Märchenparks, Megablockbuster, Sportlerschweiß: Drei Geschäftssparten des Disney-Konzerns, drei Mal lässt der Status quo aufhorchen.
Themenparks, Kreuzfahrtschiffe und mehr: Zu Besuch bei Disney
Einnahmen-Duell der Disney-Geschäftszweige: Studio Entertainment vs. Parks and Resorts
- 2014: 7,28 Milliarden Dollar (Studio) vs. 15,1 Milliarden Dollar (Parks)
- 2015: 7,37 Milliarden Dollar (Studio) vs. 16,16 Milliarden Dollar (Parks)
- 2016: 9,44 Milliarden Dollar (Studio) vs. 16,97 Milliarden Dollar (Parks)
Der Disney-Konzern wurde zwar einst auf dem Geschäft mit Filmen gegründet, doch längst wurden die Bewegtbilder in Sachen Wirtschaftskraft von Freizeitgestaltung unter freiem Himmel überholt: Den Disney-Themenparks und verwandten Businessbereichen wie Erholungsressorts oder Kreuzfahrtschiffen. Im Geschäftsjahr 2016 spülte dieser Konzernzweig 16,97 Milliarden Dollar ins Säckel des Unterhaltungsgiganten, während die Filmsparte 9,44 Milliarden Dollar generierte. Firmengründer Walt Disney würde es zweifelsfrei freuen, könnte er dies miterleben, waren die Erbauung sowie Erweiterung Disneylands nahe Los Angeles und in seinen letzten Lebensjahren die Planung von Walt Disney World in Florida seine Passionsprojekte.
Das 1955 eröffnete Disneyland in Kalifornien stellt die Blaupause für Themenparks in aller Welt dar – und ist derzeit mit über 18 Millionen Besuchern die zweitmeistbesuchte Touristenattraktion ihrer Art. Nur das Magic Kingdom in Walt Disney Resort, quasi der überdimensionale jüngere Bruder des Original-Disneylands, schleust mehr Menschen durch seine Drehkreuze – allein 2015 waren es über 20 Millionen. Walt Disney Parks and Resorts Worldwide, Inc. ist mit seinen zwei US-Resorts, nunmehr drei asiatischen Themenkomplexen und Disneyland Paris der mit Abstand populärste Themenparkbetreiber weltweit – die auf dem Silberrang liegende Merlin Entertainments Group hat jährlich rund 70 Millionen Besucher weniger auf dem Papier.
Doch die Konkurrenz schläft nicht: Das Universal Orlando Resort legte in den vergangenen Jahren mit technischen Innovationen und einer immens beliebten Erweiterung in Form der
Wizarding World of Harry Potter ein enormes Image- und Besucherwachstum hin. Disney's Hollywood Studios, ein vergleichsweise weniger beachteter Park im Walt Disney World Resort, ist für Universal allmählich in Spukweite gerückt – jedoch ist es eben dieser Disney-Park, der in Florida eine kostspielige «Star Wars»-Erweiterung spendiert bekommt. Ein Schelm, wer Disney da die Absicht unterstellt, seinem kränkelnden Spross unter den Florida-Parks einen Vitalitätsschub zu verpassen und so die Konkurrenz wieder auf Abstand zu halten.
Und ein weiteres Sorgenkind bekommt Hilfe von der Konzernmutter: Die Disney Company verhandelt, sämtliche Schulden von Disneyland Paris zu übernehmen und das dahinter stehende Aktienunternehmen komplett zu schlucken. Ursprünglich wurde die Aktiengesellschaft Euro Disney S.C.A. gegründet, an der Disney eine Mehrheit hält, weil die französische Gesetzgebung anderweitig den Bau des Themenkomplexes verhindert hätte – da Frankreichs Hauptstadt Paris jüngst an Attraktivität für Touristen verlor, sind Politiker allerdings offener denn je für rechtliche Umgestaltungen. Die "Eine Hand wäscht die Andere"-Vorstellung dahinter: Ein strahlendes Disneyland Paris, das ganz unter Disneys Kontrolle steht, lockt viel mehr Familien ins Herzen Frankreichs – und senkt so die Hemmschwelle für einen Paris-Trip.
