Immer häufiger verwerteten die US-Networks in den vergangenen Jahren in neuen Serien altbekannte Stoffe aus früheren Filmen, Serien und Büchern. Mit Erfolg?
Zum Begriff: Ideen-Recycling
"Ideen-Recycling" bezieht sich auf die Wiederverwertung oder Wiederaufbereitung bekannter Inhalte, die so oder so ähnlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt in den Medien veröffentlicht wurden. Formate, die solche alten Inhalte neu aufgreifen, setzen diese beispielsweise in Form von Spin-Offs alter Serien oder Filme sowie als Adaption von Filmen, Büchern oder Comics neu um.Seit Jahren wird in der Unterhaltungsindustrie die Ideenarmut kritisiert, nicht nur in Deutschland, wo die zarten Versuche, den Fernsehzuschauern neue Serien schmackhaft zu machen in den meisten Fällen auf wenig Gegenliebe stoßen, während jahrzehntealte Reihen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern noch immer Quotenerfolge feiern. Auch in den USA, das die bekannteste und zugleich die erfolgreichste Unterhaltungsindustrie des Westens stellt, besteht dieses Problem. Während die großen Filmstudios dieser Tage vor allem auf Franchisebildung bedacht sind und Fortsetzungen oder Spin-Offs frische Ideen aus den Lichtspielhäusern verdrängen, setzen auch US-Serien immer häufiger auf die Adaption bekannter Stoffe aus Filmen, Serien, Büchern oder Comics – ein Phänomen, das insbesondere im frei empfangbaren Network-Fernsehen seit einigen Jahren zu beobachten ist.
Der Hintergedanke: Serien, deren Inhalte dem Zuschauer vertraut vorkommen, werden schneller vom Fernsehpublikum angenommen und verringern damit das Risiko enttäuschender Quoten und schneller Absetzungen, die in den vergangenen Jahren immer häufiger wurden. Dass diese Theorie bei Weitem nicht immer zutraf, mussten die großen Networks ABC, CBS, FOX, NBC & The CW in den vergangenen Jahren, in denen immer mehr solcher „Recycling-Serien“ ihren Weg ins Fernsehen fanden, schmerzlich feststellen. Wir stellen den Serien-Adaptionen der großen Networks ein Zeugnis aus.
CBS: Wenig Erfolg mit vielen Adaptionen
CBS-Adaptionen (Auswahl)
- «Rush Hour» (2016)
- «Limitless» (2015-2016)
- «Supergirl» (2015-2016, danach Wechsel zu The CW)
- «MacGyver» (2016-2017)
- «Training Day» (2017-)
Dass das US-amerikanische Publikum altbekannte Stoffe nicht immer gerne doppelt und dreifach in Form von Serien-Neuverwertungen zu sehen bekommt, kann auf den Zielgeraden der Saison 2016/2017 insbesondere CBS mit Sicherheit sagen. Im Rahmen der vergangenen zwei Saisons starteten gleich fünf solcher Serien beim Sender, der noch immer die meisten Zuschauer ab zwei Jahren erreicht, im Jahr 2016 allerdings insgesamt knapp sechs Prozent seiner Zuschauer und damit absolut über 600.000 Zuschauer verlor. Schuld tragen auch krachende Misserfolge wie «Rush Hour», basierend auf der gleichnamigen Filmreihe mit Jackie Chan und Chris Tucker. Das Midseason-Format startete am 31. März 2016 bereits mit 5,06 Millionen Zuschauern schwach, die letzten drei Folgen erreichten im August 2016 nicht einmal mehr als 1,70 Millionen Personen ab Zwei.
Ebenfalls in der Saison 2015/2016 gestartet, erlebte «Limitless» nach dem gleichnamigen Film mit Bradley Cooper ein jähes Ende nach nur einer Staffel. Am US-Dienstag liefen selbst Reruns der «NCIS»-Formate vor «Limitless» deutlich besser als die Dramedy von Craig Sweeny, die dieser Tage auch in Deutschland bei ProSieben enttäuscht. Schließlich setzte CBS auch die Comicbuchadaption «Supergirl» trotz starker Premiere Ende Oktober 2015 nach einer Staffel ab, nachdem die Warner Bros. Serie am Montagabend seine Reichweite von knapp 13 Millionen auf letztlich 6,11 Millionen Interessenten mehr als halbiert hatte. Ein ähnliches Schicksal könnte in der aktuellen Saison auch «MacGyver» und «Training Day» zu ereilen. Während das Reboot der Kult-Serie mit Richard Dean Anderson innerhalb von 17 Folgen vier Millionen Zuschauer und bei weiteren Verlusten in Bedrängnis gerät, wurde die Serien-Fortsetzung des Oscar-prämierten Thrillers den Erwartungen von Anfang an nicht gerecht und steuert auf eine Absetzung zu. CBS wird von der Wiederbelebung alter Stoffe also künftig wohl eher absehen.
NBC: Goldene Zeiten trotz schwacher Helden-Wiedergeburt
NBC-Adaptionen (Auswahl)
- «Heroes Reborn» (2015-2016)
- «The Blacklist: Redemption» (2017-)
- «Taken» (2017-)
Besser als CBS entwickelte sich im vergangenen Jahr NBC. Das Network gewann 2016 als einziges Network Zuschauer hinzu – sowohl insgesamt, wo NBC hinter CBS auf Platz zwei rangiert, als auch in der Zielgruppe der 18- bis 49-Jährigen, in der NBC das Feld anführt. Recycling-Serien trugen jedoch kaum zum Aufstieg des Pfaus bei. Die Wiedergeburt der Tim Kring-Serie «Heroes», die einst von 2006 bis 2010 auf dem Network lief und schließlich unrühmlich endete, misslang im Zuge von «Heroes Reborn». Zwar war das Format nur als Miniserie angekündigt, bei starken Quoten hätte NBC aber sicher eine Verlängerung in Erwägung gezogen. Diese blieben aus: Am 21. Januar 2016 endete «Heroes Reborn» donnerstags vor den Augen von gerade einmal 3,83 Millionen Zuschauern. Die Lust nach neuen Geschichten um die Übermenschen wurde vom Sender deutlich überschätzt.
Die Pläne zur Neuauflage der früheren ABC-Serie «Coach» verwarf NBC trotz Ankündigung des Formats im Jahr 2015 noch vor dem Start. Neben weiteren Ablegern seines «Chicago»-Franchises konzentrierte sich NBC seither vorrangig auf neue Inhalte. Ausnahmen stellen «The Blacklist: Redemption» dar, Spin-Off zu «The Blacklist», das am 23. Februar 2017 mit 4,26 Millionen Zuschauern schwach startete sowie «Taken», die Serie zur beliebten Action-Filmreihe mit Liam Neeson. Erst am 27. Februar 2017 startete die Vorgeschichte des Special Forces-Soldaten Bryan Mills bei NBC durchwachsen, wobei die Serie mit 7,45 Millionen Zuschauern noch eine etwas bessere Figur am Montagabend machte als so manche Midseason-Starts der Konkurrenzsender.
FOX: Reihenweise Adaptions-Flops – nur «Lethal Weapon» überzeugt
FOX-Adaptionen (Auswahl)
- «24: Legacy» (2017-)
- «Minority Report» (2015)
- «Gotham» (2014-)
- «Sleepy Hollow» (2013-)
- «Lethal Weapon» (2016-)
Zum Beispiel performte «Taken» besser als «24: Legacy» bei FOX. Das Network kann einfach nicht Schluss machen mit seinem einst herausragenden Action-Franchise um Kiefer Sutherland als Jack Bauer. Nach «24: Live Another Day» brachte FOX daher mit «24: Legacy» ein weiteres Spin-Off an den Start – allerdings ohne Sutherland. Um der Serie Starthilfe zu geben, platzierte FOX die Produktion von Manny Coto und Evan Katz im Umfeld des «Super Bowl» 2017, wodurch satte 17,58 Millionen Zuschauer die Premiere sahen. Was folgte, war ein beispielloser Quotenverlust. Schon Episode fünf erreichte nur noch 3,98 Millionen Zuschauer. FOX stellt ohnehin das Network dar, das in den vergangenen Jahren am meisten durch Adaptionen alter Stoffe auf sich aufmerksam machte. Gleichzeitig rangiert FOX nicht nur mit weitem Abstand auf Platz vier der zuschauerstärksten Networks, sondern rutschte auch in der Kernzielgruppe der 18- bis 49-Jährigen auf den vierten Rang ab.
