Der Regisseur des französischen Überraschungserfolgs «Monsieur Claude und seine Töchter» meldet sich zurück: Mit «Alles unter Kontrolle!» liefert er eine chaotische Abschiebungskomödie ab, die sich weitestgehend um die politische Komponente ihres Themas drückt.
Filmfacts: «Alles unter Kontrolle!»
- Regie und Drehbuch: Philippe de Chauveron
- Darsteller: Ary Abittan, Medi Sadoun, Cyril Lecomte, Slimane Dazi, Reem Kherici, Loïc Legendre, Patson
- Produktion: Romain Rojtman
- Kamera: Vincent Mathias
- Schnitt: Sandro Lavezzi
- Musik: Nicolas Errèra
- Laufzeit: 87 Min
- FSK: ab 12 Jahren
2014 stürmte mit «Monsieur Claude und seine Töchter» eine französische Streitkomödie in die Kinos – und schwang sich zu einem der größten Überraschungserfolge des Jahres auf. Vor allem in Frankreich stellte die Produktion mit Christian Clavier in der Rolle eines erzkonservativen Familienvaters einen gigantischen Hit dar: Rund zwölf Millionen Landsleute lösten eine Eintrittskarte für Philippe de Chauverons Regiearbeit, die in Deutschland mit annähernd vier Millionen Besuchern ebenfalls hervorragend ankam. In einigen englischsprachigen Ländern hingegen
blieb dem Projekt eine Kinoauswertung verwehrt, und frei von Kontroversen war die Multikultikomödie auch nicht: Nicht wenige Kritiker empfanden die Geschichte des sich seiner weltoffenen Restfamilie gegenüber aufwärmenden, grantigen Patriarchen als doppelzüngig – auch wenn die explizit vermittelte Lektion des Films liberal sei, würde der Film mit latent rassistischem Humor aufwarten und somit alles in allem reaktionär auftreten.
Philippe de Chauverons erste Regiearbeit nach dem kontroversen Kassenschlager, «Alles unter Kontrolle!», wirkt vor diesem Hintergrund fast schon wie ein Kompromissversuch: Auf der einen Seite behält der Regisseur und Drehbuchautor Elemente von «Monsieur Claude und seine Töchter» bei. Mit den Darstellern Ary Abittan und Medi Sadoun übernehmen zwei der von Monsieur Claude verachteten Schwiegersöhne die Hauptrollen in der sonnigen Chaoskomödie, und mit der Flüchtlingssituation dient erneut ein sozialpolitisches Thema als Aufhänger. Andererseits: Während Familienpapa Claude lautstark über die Entfremdung im Familienkreis zeterte, halten sich die Hauptfiguren von «Alles unter Kontrolle!» mit politischen Statements zurück. Die Grenzpolizisten José Fernandez (Ary Abittan) und Guy (mit schroffem Ethan-Hawke-Charme: Cyril Lecomte) betonen, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen und Menschen in ihre Herkunftsländer abschieben, immer wieder: "Wir machen nur unseren Job!" Wenn ihre Schützlinge es unfair finden, dass sie Frankreich verlassen müssen, tja, das ist nicht die Schuld von José und Guy.
Auch mit Gags über kulturelle Unterschiede hält sich Philippe de Chauveron weitestgehend zurück. Stattdessen nutzt er die Story zweier Grenzpolizisten, die einen besonders gerissenen Zeitgenossen (Medi Sadoun) nach Kabul bringen müssen und dabei immer wieder mit Beteuerungen überschüttet werden, dass es sich um eine Verwechslung handelt, als Sprungbrett für feucht-fröhlichen Schabernack. Wenn auch nur mit Anlauf: Erst nach einem anstrengenden Einstieg, der José und Guy bei einem anderen Einsatz mit einem dauerquasselnden Flüchtling zeigt, und einer kurzen Phase, in der auch Sadouns Vielleicht-Afghane die Polizisten mit allerhand witzlosen Trashtalk überschüttet, findet «Alles unter Kontrolle!» seinen Groove:
Das Flugzeug, in dem die Cops und ihr Schützling nach Kabul fliegen wollen, hat technische Probleme und muss in Malta zwischenlanden. Dort verwickelt sich das Trio in irrwitzig eskalierende Dialoggefechte, der seine Arbeit lässig hinschludernde Weiberheld Guy findet auf pointiertem Wege seine arbeitsame Seite, José hingegen entdeckt seine humanistische Ader. Und ihr Gefangener macht sich einen Spaß daraus, seine Aufpasser zu verwirren: Ist er Massoud Karzaoui oder nicht, will er nach Kabul, zurück nach Frankreich, nach Algerien? Durch dieses schlitzohrige Hin und Her mausert sich Medi Sadouns Rolle von einer Nervensäge zu einem sympathischen Trickster, der als Motor dieses Films herhält. Allerspätestens, sobald Vielleicht-Karzaoui die Cops um eine letzte Partynacht bittet und sie abfüllt, glüht Philippe de Chauverons Regieführung mit rasantem Timing und einem spritzigen Mix aus Slapstick, Randdetails und Wortwitz.
Ary Abittan derweil hat damit zu kämpfen, dass de Chauverons Skript keine konstante Stimme für den Grenzpolizisten findet: Er ist ein als clever geltender, doppelmoralischer Charmeur, der seine Beziehung leichtsinnig aufs Spiel setzt und der kurz vor einer Beförderung steht, aber von einer Dummheit in die nächste stolpert. Abittan gelingt es trotzdem, dieser Rolle mit einem gewinnenden Strahlemannlächeln und präzisem komödiantischen Timing humorigen Pepp zu verleihen. Wenn Abittan zum Opfer einer Verwechslung und selber für einen Flüchtling gehalten wird, schrammt de Chauveron auch kurzzeitig die politischen Implikationen seines Themas und führt vor, was Flüchtlinge so durchmachen – trotzdem lässt der Regisseur zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran aufkommen, einfach nur unterhalten zu wollen. Viel mehr dreht er die Gagquote weiter auf – zumindest bis zum Finale. Die letzten Minuten plätschern einfach nur aus, und spitzfindige Zuschauer werden ihm für die Schlusspointe erneut Doppelmoral attestieren.
Gemeinhin ist «Alles außer Kontrolle!» aber de Chauverons spritzigere und launigere Regiearbeit – auch wenn sie längst nicht so zielsicher (und kontroverserweise) den Zeitgeist trifft wie der konzeptuell leichter zu verkaufende «Monsieur Claude und seine Töchter».
Fazit: Nach einigen Startproblemen wandelt sich «Alles unter Kontrolle!» zu einem flotten Chaosspaß.
«Alles unter Kontrolle!» ist ab dem 20. April 2017 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.