Nach den Bpchner von Klaus-Peter Wolf startet das ZDF eine neue ganz im Norden spielende Krimiserie, in der eine Ermittlerin (Christiane Paul) mehr sieht als es vielleicht gut ist. Hinzu kommt Ernst Stötzner als Vater, den es gar nicht mehr gibt und einen Kollegen, der Dienst nach Vorschrift liebt. Eine fehlende Zutat hebt den Krimi angenehm vom sonstigen ZDF-Allerlei ab.
Cast & Crew
- Darsteller: Christiane Paul, Christian Erdmann, Barnaby Metschurat, Peter Heinrich Brix, Uwe Bohm, Svenja Jung, Vincent Krüger, Andreas Pietschmann
- Drehbuch: Florian Schumacher nach der Romanvorlage von Klaus-Peter Wolf
- Regie: Sven Bohse
- Kamera: Henner Besuch
- Musik. Jessica DeRooji
- Produzent: Martin Lehwald
- Produktion: Schiwago Film
Dreieinhalb von insgesamt fünf Sternen als User-Bewertung beim Internethändler Amazon. Das ist eine mindestens ordentliche Ausbeute für das Buch „Ostfriesenkiller“ des Autors Klaus-Peter Wolf. Weitere Bücher der Reihe erreichen teils sogar den vierten Stern. Der in Gelsenkirchen geborene Autor hatte 2007 die erste Krimigeschichte in Ostfriesland spielen lassen und bis heute zehn weitere nachgelegt. Dreh- und Angelpunkt seiner Storys ist eine ungewöhnliche Ermittlerin, die Erinnerungen an die einstige US-Serie «Medium» weckt. Denn Ann Kathrin Klaasen kann mehr als andere. Aber der Reihe nach. Nach einigen erfolgen bei Romanverfilmungen – so setzt das ZDF seit geraumer Zeit auf TV-Movies nach Vorlage von Nele Neuhaus und auch Kommissar Zorn im Ersten ist letztlich auf eine erfolgreiche Buchreihe zurückzuführen, soll nun also Figur Klaasen das ZDF-Publikum verzücken.
Vielleicht etwas erstaunlich ist, dass das ZDF die Ostfriesenreihe direkt auf den Samstag setzt, wo Buchstoffe sonst doch eher als Fernsehfilm der Woche montags zu sehen sind. Vielleicht aber war auch nur Nachschub am Samstag nötig. Verdient jedenfalls hat es der Krimi durchaus – denn mit manch anderem 0815-Stoff, der das Jahr über am traditionellen Krimiabend im ZDF läuft, kann sich das neue Format durchaus messen lassen. Ankerpunkt der neuen Reihe ist Christiane Paul, relativ frisch ausgezeichnet mit einem Emmy als Beste Hauptdarstellerin (für «Unterm Radar», Das Erste). Neben ihr sind noch Christian Erdmann, aber auch Vincent Krüger («GZSZ») in einer kleineren Rolle zu begutachten.
ZDF/Sandra Hoever
Wurde Ann Kathrin gerade von ihrem Garten aus beobachtet? Die Ermittlerin will es genauer wissen. Einbildung oder doch nicht? "Ann Kathrin trägt Eigenschaften in sich, die ihr Handeln bestimmen. Mir war es wichtig zu zeigen, was sie antreibt, dass ihre Arbeit gleichzeitig ihre Leidenschaft ist", sagt Darstellerin Christiane Paul über ihre neue Figur.
Alle Bücher der Reihe von Klaus Peter Wolf
- Ostfriesenkiller
- Ostfriesenblut
- Ostfriesengrab
- Ostfriesensünde
- Ostfriesenfalle
- Ostfriesenangst
- Ostfriesenmoor
- Ostfriesenfeuer
- Ostfriesenwut
- Ostfriesenschwur
- Ostfriesentod
Paul ist also diese Ann Kathrin Klaasen, die für ZDF-Verhältnisse doch massiv ungewöhnliche Ermittlerin. Um ihre Fälle zu lösen, versetzt sie sich vollständig in die Rolle der Opfer und versucht so, die Tat zu begreifen. Klaasen gilt als Verhörspezialistin, ist eigenwillig, energisch und wenig teamfähig und hat seherische Fähigkeiten. Damit hält man im 90-Minüter von Schiwago Film auch nicht lange hinter’m Berg. Direkt zu Beginn nämlich unterhält sich die Hauptfigur am wunderschönen Strand (nicht umsonst nennt der Sender Ostfriesland als eigentlichen Star der Reihe) mit ihrem Vater. Der wird vor allem Anhängern einer anderen ZDF-Reihe bekannt vorkommen. Denn Ernst Stötzner spielt auch in «Helen Dorn» den Papa der Kommissarin. Hier aber ist der Vater eigentlich tot und Klaasen spricht quasi mit dem Nichts. „Für meine Figur ist ihr Vater in diesen Momenten real für sie da. Außerdem ist Ann Kathrin nie über den plötzlichen Tod ihres Vaters hinweg gekommen. Sie hatte keine Gelegenheit, sich von ihm zu verabschieden. Mit ihm zu sprechen, ist ihre Art, damit fertig zu werden“, erklärt Darstellerin Paul. Auch später, im Verlauf des ersten Falls, sind immer wieder Sequenzen zwischen geschnitten, die nichts mit der Realität, sondern vielmehr mit den Sinnen der Ermittlerin zu tun haben. Sie kann es „sehen“, wenn Menschen lügen, wenn sie sich Wahrheiten zurecht biegen. Das hilft bei dem Fall, der dem Pressetext zufolge die „bisherige Vorstellung der Ermittlerin von Gut und Böse“ ziemlich auf den Kopf stellt.
