Der Mensch ist eben doch sein größter Feind: Eine Gruppe von Astronauten entdeckt eine bislang unbekannte Lebensform, weckt sie aus ihrem Kälteschlummer und bekommt dann ihren Blutdurst zu spüren.
Filmfacts «Life»
- Regie: Daniel Espinosa
- Produktion: David Ellison, Dana Goldberg, Bonnie Curtis, Julie Lynn
- Drehbuch: Rhett Reese, Paul Wernick
- Darsteller: Jake Gyllenhaal, Rebecca Ferguson, Ryan Reynolds, Hiroyuki Sanada, Ariyon Bakare, Olga Dihovichnaya
- Musik: Jon Ekstrand
- Kamera: Seamus McGarvey
- Schnitt: Frances Parker, Mary Jo Markey
- Laufzeit: 104 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Der klassische Slasher hält im Horrorkino derzeit so etwas wie ein Erholungsschläfchen. Dies bedeutet aber keineswegs, dass blutdurstige Kinobegeisterte nunmehr auf Produktionen verzichten müssen, in denen eine kaum zu stoppende, böse Macht das Figurenensemble nach dem Abzählreimprinzip dezimiert. Es kommen stattdessen unregelmäßig andere Formen des Niedermetzelfilms ins Lichtspielhaus. Wie etwa der historischen Begebenheiten nachempfundene, daher atypisch garstige Horrorthriller «Wolves at the Door». Oder nun einmal der Science-Fiction-Horror «Life» von «Safe House»-Regisseur Daniel Espinosa.
Nach einem in «2001: Odyssee im Weltraum»-Referenzen ertrinkenden Prolog, den Espinosa mittels an «Gravity» erinnernden, schwindelerregenden Kamera-Plansequenzen erzählt, ist «Life» nämlich genau das: Ein Slasherfilm – und das mehr noch als Ridley Scotts ursprünglicher «Alien»-Teil. Eine sechsköpfige Raumfahrer-Crew macht in einer Gesteinsprobe vom Mars Beweise für außerirdisches Leben ausfindig. Biologe Hugh Derry (Ariyon Bakare, «Jupiter Ascending») gelingt es, den im Kälteschlummer befindlichen Organismus zu revitalisieren – und als hätte es das sarkastische Crewmitglied Rory Adams («Deadpool»-Star Ryan Reynolds) nicht geahnt: Dieses Experiment erweist sich rasch als dumme Idee. Denn das Calvin getaufte Wesen wächst rasant von verschwindend geringer Größe zu einem wabbeligen, doch wehrhaften Klecks in Handtellergröße heran.
Und so gilt es für die Besatzung der ISS, das kämpferische Alien mit Killerinstinkt in Schach zu halten und die eigene Haut zu retten. Diese "Glibberwesen lauert Menschen auf"-Hatz reicht visuell jedoch nicht einmal ansatzweise an den atemberaubenden Auftakt heran, der es zwar gewiss mit den Kubrick-Anspielungen übertreibt, jedoch mit der minutiösen Kameraführung von Seamus McGarvey («Anna Karenina», «Marvel’s The Avengers») zu packen weiß. Doch kaum kommt die eigentliche Handlung in Gang, zieht Espinosa visuell die Handbremse und setzt auf einen wesentlich handelsüblicheren Look. Und so ist es für den Großteil des Films die wuchtige Soundgestaltung, die «Life» Reiz verleiht: Nicht nur, dass das Sounddesign Calvins markant ist, die Tonabmischung sorgt mit Surround-Effekten und basslastig-wummernder Musik von Komponist Jon Ekstrand («Kind 44») für einen ergiebigen Spagat zwischen Beklommenheit und Gruselvergnügen.
Dennoch hält sich der Horror-Sehspaß in Grenzen. Einerseits, weil das Autorenduo Rhett Reese und Paul Wernick die menschlichen Figuren mit wenig Persönlichkeit ausstattet. Mit sehr, sehr wenig Persönlichkeit. Selbst an Slasher-Maßstäben gemessen wirkt die ISS-Crew erschreckend dürftig skizziert, was sich auch auf die Performances auswirkt. Vor allem Jake Gyllenhaal, der mit Werken wie «Nightcrawler» in den vergangenen Jahren regelmäßig zu begeistern wusste, bleibt erschreckend blass und mutet vor der Kamera freudlos an. «Mission: Impossible – Rogue Nation»-Amazone Rebecca Ferguson kann ihrer Rolle ebenfalls keine Persönlichkeit mitgeben, verleiht den Standpauken, die sie der restlichen Crew verpasst, aber immerhin Dringlichkeit.
Reynolds wiederum kann ein paar solide Gags platzieren, ansonsten bleibt das Darstellerfeld unscheinbar. Die blassen, sich meistens mit Anlauf ins Verderben steuernden Figuren ließen sich aber erdulden, wäre «Life» einer jener Slasherfilme, die das Publikum zum stillen Komplizen des Antagonisten machen. Doch für eine Produktion, die von der vorfreudigen Anspannung auf immer neue, immer kreativere und härtere Tötungssequenzen lebt, ist «Life» in der Umsetzung des gezeigten Unheils nicht verspielt genug.
Begeisterungsfähige Genrefans, sei es im Bereich des Sci-Fi-Thrillers oder des vor jeglicher Kulisse spielenden Slashers, werden angesichts der vorzeigbaren technischen Komponente durchaus ihr Vergnügen aus «Life» ziehen können. Nicht zuletzt, da Calvin den Effektkünstlern denkwürdig geraten ist. Doch der vorhersehbare Filmverlauf und die reine Staffage darstellenden Figuren halten Espinosas Weltraumausflug in genau diesem Sektor fest: Dem für Produktionen, die sich darauf verlassen, dass ihn eifrige Genreliebhaber schon noch zu schätzen wissen. Mit etwas mehr Persönlichkeit oder raffinierteren Gewaltspitzen wäre deutlich mehr drin gewesen.
Fazit: Ein Alien, das immer fähiger und cleverer wird, befindet sich auf der Jagd nach einer Gruppe Astronauten, die es dem Killervieh erschreckend einfach macht. Der Sound treibt diesen Sci-Fi-Horror zwar ordentlich an, aber das Skript ist dennoch selbst für einen Slasher derart dünn geraten, dass die Spannungskurve eher einer krakeligen Linie gleicht.
«Life» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen.