Das Ganze eine Lachnummer: Die Reportagereihe «The Circus» begleitet die ersten Tage von Donald Trump als Präsident. Und zeigt faszinierend auf, dass der Polit-Zirkus Inszenierung ist, Dealerei – und Krieg.
«The Circus» bei Showtime
- Untertitel: «Inside the Greatest Political Show on Earth»
- Reporter: Mark Halperin, John Heilemann, Mark McKinnon
- Produktion: Left/Right Productions für Showtime
- Fun Fact: Die Produktionsfirma gehört zur Red Arrow Entertainment Group von ProSiebenSat.1
- Folgen: unbekannt (26 in Staffel 1)
Bemühen wir die Metapher doch gleich am Anfang: Der Zirkus ist gemeinhin ein Ort, an dem wir Zuschauer sind. An dem wir gebannt auf die Bühne starren und Nervenkitzel erwarten, aber auch eine perfekte Inszenierung. Manchmal geht etwas schief, vielleicht beim Tiger-Dompteur oder beim Feuerschlucker. Aus dieser Gefahr speist sich die Spannung. Und: Der Zirkus ist ein Ort, an dem wir normalerweise keinen Einfluss auf das Geschehen haben. Außer bei der Entscheidung, welchen Zirkus wir besuchen – und ob wir ihn begeistert besuchen oder links liegen lassen.
Diese Metapher lässt sich leicht übertragen auf das Polit-Geschäft: Auch hier sind wir Zuschauer, auch hier passieren Fehler, größere und kleinere. Auch hier verfolgen wir, wie inszeniert und getrickst wurde. Genau deswegen heißt die hervorragende Reportage-Serie über die US-amerikanische Politik auch «The Circus». In Staffel eins wurden das letzte Jahr der Obama-Präsidentschaft und der Wahlkampf begleitet, jetzt mit Staffel zwei erregt das Format mehr Aufsehen – Donald Trump sei Dank. Der vermeintliche Dompteur der
american people – und offensichtliche Clown – macht diese Zeit zur vielleicht spannendsten und herausforderndsten in der jüngeren Demokratiegeschichte. «The Circus» begleitet diese Zeit des Umbruchs auf die beste Art und Weise.
In der Reihe begleiten wir drei Reporter. Mark Halperin und John Heilemann sind Polit-Analysten für die Nachrichtensender MSNBC und Bloomberg Television. Sie gehören zum inneren Zirkel der Journalisten, fliegen mit dem Präsidenten in der Air Force One und stellen Fragen auf den wichtigen Pressekonferenzen. Dritter Reporter bei «The Circus» ist Mark McKinnon, politischer Berater in vielen Präsidentschaftswahlkämpfen. Er erklärt, was hinter den Kulissen passiert und wie politische Entscheidungen wirklich zustande kommen – beispielsweise durch Hinterzimmer-Deals.
Erfrischend ist die Herangehensweise, wie «The Circus» das aktuelle politische Geschehen aufbereitet. Folge eins zeigt die ersten dutzenden Tage von Trumps turbulenter Präsidentschaft im Schnelldurchlauf und setzt dann zwei Themen als Schwerpunkt: Erstens die Abschaffung von Barack Obamas Gesundheitsreform und die Installation einer eigenen Alternative, und zweitens Obamas vermeintliche Abhöraktion gegen den damaligen Präsidentschaftskandidaten Trump. Fake News everybody!
Es sind Themen, die auf den ersten Blick langweilig klingen mögen oder kompliziert – doch genau hier liegt die Stärke von «The Circus». Das Format bricht die Polit-Prozesse und Inhalte verständlich herunter und zeigt vor allem,
wie Entscheidungen und Stimmungen gemacht werden.
Wie manipuliert und gedealt wird, auf der Straße und hinter verschlossenen Türen. Ein Beispiel: «The Circus» begleitet Republikaner auf der „Wahlkampftour“ gegen Obamacare. Und verdeutlicht, wie die Regierung versucht, Mitglieder des US-Senats auf ihre Seite zu bringen. Denn nach aktuellem Stand würde die Trump-Gesundheitsreform krachend scheitern, weil viele Republikaner die Inhalte nicht unterstützen. Kurz: Irgendwann fühlen wir uns als Zuschauer wirklich wie in einem Zirkus und warten auf die nächste Nummer, auf den nächsten Nervenkitzel.
«The Circus» zeigt die US-Politik aus allen Perspektiven: der Reporter, der Bürger, der Oppositionspolitiker, der Regierung. Und das sowohl auf distanzierte und auf persönliche Art. Das politische Stimmungsbild zeichnet man durch zahlreiche Ausschnitte der US-Nachrichtensender und Pressekonferenzen, gleichzeitig macht man Meinung: Die drei Reporter Halperin, Heilemann und McKinnon sitzen abends beim Bier in einer New Yorker Bar und diskutieren über das, was im Weißen Haus passiert. Klare Meinungsbildung passiert hier nicht hektisch oder voreilig – man stellt Zusammenhänge her, ordnet nachträglich ein. Es ist ein angenehmer Gegenpol zum hysterischen, oft unreflektierten Nachrichtenjournalismus auf den üblichen TV-Sendern. Dennoch bleibt man hochaktuell: Folge eins endet mit dem Tag, an dem Angela Merkel zu Gast war bei Donald Trump. Das war am Freitag, 17. März. Am Sonntag war Merkel schon eine der Protagonistinnen bei «The Circus», unfreiwillig. Denn während sie auf Fragen bei der Pressekonferenz wartete, redete Donald Trump über seine Fortschritte bei der Gesundheitsreform.
Es geht derzeit viel schief im amerikanischen Polit-Zirkus. Besser als mit «The Circus» kann man ihn nicht begleiten.