Der 90er-Kult kehrt auf die Leinwand zurück. Mit etwas gedämpfteren Farben und einer etwas bodenständigeren Grundstimmung. Kommt da noch «Power Rangers»-Feeling auf?
Filmfacts «Power Rangers»
- Regie: Dean Israelite
- Produktion: Haim Saban, Brian Casentini, Marty Bowen, Wyck Godfrey
- Drehbuch: John Gatins
- Story: Matt Sazama, Burk Sharpless, Michele Mulroney, Kieran Mulroney
- Darsteller: Dacre Montgomery, Naomi Scott, RJ Cyler, Becky G, Ludi Lin, Bryan Cranston, Elizabeth Banks
- Musik: Brian Tyler
- Kamera: Matthew J. Lloyd
- Schnitt: Martin Bernfeld, Dody Dorn
- Laufzeit: 124 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
1975 nahm in Japan das «Super Sentai»-Franchise Gestalt an, das seither munter mit immer neuen Serien und Kinofilmen aufrecht erhalten wird. Material aus diesen günstig produzierten Kinder-Actionserien wurde 1993 erstmals mit speziell für den US-amerikanischen Markt gedrehten Handlungsszenen neu verpackt. Und so wurde die «Power Rangers»-Marke geboren, die allein bis kurz nach der Jahrhundertwende Merchandising im Wert von über sechs Milliarden Dollar losgeschlagen hat. Bis dato erstreckt sich das Phänomen der farbintensiv gekleideten Teenager, die sich im Kampf gegen intergalaktisches Böses befinden, auf 24 Serienstaffeln (mit regelmäßig wechselnden Gimmicks) und zwei Kinofilme.
Nun macht es sich Film Nummer drei zur Aufgabe, die bislang so "cheesy" anmutenden «Power Rangers» neu zu entwerfen, in dem er sie emotional glaubhafter macht und eine Optik mit etwas mehr Bodenhaftung einführt. Als düsteres, grimmiges Reboot, frei nach Daniel Craigs James Bond oder Christopher Nolans «The Dark Knight»-Trilogie, will sich der neue Film von Dean Israelite (der bislang nur den Sci-Fi-Found-Footage-Flop «Project Almanac» inszenierte) allerdings nicht verstehen. Mit einer vollkommen übertriebenen, albernen Schurkin und einem Finale auf "Spielzeug gegeneinander stoßen"-Logik wird den Wurzeln des Franchises weiter Tribut gezollt. Klingt nach einem schwierigen Balanceakt – und den vollendet Israelite zumindest teilweise.
Tonal mutet der neue «Power Rangers» eingangs wie eine jugendfreundlichere, klassisch gefilmte Variante des Superhelden-Found-Footage-Films «Chronicle – Wozu bist du fähig?» an: Drehbuchautor John Gatins («Kong: Skull Island») entwirft den Ursprung des Heldenquintetts als Popcorn-Jugenddrama über Teenager, die sich beim Erproben ihrer bei einem seltsamen Ereignis erhaltenen Superkräfte erst so richtig kennenlernen. Da wäre Jason Scott (Dacre Montgomery), die frühere Footballhoffnung des kleinen Kaffs Angel Grove, die sich bei einem Dummenjungenstreich verletzt und so ihre Karriere zerstört hat. Kimberly Hart (Naomi Scott) teilt ein verwandtes Schicksal: Sie war lange Zeit eines der populärsten Mädels auf ihrer Schule – dann verlor sie aus unbekannten Gründen den Rückhalt ihrer Clique, eine Prügelei später fiel sie völlig in Ungnade.
Der autistische Billy Cranston (RJ Cyler) findet in den beiden Ex-Lieblingen seiner Mitschüler zwei neue Freunde – vor allem Jason bewahrt Billy vor Lästereien. Daher schlägt er eine gemeinsame Unternehmung vor: Billy gräbt in einer stillgelegten Mine nach Raritäten und will Jason mit von der Partie wissen. Als sie sich aufmachen, setzen sie seltsame, farbige Gesteinsbrocken frei. Kimberly ist ebenfalls dabei zugegen, genauso wie Trini (Becky G), eine schweigsame neue Mitschülerin, und Zack (Ludi Lin), der seine Familienprobleme hinter einer kantigen Maskerade verbirgt. Gatins strukturiert die ersten drei Viertel des Films, indem er hie und da auf die Hintergründe dieser Protagonisten eingeht – diese Aufteilung verhindert, dass «Power Rangers» mit Figurenentwicklung frontbeladen wird, nur um dann zu reiner Action zu verkommen. Stattdessen wartet die Materialschlacht bis zum letzten Viertel, um jegliche Story aus dem Film zu prügeln.
