Die Kino-Kritiker: «5 Frauen»

In seinem Debüt bringt Regisseur Olaf Kraemer «5 Frauen» in eine eskalierende Extremsituation, um zu entdecken, was passiert. Doch nicht bloß die Erkenntnis dessen ist schockierend, sondern auch der Film selbst.

Filmfacts: «5 Frauen»

  • Kinostart: 04. Mai 2017
  • Genre: Drama/Thriller
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 100 Min.
  • Kamera: Clemens Baumeister
  • Musik: Philipp Fabian Kölmel
  • Buch und Regie: Olaf Kraemer
  • Darsteller: Anna König, Odine Johne, Kaya Marie Möller, Julia Dietze, Korinna Krauss, Stefano Cassetti, Mickey Hardt
  • OT: 5 Frauen (DE 2016)
Regisseur und Drehbuchautor Olaf Kraemer liebt die Frauen. Aus seiner Feder stammen sowohl die Biographie von Uschi Obermeier sowie das Drehbuch zur Verfilmung «Das wilde Leben», als auch der Roman «Das Ende einer Nacht. Die letzten Stunden von Romy Schneider». Als Grund gibt Kraemer an, von der „unsichtbaren Geschichte“ fasziniert zu sein, die Frauen umgebe, und dass sich „ihre Art der Kommunikation von jener der Männer unterscheide“. Außerdem vertritt er die Meinung, Frauen würden es spüren, dass viele Männer „Angst vor der Macht“ hätten, die das weibliche Geschlecht dadurch umgeben würde. Kraemer sei interessiert an „den Konflikten, die aus dieser Konstellation heraus entstehen“. Mit diesem Wissen im Hinterkopf schaut sich sein Debüt als Regisseur direkt ganz anders. «5 Frauen» heißt es und wurde von Kraemer gleichermaßen als Inszenator und Autor beaufsichtigt. Darin wirft er die titelgebenden fünf Frauen in ein unvorhergesehenes Szenario, um zu schauen, wie diese ganz unterschiedlichen Menschen mit einer Extremsituation umgehen. Das Problem: Kraemer überspannt den gut gemeinten Bogen der Storykonstruktion dermaßen, dass man nicht mehr davon sprechen kann, hier würden lediglich Ereignisse aus dem Ruder laufen. Es dauert nicht lange, bis man erkennt, dass all das hier nur passiert, um Twists und Überraschungsmomente zu kreieren, bis vom zu Beginn angedeuteten Realismus nichts mehr übrig bleibt; und Spannung erst recht nicht.

Eine verhängnisvolle Nacht


Marie (Anna König), Anna (Korinna Krauss), Ginette (Odine Johne), Nora (Kaya Marie Möller) und Stephanie (Julia Dietze) sind Freundinnen seit Kindertagen. Wie jeden Sommer treffen sich die fünf Frauen auf dem südfranzösischen Landgut von Maries Eltern, um ein ganzes Wochenende nur unter sich zu sein. Doch ihr Wiedersehen wird gleich in der ersten Nacht gestört von einem Unbekannten, der ins Haus einbricht. In einem Moment des Überschwangs geschieht ein Unglück und so stehen die Freundinnen am nächsten Morgen vor einer Leiche, die sie möglichst unauffällig verschwinden lassen müssen. Als ein attraktiver Fremder auftaucht, der behauptet seinen Bruder zu suchen, wird die Freundschaft der Frauen auf eine harte Probe gestellt.