Dem Negativtrend der letzten Jahre begegnete FOX mit vielen Adaptionen: Nach nur einer Staffel musste in der Saison 2015/2016 bereits das auf Mary Shelleys „Frankenstein“ basierende «Second Chance» seinen Hut nehmen, welches freitags schließlich vor nur zwei Millionen Zuschauern endete. Wesentlich mehr Hoffnung hatte FOX in «Minority Report» (Foto) gesetzt, die Serie zum gleichnamigen Steven Spielberg-Film mit Tom Cruise. Nach schwachem Start am US-Montag kürzte FOX früh die Episodenbestellung auf zehn Folgen, die zuletzt teilweise deutlich weniger als zwei Millionen Personen erreichten.
Mit der sechsteiligen «Akte X»-Rückkehr feierte FOX in der gleichen Saison zwar kurzzeitig Erfolge, die Zukunft für Adaptionen bei FOX sieht jedoch nicht allzu rosig aus: «Gotham» wird FOX wohl nur wegen der Aussicht auf Syndikation um eine vierte Staffel verlängern, während die Quoten weiter sinken. Auch das auf Buch und Film basierende, einst stark gestartete «Sleepy Hollow» wird die nächste Saison bei FOX wohl nicht erleben. «The Exorcist» nach dem gleichnamigen Horrorklassiker, debütierte erst diese Saison und stellt bereits jetzt das FOX-Format mit den niedrigsten Quoten dar. Damit bliebe lediglich das bereits verlängerte «Lethal Weapon», das seine Popularität auf die beliebte Actionfilmreihe stützt.
ABC setzt auf Neues, The CW auf Comics
Vornehm zurück hält sich weiterhin ABC, das zuletzt ohnehin keine guten Erfahrungen mit seinen wenigen Serien-Neuauflagen machte. Die Marvel-Serie «Agent Carter» stellte ABC nach zwei Staffeln aufgrund von Erfolglosigkeit ein, eine große Enttäuschung stellte auch das Revival von «The Muppets» dar. Die Kult-Puppen wurden ihrer weltweiten Bekanntheit in einer Staffel nicht einmal ansatzweise gerecht. So setzte ABC im Zuge seiner Neustarts 2016/2017 fast ausschließlich auf gänzlich frische Ware. Das kleine The CW, das ohnehin pro Saison meist mit wenigen neuen Formaten aufwartet, lebt noch immer gut von seinen Recycling-Serien: Mit «Arrow», «The Flash», «iZombie» und «Legends of Tomorrow» setzte das Network zuletzt gleich auf vier Serien, die auf DC-Comics basieren. Zusätzlich nahm man das von CBS verbannte «Supergirl» in sein Programm auf. Dennoch wird sich The CW wohl von seinen neuen Serien «Frequency», basierend auf dem gleichnamigen Spielfilm aus dem Jahr 2000, und «No Tomorrow» trennen, das eine brasilianische Serie adaptiert.
In der Neuverwertung alter Stoffe sahen die großen US-Networks in den vergangenen Jahren scheinbar immer häufiger die Möglichkeit, ihre Zuschauerverluste einzudämmen, die auch von den Vormarsch der Streaming-Dienste zu herrühren. Blickt man jedoch auf die Zuschauerzahlen, muss man konstatieren, dass derartige Recycling-Serien nur in Ausnahmen von Erfolg gekrönt waren. In einer Zeit, in der komplett neue Ideen von der Unterhaltungsindustrie ohnehin stiefmütterlich behandelt werden und immer öfter TV-Formate auch auf die Prämissen ausländischer Produktionen zurückgreifen, wollen Fernsehzuschauer offenkundig keine Serienadaptionen alter Konzepte sehen, deren Verfallsdatum in vielen Fällen ohnehin schon Jahre zurückliegt, sondern neue Stoffe, die begeistern. Neben fehlendem Mut, scheint es Network-Verantwortlichen zunehmend schwerzufallen, letztere zu erkennen.