Die behutsame, über nahezu den gesamten Film verteilte Prise Jugenddrama verleiht dem etwas überlangen Film indes eine geerdete Stimmung. Nicht zuletzt, weil Gatins ein Gespür dafür hat, seicht genug zu bleiben, um die eher sorgenfreie «Power Rangers»-Marke nicht mit Bitterkeit umzudeuten, gleichwohl zeitgenössisch und spezifisch genug vorzugehen, um heutige Teenagersorgen nicht völlig weichzuspülen. Wenn leicht verdruckst über Nacktfotoveruntreuung gesprochen wird, Jason der Erwartungsdruck seines Vaters so sehr zum Halse raushängt, dass es ihm sichtbar jegliche Motivation raubt oder Trinis Mimik beim Dinner mit ihren unzufriedenen Eltern zwischen Rebellion und Verzweiflung schwankt, ist natürlich keine tiefschürfende Dramatik geboten. Als von den Schauspielern plausibel vermittelte Erdung dieses Teenie-Eskapismusspektakels wissen diese Sequenzen aber zu überzeugen.
Als Gegengewicht auf zwei Beinen stapft Elizabeth Banks in erotisierter Aufmachung und einer ihr ins Gesicht stehenden, abartigen Spielfreude durch den Film, reißt haarsträubende Sprüche und markiert mit lachhaft großen Drohgebären die außerirdische Domina mit aggressiv kompensiertem Minderwertigkeitskomplex. Und das macht zweifelsohne Laune. Fast so, als wollten die Filmverantwortlichen einen zu extremen Stimmungsbruch vermeiden, wird Banks aber zunächst mit schaurigem Look eingeführt. Einige frühe Szenen mit ihr erinnern dank hektischem Schnitt und finsterer Ausleuchtung gar ans Horrorkino – bis Banks' Schurkin sukzessive zu besagter Cartoon-Widersacherin wird, die selbst die böse Rita Repulsa der klassischen «Power Rangers»-Kontinuität subtil dastehen lässt.
Während Israelite die kauzigen Banks-Sequenzen und die geerdeten zwischenmenschlichen Momente der titelgebenden Helden überraschend fähig unter einen Hut bekommt, gerät sein zweiter Langfilm immer dann ins Stocken, wenn es darum geht, die andersweltlichen Aspekte zu erläutern. Die eher steif eingefangenen Zwiegespräche zwischen angehenden Teenie-Superhelden und ihrem Mentor Zordon (Bryan Cranstons digital aus einer Wand heraus projiziertes Gesicht) treten mehrmals auf der Stelle, generell könnte «Power Rangers» auf einige Wiederholungen in der Weltenbildung verzichten. Die Trainingsmontagen sind ebenfalls etwas zu lang und lassen Pepp in der Soundabmischung vermissen – da weiß das mit gelegentlichen Popkulturreferenzen gewürzte Geplänkel zwischen den Helden mehr Drive auszustrahlen.
Bedauerlicherweise werden die Computereffekte mit Fortschreiten des Films schwächer – die Trainingshologramme, mit denen die Power Rangers anfangs üben, sind fähiger in den Film eingefügt als der komplette Trubel im Endkampf. Dieser lässt nicht nur die schattige, übersichtliche Ästhetik des restlichen Films vermissen, sondern gerät obendrein weitestgehend zu einem reinen Draufgehaue ohne innere Dramaturgie, Witz oder Flair. Nur die letzten paar Minuten des daher wenig aufregenden Finales weisen dadurch, dass die Helden durch "Learning by Doing" zu einem eingeschworenen Kämpferteam werden, so etwas wie Dynamik auf.
Dass die Rüstungen sowie die Ausrüstung der Helden lächerlich aussehen, ist derweil wohl zu vernachlässigen – irgendwie gehört das zu diesem Franchise hinzu. Das dreiste Product Placement im letzten Akt ist da schon ärgerlicher, jedoch sind es eher die gelegentlichen zähen Momente (insbesondere rund um den dramaturgisch kaum nützlichen Mentor Zordon), die den «Power Rangers» abseits des unausgegorenen Finalkampfes Sand ins Zordgetriebe streuen. Eine zeitgemäße Erneuerung des Franchises stellt der Kinofilm trotzdem dar, und vielleicht sogar den ersten Part des «Power Rangers»-Kosmos, der sich auch nach der Pubertät ohne Nostalgiefaktor oder beim Publikum aufgedrehtem Ironiefaktor goutieren lässt. Popcornkino-Laune vorausgesetzt.
«Power Rangers» ist ab dem 23. April 2017 in vielen deutschen Kinos zu sehen.