In der Zwischenzeit expandiert, von deutschen Fans noch weitestgehend unbeachtet, das Geschäft mit den Kreuzfahrten munter vor sich hin: Obwohl die Reederei Disney Cruise Line aktuell nur vier Schiffe umfasst, fahren bereits rund drei Prozent aller Kreuzfahrtpassagiere unter der Mäuse-Flagge. Da die Disney Cruise Line seit ihrer Gründung im Jahr 1995 ein ziemlich konstant wachsender Geschäftszweig des Konzerns ist, befindet sich die Expansion bereits in Arbeit: Anfang des kommenden Jahrzehnts werden zwei weitere Schiffe vom Stapel laufen. Selbst als kleine Reederei setzt Disney in der Kreuzfahrtwelt bereits Standards: Die Disney Cruise Line gewann bis dato elf der prestigeträchtigen Cruise Critic Cruisers' Choice Awards und etablierte das seither oft kopierte Konzept der Dinnerrotation – jede Gästekabine hat einen Stammkellner, isst aber nach Plan abwechselnd in verschiedenen Restaurants auf dem Schiff.
Weniger Filme, mehr Kinoevents, gigantische Marken: Disneys Filmsparte lässt die Muskeln spielen
The Walt Disney Company: Ihre zehn erfolgreichsten Realfilme
- «Star Wars – Das Erwachen der Macht» (2015): 2,068 Milliarden Dollar
- «Marvel's The Avengers» (2012): 1,519 Milliarden Dollar
- «Avengers: Age of Ultron» (2015): 1,405 Milliarden Dollar
- «Iron Man 3» (2013): 1,215 Milliarden Dollar
- «The First Avenger – Civil War» (2016): 1,153 Milliarden Dollar
- «Pirates of the Caribbean – Fluch der Karibik 2» (2006): 1,066 Milliarden Dollar
- «Rogue One: A Star Wars Story» (2016): 1,055 Milliarden Dollar
- «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten» (2011): 1,045 Milliarden Dollar
- «Die Schöne und das Biest» (2017): 1,043 Milliarden Dollar
- «Alice im Wunderland» (2010): 1,025 Milliarden Dollar
Stand: 16. April 2017; Weltweite Einspielergebnisse ohne Berücksichtigung der Inflation
Wir blicken zurück auf das Jahr 2003: Dem Disney-Konzern drohte eine feindliche Übernahme durch den Kabelbetreiber Comcast. Wirtschaftliche Schachzüge dieser Größenordnung sind gemeinhin komplex und lassen sie sich nie einfach so herunterbrechen, trotzdem sind sich nicht wenige Branchenkenner einig: Zwei essentielle Ereignisse, die das Blatt für Disney gewendet und die Übernahme verhindert haben, waren die für viele Hollywood-Analysten unerwartet starken Einnahmen zweier Filme, die im zweiten Halbjahr 2003 anliefen. «Fluch der Karibik» segelte damals mit einem weltweiten Einspielergebnis von 654,3 Millionen Dollar auf Rang zwei der erfolgreichsten Realfilme aus dem Disney-Konzern – nur «The Sixth Sense» war wenige Jahre zuvor erfolgreicher. Pixars «Findet Nemo» stellte indes mit 940,3 Millionen Dollar ein regelrechtes Weltphänomen dar.
Die Studiostrategie der Disney-Filmsparte veränderte sich daraufhin sukzessive. Unter dem Label Walt Disney Pictures wurden schrittweise mehr Fantasy-, Action- und Abenteuerblockbuster wie «Das Vermächtnis der Tempelritter» oder «Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia» veröffentlicht, kleinere Familienproduktionen im Stile von «Sky High» traten nach und nach in den Hintergrund. Das Familienkinostigma, das dem Disney-Markennamen anhaftete, löste sich infolgedessen langsam auf. Währenddessen landete Disneys Erwachsenenlabel Touchstone Pictures im neuen Jahrtausend kaum noch Hits, leistete sich gleichwohl mit Filmen wie «Hidalgo – 3000 Meilen zum Ruhm» und «Alamo – Der Traum, das Schicksal, die Legende» kostspielige Misserfolge. Drohende Konsequenzen lagen Mitte der 2000er-Jahre in der Luft.
