schön, dass er wieder da ist, wo er bisher am besten war.
Der Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht. Wie sind eure Erfahrungen? Welchen TV-Koch mögt ihr am liebsten? Habt ihr Rach in seiner Paraderolle vermisst? Wie fandet ihr seinen Nachfolger Steffen Henssler? Was denkt ihr über Rosin & Co? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.
«Sülters Sendepause» kehrt in vierzehn Tagen zurück.
Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.
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