«Genial Daneben»: Acht Minuten für den schnellen Witz

Sat.1 holt mit «Genial daneben» einen alten Klassiker wieder zurück ins Programm. Wir waren bei den Aufzeichnungen dabei und haben in die neuen Folgen live reinschauen können.

Plötzlich steht er da, Jackett, Jeans und Shirt, die Haare leicht ergraut. Klein sieht er aus, dünn ist er, aber die Stimme ist unverwechselbar: Hugo Egon Balder, eines der letzten Gesichter des klassischen Fernsehens, betritt die Bühne seiner Sendung. Es werde heiß werden in den nächsten sechs Stunden hier im Studio, sagt er.

Balder weiß, worauf er anspielt: Auf Livesendungen, die bis nach Mitternacht laufen, oder Aufzeichnungen, die immer wieder neu ansetzen. Balders letztes Format im Privatfernsehen, «Die Kirmeskönige», wurde sogar über zwei Tagen aufgezeichnet. Vorbei sind die Zeiten, in denen man in einem Rutsch aufzeichnete, der Zuschauer nach einer Stunde wieder aus dem Studio lief und der Moderator das Warm-Up noch selber machte. Immerhin kramt heute der Mann für das Warm-Up noch tief in der Witzklamottenkiste.

Und jetzt steht da also der Balder auf seinem Panel, macht das Warm-Up selbst und schickt die Zuschauer nach einer Stunde wieder aus dem Studio. Das klassische Fernsehen ist mit der Wiederauferstehung von «Genial daneben» wieder da, kurz freilich. Denn sechs Folgen nur hat Privatsender Sat.1 im Januar in Köln aufgezeichnet und schickt die Sendung in den aus der Versenkung geholten FunFreitag - immer um 21.15 Uhr.

Absurdes aus dem Genitalbereich


Der wiederum ist ein Urgestein bei Sender Sat.1 – und da passt es, dass auch Balder ein Urgestein des klassischen Unterhaltungsfernsehens ist. Seit Jahren hält es hoch. Auf Tele 5 hat er zum gemeinsamen Sauftalk auf der Hamburger Reeperbahn eingeladen, bei «Tutti Frutti» hat er sich zwischen viel zu hübsche Frauen gestellt und auch auf den Theaterbühnen des Landes bringt er Menschen zum Lachen.

Balder weiß, was er kann, wenn er darf.

Und wenn der Balder also schonmal darf, darf die "dicke Tante" Hella von Sinnen natürlich nicht fehlen und der «Clever»-Mann Wigald Boning als Ratestammbesetzung. Man kennt sich eben noch von früher - und hat scheinbar erst gestern noch bei Tele5 gesoffen. Dazu: Jeweils drei Comedians, die sich abwechseln: Antoine Monot Jr. wird seinen ersten Auftritt bei «Genial daneben» überhaupt haben, Ingo Appelt wird da sein, Ralf Schmitz, Kaya Yanar, Ruth Moschner.

Die Redaktion führt das bewährte System der letzten Staffeln fort und nutzt den Effekt, dass man das Alter der Sendung trotz unzähliger Wiederholungen nur an den grauen Haaren des Moderators erkennen konnte, aber nicht unbedingt an der Sendung selbst: Zuschauer senden Fragen ein und fünf Comedians dürfen die Antwort erraten. Der Witz entsteht, weil alle sich aus dem Dunkelfeld an die Antwort herantasten - und oft genug, weil der schnelle Witz unter der Gürtellinie schon in der Fragestellung liegt.

Keine Animationen, keine Einspieler – einfach Unterhaltung


Sicher: Für die neuen Folgen hat man das Panel modernisiert, aus der Arena ein Halbrund mit mehr Zuschauern gebaut, Carl Carltons "Flowers on the wall" als Theme der Sendung verbannt und durch zeitgemäßes Gedudel ersetzt. Dennoch befinden sich die Fragen weiterhin im Dunstkreis des Genitalwitzes oder entstammen den Sammlungen unnützen Stammtischwissens. Einzig Bernhard Hoecker fehlt, die frühere Stammbesetzung, aber der zeichnet parallel in Hamburg das Vorabendquiz «Wer weiß denn sowas?» auf und verbreitet dort sein voluminöses unnützes Wissen.

Und trotzdem funktioniert das Prinzip der Sendung immer noch, obwohl in den ersten Reihen jene kameratauglichen Jugendlichen sitzen, die mit der Generation Joko und Klaas aufgewachsen sind und den Beginn der Sendung nicht verfolgt haben. Die einzelnen Raterunden zu den Fragen sind mit 8 bis 10 Minuten kurz und gerade noch YouTube-tauglich, jeder kann zu jeder Zeit einsteigen - oder auch wieder aussteigen. Es ging beim Prinzip von «Genial daneben» nie darum, dass man eine gesamte Ausgabe gesehen haben muss, weil die Sendung schon immer daraus bestand, einfach nur Frage an Frage zu reihen - und damit absurde Gespräche zu initiieren. So ist «Genial daneben» auch heute der kleine Wochenendstammtisch geblieben, bei dem man zwar nur Wasser trinkt, aber predigt, als hätte man ne Menge Wein intus. Und kommt ohne Einspieler, digitalen Animationen oder Stimmen aus dem Off aus.

Und Balder? Verlässt sich auf das, was er kann. Schaut hin und wieder mal grimmig, versucht die Runde zu verwirren, spielt mit dem Nichtwissen der Comedians, schlägt ab und zu mal sanft auf den Tisch und freut sich, wenn ein Zuschauer 500 Euro für seine Frage gewinnt, weil die Comedians die Antwort mal wieder nicht wussten. Mehr davon, will man ihm am Ende der Sendung noch sagen, aber da geht er schon von der Bühne, leicht gebückt, die Hand gehoben. Er hat das Publikum mal wieder unterhalten und er weiß das.
09.03.2017 11:00 Uhr  •  Sascha Blättermann Kurz-URL: qmde.de/91652