Im Fahrwasser des Kinostarts von «Pirates of the Caribbean – Fluch der Karibik 2» erfolgte im Juli 2006 letztlich die offizielle Ankündigung des damals noch recht neuen Disney-Geschäftsführers Bob Iger: Er werde angesichts der massiv gestiegenen Kosten in der Filmproduktion den Fokus der Disney-Studios verlegen. Der Disney-Konzern solle weniger Filme pro Jahr veröffentlichen, dafür mehr von ihnen zu Events verwandeln. Als Konsequenz wurde der Output an eigenproduzierten Filmen der Marke Touchstone Pictures massiv eingekürzt (wenngleich von 2011 bis 2016 ein Vertriebsdeal mit DreamWorks Pictures lief), Disneys anderes Erwachsenenlabel Hollywood Pictures wurde komplett eingemottet. Unter dem Disney-Markennamen wiederum wird, von kleinen Ausnahmeprojekten abgesehen, seither verstärkt auf Big-Budget-Spektakel gesetzt.
Diese Strategie hatte Ende der 2000er-Jahre mit leichten "growing pains" zu kämpfen, was zu allerlei Stühlerücken bis in die frühen 2010er-Jahre hinein resultierte. Parallel dazu begann Iger seine Shoppingtour: 2006 machte er aus dem jahrelangen Geschäftspartner Pixar ein Tochterunternehmen Disneys (Kostenpunkt der Übernahme: 7,4 Milliarden Dollar), 2009 folgte der Aufkauf von Marvel Entertainment (für vier Milliarden Dollar), 2012 verkaufte George Lucas zudem seine Produktionsschmiede Lucasfilm an Disney (für etwas mehr als vier Milliarden Dollar). Zum Opfer fiel unterdessen Miramax: Das Label, das Disney seit 1993 einen Stück vom Programmkinokuchen verschafft hatte, wurde 2010 veräußert – und fand unter seinen in hoher Frequenz wechselnden neuen Besitzern bislang nicht zu alter Größe zurück.
Igers Strategie machte sich für den Disney-Konzern allerdings überaus bezahlt – das Geschäft an den Kinokassen brummt und brummt und brummt. 2016 stellte Disney schlussendlich sogleich drei Industrierekorde auf: Mit drei Milliarden Dollar Einnahmen an den nordamerikanischen Kinokassen pulverisierte Disney den bisherigen Bestwert in seinem Heimatmarkt. Mit vier Milliarden Dollar im Rest der Welt wartete obendrein abseits der USA und Kanada ein neuer Rekord – und konsequenterweise wartete mit sieben Milliarden Dollar zudem ein globaler Bestwert. All dies nur ein Jahr, nachdem Disney (direkt auf den Fersen des Konkurrenten Universal Pictures) in den genannten Disziplinen neue studiointerne Bestmarken aufstellte.
Dadurch, dass Disney auf der großen Leinwand zu einer enormen Branchengröße wurde, hat der Konzern, der auf einer singenden, klingenden Maus begründet wurde, etwas geschafft, was Ende der 2000er in Hollywood als unmöglich galt: Disney hat das drastische Wegbrechen des DVD-Markts kompensiert. Noch bis 2008 waren DVDs und Blu-rays eine sehr einträchtige Stütze für die großen Hollywood-Studios – dann sind vor allem in den USA die Verkaufszahlen eingebrochen und drückten so die Einnahmen der Sparte Studio Entertainment.
Viele Hollywood-Konzerne planen, diese wirtschaftliche Delle durch Premium-Video-on-Demand-Modelle auszugleichen, die die Exklusivität der Kinoauswertung untergraben und selbst Blockbuster gegen hohe Gebühr kurz nach oder gar parallel zum Start in die heimischen vier Wände Zahlungswilliger bringen.
Disney jedoch, dessen Kinoeinspielergebnisse emporschießen, verweigert sich diesen Überlegungen. Sehr zur Freude der unter dem Disney-Schirm arbeitenden Filmemacher. Marvel-Studios-Präsident Kevin Feige etwa kommentiert: "Die Filme, die wir machen, genießt man am Besten in einem vollen Saal und auf einer großen Leinwand . Ich hoffe, dass dieses Kollektivereignis noch lange erhalten bleibt."
