«Problemzone»: In Facebook Live auf den Spuren «Domians»

What the funk?!: Wir sprachen mit Visa Vie über ihren Facebook Live-Talk «Problemzone», warum sich gerade Rapper dazu eignen, über Themen wie Depressionen oder Sucht zu sprechen.

funk über das Format:

"«Problemzone» ist eine Mischung aus Domian und einem gechillten Abend mit deinem Lieblingsrapper und Visa Vie, die sich gemeinsam um deine Probleme kümmern. Die Facebook Live Show läuft jeden zweiten Donnerstag um 19 Uhr und behandelt in jeder Folge ein anderes Thema, mit einem dazu passenden Gast aus dem Hip Hop-Bereich. Die Facebook Community kann in der «Problemzone» ihre Geschichten und Sorgen besprechen."
Worum geht es in Ihrem Format und wer ist daran beteiligt?
“Problemzone” ist ein interaktiver Live-Talk für Facebook und YouTube, bei dem bekannte Persönlichkeiten aus dem Rap-Umfeld mit den Zuschauern und mir über Themen sprechen, die uns alle bewegen. Egal ob Tod oder Liebe, (Sehn)Süchte, Ängste und Hass, Glaube und Hoffnung, bei „Problemzone“ wird alles besprochen (nur keine neuen Alben). Die Gäste bringen dabei ihre eigenen Erfahrungen zu dem Thema mit ein und geben so einen sehr persönlichen Einblick in ihr Leben. Parallel greifen wir immer wieder durch Live-Anrufe oder Kommentare den Input der Community auf.

Wie kam die Idee zum Format zustande?
Als Moderatorin habe ich über 600 Interviews mit Rappern geführt und dabei immer wieder festgestellt, wie viele besondere Geschichten und große Emotionen hinter den Fassaden stecken. Manche verarbeiten diese auch in ihren Texten, aber die meisten scheuen sich davor ihre Erfahrungen konkret mit ihren Anhängern zu teilen, da gewisse Klischees in der Rapwelt
Mein Wunsch war ein Format, in dem der Rapper auf keinem Podest steht, der „Fan“ nicht mehr der anonyme Troll in der Kommentarspalte ist und ich als Moderatorin mehr bin als eine Fragenstellerin.
Visa Vie
nach wie vor sehr stark verankert sind. Zudem können sich viele Rapper überhaupt nicht mit ihrer Vorbildfunktion anfreunden, auch wenn sie diese unweigerlich haben. Diese Aspekte und der Punkt, dass die Kommunikation auf vielen Hip-Hop-Plattformen von Hass und Ablehnung geprägt sind, haben mich zu der Idee inspiriert, einen Gegenpol zu schaffen. In der «Problemzone» kann man zu Schwächen und dunklen Lebenskapiteln stehen, gemeinsam feststellen, dass niemand perfekt ist und durch das Austauschen von Erlebnissen und Gedanken voneinander lernen und Gemeinsamkeiten finden, statt sich voneinander abzugrenzen. Mein Wunsch war ein Format, in dem der Rapper auf keinem Podest steht, der „Fan“ nicht mehr der anonyme Troll in der Kommentarspalte ist und ich als Moderatorin mehr bin als eine Fragenstellerin. Das ist mit «Problemzone» tollerweise geglückt.

Interviewreihe 'What the funk?!'

Die Interviewreihe "What the funk?!" von Quotenmeter.de befasst sich alle zwei Wochen mit der öffentlich-rechtlichen Internetplattform funk. Welche Formate sind bei funk abrufbar? Wer steckt dahinter? Und wie arbeitet es sich eigentlich beim neuen Angebot? Die Teams der funk-Formate beantworten je einen Katalog aus standardisierten und individuellen Fragen.
Warum gehört das Format zu funk und zur Zielgruppe, die funk ansprechen will?
funk macht ein Programm für junge Menschen, das informieren und unterhalten will aber auch mutig ist. Wir sind ein mutiges Format, denn wir sprechen über Themen, mit denen man im Hip-Hop-Kontext oft nichts zu tun haben möchte und über die sich viele nicht trauen zu sprechen. Meine Gäste, die Anrufer und ich müssen ebenso Mut beweisen, komplett offen und ehrlich über persönliche Gefühle und Erlebnisse zu sprechen. Auch die Plattform, die wir mit funk gewählt haben ist mutig, denn eine Facebook Live-Show zu machen ist ein Experiment, da es bislang wenige Erfahrungswerte gibt. Für diese Zielgruppe und diese Plattform gibt es also nur einen Sender, der solch ein Format produzieren könnte - daher gehört die «Problemzone» zu funk und funk zur «Problemzone».

Welche Vorteile bietet Ihnen persönlich die Plattform funk und wie unterscheidet sich die Arbeit mit funk von Ihrer bisherigen Arbeit?

Der Unterschied liegt wahrscheinlich schon darin, dass sich andere Plattformen ohne vorhandene und vergleichbare Facebook Live-Formate gar nicht auf die «Problemzone»-Idee eingelassen hätten. funk gibt der Produktionsfirma Streamwerke und mir die nötigen Freiheiten uns mit dem Format zu entfalten und weiterzuentwickeln. Soviel Geduld und Vertrauen ist in der Branche sicherlich nicht alltäglich.