Ulf Speicher (Michael Sideris) liegt mit einem Loch in der Stirn in seiner Küche – erschossen mit einer historischen Waffe. Kai Uphoff (Paul Hinrich Aeils) ist als nächster dran. Seine Leiche wird zwischen den Strandkörben gefunden. Die beiden mit äußerster Brutalität und Präzision getöteten Opfer führen Kommissarin Ann Kathrin und ihre Kollegen Frank Weller (Christian Erdmann) und Rupert (Barnaby Metschurat) zum Regenbogenverein, der sich nicht nur um behinderte Menschen kümmert, sondern auch deren teilweise beachtliche Vermögenswerte verwaltet. Hinzu kommt, dass Klaasen daheim massive Probleme hat. Ihre Ehe ist, salopp formuliert, ziemlich im Eimer. Ihr Ehemann, gespielt von Andreas Pietschmann, hat heimlich eine Freundin. Klaasen weiß das – weil sie es vor ihrem inneren Auge sieht. Sie braucht aber reale Beweise und schnüffelt ihm hinterher. Das kann nicht gut gehen und geht nicht gut. Der Film wählt dabei einen anderen Mix aus Krimi und Privatleben. Dass das ZDF Privates gerne in seine Geschichten einwebt und dabei vor allem auch die weiblichen Krimifans im Kopf hat, ist bekannt. Hier aber werden die privaten Sorgen der Kommissarin nur sehr am Rande erwähnt – im Vergleich zu den Büchern fand gar eine fast schon radikale Kürzung statt.
Stattdessen wird ermittelt und ermittelt, teils in falsche Richtungen. Einer der größten Unterschiede zur Mehrheit der ZDF-Krimireihen ist die stets doch trübe, wenn nicht gar triste Atmosphäre des Films. Gelacht wird so gut wie nie. Das dürfte so gewollt sein, um sich nicht zuletzt auch vom ebenfalls oben im Norden spielenden «Friesland» abzusetzen, das stets humorig-locker angelegt ist. Überbordend lustig zu sein, das ist aber auch gar nicht das Ziel des Autors der Buch-Reihe. Er gibt offen zu, dass seine Hauptfigur viel von ihm auch ein bisschen von seiner Frau habe. „In meinen Büchern ist praktisch alles echt. Die Lokale, die Cafés, die Straßen - es gibt das alles. Ich erzähle mein Ostfriesland. Auch viele Figuren meiner Bücher existieren wirklich, heißen so, reden so, sind so wie beschrieben. Ich frage die Menschen vorher: "Darf ich dein Leben fiktionalisieren? Ich will dich als Typ in meine Bücher holen. Dort wirst du sein, wie du bist, aber du wirst Dinge erleben, die du nie erlebt hast. Vielleicht muss ich dir gar Schreckliches antun“, sagte Klaus-Peter Wolf in einem Interview mit dem ZDF – und weiter: „Die meisten waren einverstanden, ja, stolz darauf. Sie führen jetzt praktisch zwei Leben. Ein echtes und ein literarisches. Zum Bei¬spiel der Maurer Peter Grendel, der Journalist Holger Bloem, der Konditor Jörg Tapper, sind inzwischen zu so bekannten Figuren geworden, dass sie – wenn sie von Fans erkannt werden – Bücher von mir signieren müssen.“
ZDF/Sandra Hoever
Und die nächste Leiche: Langsam wird es anstrengend für die Ermittler Rupert (Barnaby Metschurat, l.), Weller (Christian Erdmann, M.) und Ann Kathrin Klaasen (Christiane Paul, r.). Rupert übrigens wird als ein intriganter, chauvinistischer Zyniker beschrieben, der am Liebsten nur Dienst nach Vorschrift macht.
Jetzt dürften die Menschen von dort noch bekannter werden. Das ZDF zeigt sogar so viel Vertrauen, dass weitere Verfilmungen längst abgemachte sind. Die Klaasen wird von der Romanheldin also zur echten TV-Heldin. Und das ist auch gut so. Womöglich wird die Erzählart zwar den ein oder anderen ZDF-Zuschauer vor den Kopf stoßen. Das aber ist besser als die Produktion des x-ten 0815-Krimis irgendwie und irgendwo in einer deutschen Hauptstadt. «Ostfriesenkiller» hat nämlich nicht nur die Landschaft als eigentlichen Star, sondern auch die vielen, kleinen und feinen Figuren, die dort leben. Das Wiedersehen mit dem zweiten Fall, der den Namen «Ostfriesenblut» trägt, dürfte also wieder eine große Freude werden. Vermutlich wieder ohne Witz und Humor.
Das ZDF zeigt «Ostfriesenkiller» am Samstag, 1. April 2017 um 20.15 Uhr.