Sport: Disneys wenig beachtete, massive, wacklige Geschäftssäule
Einige weitere Marken unter dem Disney-Schirm
- Die Muppets (2004 erworben)
- UTV Software Communications (Indisches Entertainmentkonglumerat, 2011 erworben)
- Maker Studios (Online-Netzwerk, 2015 erworben)
- A+E Networks (Disney hält 50% der Anteile, Einstieg erfolgte 1996 durch den Aufkauf von ABC, seither vergrößerte Disney sein Involvement)
- Vice Media (Disney hält seit 2015 20% der Anteile)
- Hulu (Disney hält 30%)
- Hollywood Records (1989 gegründet)
- RTL DISNEY Fernsehen GmbH & Co. KG (Joint Venture mit RTL)
Wer an Disney denkt, mag rasch auf Micky Maus, Donald Duck, Käpt'n Jack Sparrow, Elsa und weitere Helden, die unter dem Walt-Disney-Pictures-Eigennamen beheimatet sind, kommen. Und angesichts dessen, wie eng der Disney-Konzern seit Jahren die eingekauften Marken Pixar, Marvel und Lucasfilm mit seinem eigenen Hauptlabel vermarktet, dürften auch die «Toy Story»-Helden, die Avengers und der «Star Wars»-Kosmos längst Teil der Disney-Assoziationskette sein. Zweifelsohne ist die Filmsparte der Treibstoff Disneys – entspringen ihr doch die Figuren, Geschichten, Welten und Emotionen, die Menschen in Disneys Parks locken und Disney-Merchandisingartikel kaufen lassen. Doch die größte Einnahmequelle der Walt Disney Company wartet weder im Kino, noch im Merchandising der Film- und Comichelden – und nicht einmal in den Themenparks. Der meiste Erlös des Disney-Konzerns entstammt dem Fernsehgeschäft.
Im Geschäftsjahr 2016 brachte die TV-Sparte des Disney-Konzerns annähernd 23,69 Milliarden Dollar ein. Dies umfasst unter anderem das US-Network ABC, der Kabelkanal Freeform sowie die Disney-Marken-Kabelsender Disney Channel, Disney Junior und Disney XD. Noch mehr Abonnenten als die Disney-Familiensender bringt aber die Sportsendergruppe ESPN aufs Papier. Und das hat Gewicht: Der Disney-Konzern generiert über seine Kabelsender mehr als doppelt so viel wie über seine Broadcasting-Sparte – und im Kabelsegment ist die ESPN-Gruppe, an der Disney 80 Prozent hält, ein wirtschaftlich bedeutsamerer Player als der Disney Channel und seine Ableger. 'Forbes' ernannte 2012 die ESPN-Gruppe sogar zum weltweit wertvollsten Mediengut und schätzte ihren Gesamtwert auf 40 Milliarden Dollar.
Doch die Anlaufstätte für Livesport jeder nur erdenklichen Kajüte ist nicht nur eine immens profitable Stütze des Disney-Konzerns, sondern auch seit Jahren ein ewiges Sorgenkind, dem das Etikett "Klagen auf hohem Niveau" anhaftet. So gelang es dem Disney-Konzern nie, die ESPN-Marke international derart zu etablieren, wie es der frühere Disney-Chef Michael Eisner einst prognostizierte: Als Marke für Entertainmentzentren in US-Großstädten ging ESPN baden und abseits von Lateinamerika gibt es nur eine Handvoll von lokalen ESPN-Sendern, die zudem im Sportbusiness nur eine Randerscheinung darstellen.
Und ein weiteres Problem plagt die Sportsender, was Aktieninhaber den amtierenden Disney-Boss Bob Iger bei jeder einzelnen Konferenz spüren lassen: Die Abozahlen brechen ein. 2011 zählte der nordamerikanische ESPN-Hauptsender mehr als 100 Millionen Abonnenten, Mitte April 2017 zählte er bloß noch rund 87 Millionen. Somit gehen Disney nicht nur hohe Summen durch Aboabschlüsse verloren (ein Monat ESPN kostet aktuell 7,21 Dollar, womit er der teuerste Kabelsender in Nordamerika ist), zudem sinken daher die Werbepreise, die Disney von den ESPN-Werbekunden verlangen kann – gleichzeitig befinden sich die Lizenzkosten für die US-Spitzenligen in einem kontinuierlichen Aufschwung.
Nicht zuletzt aufgrund der komplizierten, zweischneidigen ESPN-Situation kommen unregelmäßig Gerüchte auf, dass Disney Netflix oder ein anderes VoD-Portal aufkaufen könnte: Wirtschaftsspekulanten versprechen sich davon, dass Disney ein bestehendes, bei der dem Kabelfernsehen den Rücken kehrenden Altersgruppe beliebtes Modell nimmt und dort Livestreaming von Sportevents etabliert. Damit würden für das Portal neue Kunden gewonnen, die Marke ESPN gestärkt und Disneys Taschen wären noch ein Stückchen voller, wenn es gilt, eine wichtige Lizenz zu erwerben.