Unser Kolumnist vermisst das Label, das Filme wie «Armageddon», «Pretty Woman» und «High Fidelity» veröffentlichte.
Was haben «Zoff in Beverly Hills», «Good Morning, Vietnam», «Falsches Spiel mit Roger Rabbit», «Der Club der toten Dichter», «Pretty Woman», «Vater der Braut», «Sister Act», «Con Air», «Face/Off», «Armageddon», «Der 13. Krieger», «High Fidelity», «Coyote Ugly», «Die Royal Tenenbaums», «Signs» und «Selbst ist die Braut» gemeinsam? Sie alle sind Filme von Touchstone Pictures – und somit aus dem Hause Disney. Klingt komisch, ist aber so. Denn vor über 30 Jahren führte der Unterhaltungskonzern ein Alternativlabel ein, um seinen filmischen Output vergrößern zu können, ohne die Familientauglichkeit seiner Hauptmarke Disney zu verwässern.
Es war ein guter Plan. Ein toller Plan. In den 80ern und 90ern bescherte Touchstone Pictures dem Disney-Konzern einige seiner größten Erfolge jener Zeit und ließ den Respekt vor Disneys Realfilmsparte emporklettern: Aufgrund einer Phase des kreativen Bankrotts in den 70ern noch für lange Zeit verlacht, galt der Realfilm-Output des Mäusekonzerns alsbald als Karrieresprungbrett («Pretty Woman» erschuf Julia Roberts, wie wir sie kennen, Robin Williams wurde durch «Good Morning, Vietnam» vom US-TV-Star zum weltweiten Publikumsliebling) sowie als sicherer Hafen für ins Straucheln geratene Stars (Bette Midlers Popularität war im Sinkflug, dann ging es durch ihre Touchstone-Komödien wieder bergauf). Auch hinter den Kulissen sammelten sich große Namen: Die Karriere von Regisseur und Autor M. Night Shyamalan blühte unter Disneys Erwachsenenlabels auf, Hitproduzent Jerry Bruckheimer absolvierte bei ihnen einige seiner größten Hits der Pre-«Fluch der Karibik»-Ära.
Ein damit verbundener Pluspunkt, den Touchstone Pictures (und dessen weniger erfolgreiches Schwesternlabel Hollywood Pictures) für Disney einbrachte(n): Vitamin B. Stars und Talente, die für Disney erwachsenenorientierte Projekte verwirklichten, konnten im Falle guter Geschäftsbeziehungen leichter zur Kernmarke gelockt werden. Ohne Touchstone Pictures hätten wir vielleicht nie den schnell plappernden, irren Dschinni in «Aladdin» bekommen (Robin Williams im Original). Tom Hanks hegte dank seiner frühen Touchstone-Späße schon eine gute Beziehung zu Disney, ehe er zum «Toy Story»-Sheriff Woody wurde, Tim Allen feierte mit der Touchstone-Sitcom «Hör mal, wer da hämmert» riesigen Erfolg – und wurde zum quintessentiellen Weihnachtsmann in Disneys «Santa Clause».
Eine Reihe von Misserfolgen in den 2000er-Jahren
sowie eine Neuorientierung der Konzernstrategie brachten Touchstone Pictures jedoch einen schleichenden Tod – die vergangenen Jahre diente es ausschließlich als Vertriebsarm für Geschäftspartner Disneys. Eigene Projekte wurden nicht mehr gestemmt, und nun, da die DreamWorks-Vertriebspartnerschaft vorüber ist, steht das Label erst einmal auf verlorenem Boden. Unverdientermaßen. Disney sollte Touchstone aus kreativen sowie wirtschaftlichen Gründen reaktivieren.
Gewiss: Während unter der Disney-Flagge im neuen Jahrtausend eine neue Blockbusterkultur heranwuchs, machte Touchstone wiederholt Miese. Und die frühere "Hier, fast zwei Dutzend Filme!"-Politik des Disney-Konzerns ist heute kaum noch machbar. Aber, zunächst einmal: Der Schwanengesang Touchstones begann, als es aufgegeben wurde, von vorsichtig auserkorenen Ausnahmen abgesehen hauptsächlich in einem begrenzten Budgetrahmen zu arbeiten. Ja, «Armageddon» und «Falsches Spiel mit Roger Rabbit» waren zu ihren Zeiten außerordentlich kostspielig – gemeinhin herrschte bei Touchstone jedoch eine gewisse Zurückhaltung. Dieses Modell wäre unter einer Limitierung der jährlichen Produktionen eine hervorragende Ergänzung des Disney-Portfolios.
Zwei bis vier Produktionen im Jahr. Regelmäßig Mid-Budget-Komödien und kernige, raue Actionfilme für kindgebliebene Erwachsene, doch ohne Superhelden- oder Sci-Fi-Überbau. Totale Marktlücke, heutzutage. Ab und zu ein Drama und ein Film eines anderen Genres dazwischen packen, aber bei allem tunlichst die 100-Millionen-Dollar-Budget-Grenze vermeiden. «Hangover» kostete etwa nur 35 Millionen Dollar, nahm weltweit aber fast eine halbe Milliarde ein und hätte locker in das frühere Touchstone-Angebot gepasst. Und ganz nebenher würde Disney seinem Kerngeschäft im Filmsektor zuspielen: Wie soll je eine Marvel- und «Star Wars»-Müdigkeit entstehen, wenn es neben Comicadaptionen verschiedener Studios sowie Sci-Fi- und Fantasypsektakel für den Fan großer Filme zwischendurch immer wieder andere Happen gibt, die nach der großen Leinwand schreien? Klar, Disney kann diesen Job auch weiterhin Universal und deren «Fast & Furious»-Filmen überlassen. Aber welcher Megakonzern verlässt sich gern auf die Konkurrenz?