Curb their Enthusiasm!
«Pastewka» verlässt Sat.1 in Richtung Amazon, Christian Ulmens «Jerks» lief bei ProSieben nur in der Zweitverwertung. Die Spitze der deutschen Fiction kann sich nicht mehr auf die großen Privatsender verlassen.
Als ich vor einigen Jahren noch Podcasts für Quotenmeter produzierte, hatten die Kollegen und ich hinter den Kulissen einen Treppenwitz: die Lage von Sat.1. Wenn die Nachrichtenlage in einer Woche dünn war: Die nimmermüde Ideenarmut, die erstaunliche Anzahl an inhaltlichen und wirtschaftlichen Flops, das sich unaufhörlich drehende Personalkarussell gaben stets genug Material für eine Dreiviertelstunde Sendung her. Auch andersherum: Was stöhnten wir manchmal Freitagnachmittags vor der Aufzeichnung, wenn uns eine neue Personalie oder eine überraschende Absetzung die Sendeplanung verhagelte.
Die Lage von Sat.1 war eine Synekdoche für die sich verstärkende Beliebigkeit des Privatfernsehens, die abseits weniger gelungener Formate (im Hause ProSiebenSat.1 zum Beispiel «The Voice» und «Schlag den Raab») nur noch mit Skandalen Schlagzeilen machen konnte, und für den oft antizipierten Wandel der Medienlandschaft, der zumindest hinsichtlich der Konkurrenz der großen Sender mit neuen nonlinearen Wettbewerbern auch eine inhaltlich-qualitative Ausdifferenzierung bedeuten würde. Kurz: Für die hochwertig und mit Anspruch produzierten Formate wird man in Zukunft bezahlen müssen; dafür gibt es die Scripted-Reality frei Haus.
Diese Woche brachte allein in der deutschen Fiction gleich zwei Beispiele hervor, an denen sich dieser Trend beobachten lässt: Zum Einen der Wechsel der vielgepriesenen und erstklassigen Serie «Pastewka» von Sat.1 zu Amazon; zum Anderen die Premiere von Christian Ulmens neuer, innovativer Serie «Jerks» bei ProSieben, die zuvor allerdings bereits beim hauseigenen Streaming-Anbieter Maxdome gezeigt worden war. Die etwas avantgardistischen Kritikerlieblinge finden bei den großen Privatsendern also bestenfalls in der Zweitverwertung statt oder müssen sich nach anderen Foren im nonlinearen Segment umsehen, denen eine kleinere, aber wahrscheinlich engagiertere Zuschauerklientel genügt.
Für die großen Player wie Sat.1 und RTL mag es verführerisch sein, im Zuge des Wandels der Medienlandschaft ihre Formate mit spitzen Zielgruppen immer weiter zu marginalisieren und sich in ihren Programmfarben noch mehr als bisher auf eine gefällige Beliebigkeit zu konzentrieren. Doch das wird – besonders im Fall von Sat.1 – die Marke und das Image ebenso beliebig machen und damit nachhaltig beschädigen. Das kann nicht im eigenen Interesse sein.