Wo sehen Sie das Format inhaltlich in einem Jahr?
Wir möchten weiterhin unterhalten, aufklären und helfen, wenn es nötig ist und das in einem Jahr natürlich sehr gerne vor einem noch viel größeren Publikum. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass sich «Problemzone» immer wieder neu erfindet und bis dahin inhaltlich Wege geht, die sich heute noch niemand vorstellen kann.





Im Rahmen Ihres Radioformats „Irgendwas mit Rap“ bei Radio FRITZ, aber natürlich auch im Zuge Ihrer früheren Moderatorentätigkeit beim Online-Rapmagazin „16bars“ und zuletzt auf Ihrem eigenen YouTube-Kanal, kamen Sie immer wieder mit Hip-Hop und seinen Protagonisten in Kontakt. Dies setzt sich in «Problemzone» fort. Warum fühlen Sie sich dem Hip-Hop so verbunden?

Zur Person: Visa Vie

Als Moderatorin hat Visa Vie ihre eigene Sendung "Irgendwas mit Rap" auf Fritz und begleitet die Hip Hop Szene bereits seit Jahren durch verschiedene Formate im Netz. Nachdem sich in den meisten Formaten alles um die Künstler drehte, stehen bei «Problemzone» nun erstmals die Erlebnisse der Zuschauer im Mittelpunkt.
Ich habe schon mit 11 Jahren angefangen deutschen Rap zu hören und bin da irgendwie nie wieder von weggekommen. Sowohl die Musik, als auch die Art und Weise mit der Sprache zu spielen hat mich von Anfang an fasziniert. HipHop ist die einzige Kultur, die mich seither so angesprochen, mitgerissen und bewegt hat. Ich hatte das Glück, dass ich mein Interesse an Deutschrap zum Beruf machen konnte. Neben meiner persönlichen Neugier für die Szene war es für mich von Anfang an eine große berufliche Herausforderung, mich in dieser männerdominierten Welt zurecht zu finden und teilweise Menschen zu interviewen bei denen manche vor lauter Respekt die Straßenseite wechseln würden. Es ist zwar nicht immer leicht Rapper zu interviewen, aber die beste Journalistenschule die man besuchen kann und zum Glück fast immer spannender als mit konstruierten, braven Pop-Plastik-Figuren zu sprechen.

Wieso sind gerade Rapper und HipHop-Künstler dafür geeignet, in «Problemzone» mit Ihnen und insbesondere auch den Zuschauern des Formats über Themen wie Sexismus, Sucht oder Depressionen zu reden?

Kein musikalisches Genre ist authentischer als HipHop. Die meisten Rap-Künstler kommen aus ganz normalen oder auch aus sozial schwachen Verhältnissen. Dass sie irgendwann angefangen haben Texte zu schreiben, kommt nicht von irgendwoher. Sie haben viel erlebt, viel gesehen, viel zu erzählen und haben oft hart gekämpft um da zu sein, wo sie jetzt stehen. Viele Rapper haben es geschafft, ihren Traum zu verwirklichen und trotzdem vergessen sie nicht wo sie herkommen, sie haben die gleichen Probleme, Ängste und Sorgen, wie ihre Fans. Sie sind dadurch perfekte Identifikationsfiguren und die besten Gesprächspartner für ein solches Format.

Ich war selbst zu Beginn skeptisch, ob das eine kluge Idee ist, sich da bei Facebook Live auszutoben, aber mittlerweile fühle ich mich dort neben dem Radio und YouTube immer mehr zu Hause.
Visa Vie über ihre Erfahrungen mit Facebook Live
Zwar können die Sendungen auch im Nachhinein per Abruf gestreamt werden, als Live-Kanal, der für die direkte Interaktion mit den Zuschauern auch notwendig ist, verwendet «Problemzone» aber Facebook Live – ein recht junger Kanal, mit dem einige Medien bereits seit einiger Zeit experimentieren. Welche positiven und welche negativen Erfahrungen haben Sie in «Problemzone» schon mit Facebook Live gemacht?
Bisher zum Glück hauptsächlich positive. Wir freuen uns sehr über die hohe Beteiligung an unserer Sendung. Die Kommentare im Live-Stream sind genauso wie wir es uns wünschen, sehr unterschiedlich und teilweise kritisch. Es geht ja in der Sendung nicht darum alles abzufeiern, sondern ein Gespräch zu führen und dabei natürlich auch unterschiedliche Meinungen anzuhören - dafür eignet sich Facebook Live perfekt. Gleichzeitig ist es natürlich ein Kanal, der noch nicht allzu etabliert ist. Daher ist unser Format die ganze Zeit in Bewegung. Nach jeder Folge wird alles sehr genau analysiert und wenn nötig direkt in der nächsten Ausgabe anders gemacht. Wir befinden uns also in einem ständigen Weiterentwicklungsprozess, was zugegebenermaßen eine ziemlich große Herausforderung ist, aber dank der Unterstützung von funk und RBB super funktioniert. Ich war selbst zu Beginn skeptisch, ob das eine kluge Idee ist, sich da bei Facebook Live auszutoben, aber mittlerweile fühle ich mich dort neben dem Radio und YouTube immer mehr zu Hause.

Vielen Dank für das Gespräch, Visa Vie!
27.02.2017 11:27 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/91446