Die Prämisse um fünf beste Freundinnen, die in jährlicher Regelmäßigkeit gemeinsamen Sommerurlaub in Südfrankreich verbringen und hier schließlich düstere Geheimnisse auf den Tisch kommen, ist zwar nicht besonders originell, aber sie dient schließlich nur als Basis für die eigentliche Handlung. In den ersten fünfzehn Minuten erhält jede der Damen ein rudimentäres, da vornehmlich auf Oberflächlichkeiten basiertes Profil; ist die eine nach einem seelischen Zusammenbruch labil, treibt es die andere noch vor Ort mit dem Partner ihrer besten Freundin. Und wieder eine andere lässt sie erst am zweiten Tag des Wochenendes blicken, nachdem es auf der Fahrt aufs Landgut zu einem Zwischenfall kam. Die Rollen sind schon sehr bald klar verteilt, denn spätestens, wenn in der ersten gemeinsamen Nacht halluzinogene Pilze in den Salat gemischt werden (im Anbetracht von Maries psychischer Verfassung sollte man schon über diesen verantwortungslosen Schritt nicht allzu lange nachdenken), trennt sich die Spreu vom Weizen.

Nun ist klar, wer den Ton angibt und wer offenbar nur mitläuft, was auch direkt zum ersten großen Missverständnis zwischen «5 Frauen» und dem Publikum führt: Setzt die Geschichte oberflächlich auf den Zusammenhalt des weiblichen Geschlechts, der selbst von kleineren Streitereien nicht in seinen Grundfesten erschüttert werden kann, so zweifelt man im Anbetracht der verantwortungslosen Verhaltensweisen sämtlicher Protagonistinnen doch viel zu früh daran, dass man es hier wirklich mit Freundinnen zu tun hat – vor allem miit solchen aus Kindertagen.

Dieser Gedanke, was wäre, wenn man nach vielen Jahren erkennt, dass man sich schon längst auseinander gelebt hat, wäre sicherlich sehr reizvoll gewesen. In «5 Frauen» steht er der eigentlichen Antriebskraft der Geschichte jedoch im Weg. Das überhaupt nicht als homogene Masse funktionierende Figurenkonstrukt der fünf Damen stellt viel zu deutlich die eigenen (eher kleineren als größeren) Dramen in den Mittelpunkt und bremst die Handlung dadurch immer wieder aus. Dabei ist diese sogar recht clever gedacht. Als des Nachts ein Fremder ins Haus eindringt, von den Frauen für einen Gewalttäter gehalten und anschließend erschlagen wird, stellt sich schließlich schon die Frage, was nun getan werden sollte – mit so viel Alkohol und dem Wirkstoff der Pilze im Blut. Dass es der heimlichen Anführerin Nora binnen weniger Sekunden gelingt, die bereits verständigte Polizei wieder abzuwimmeln: geschenkt.

Überkonstruiert und wenig glaubwürdig


Doch derartig konstruierte Kleinigkeiten häufen sich von hier an und nehmen der per se spannenden Ausgangslage jedweden Reiz; am Ende passiert schließlich sowieso das, was die Handlung am kreativsten vorantreibt und nicht das, was inhaltlich Sinn ergeben würde. Die Fragen danach, wer die Leiche ist, was der plötzlich auf dem Gut auftauchende Marek (Stefano Cassetti) mit ihr zu tun hat, der – warum auch immer – rein zufällig am vorherigen Tag noch mit Stephanie geschlafen hat und inwieweit die beiden Männer mit der Vergangenheit der Frauen in Verbindung gebracht werden können, türmen sich zu einer Masse an Zufällen, die für zehn Groschenromane ausreichen würde. Vom hanebüchenen, sich auf oberflächlichste Handtaschenpsychologie-Deutungen verlassenen Finale ganz zu schweigen.

Im Anbetracht der von Olaf Kraemer getätigten Äußerungen über Frauen stellt sich da doch die Frage, ob er glaubt, dass Frauen in einer solchen Situation tatsächlich so reagieren würden. Die Antwort darauf liefern, könnten in erster Linie die Darstellerinnen, wenn man ihnen die mitunter vollkommen absurden Handlungen und Gedankengänge abkaufen würde. In «5 Frauen» ist allerdings genau das Gegenteil der Fall. Während Julia Dietze («Iron Sky») noch am ehesten in ihrer Rolle der undurchsichtigen Femme Fatale aufgeht – von allen jedoch am wenigsten Screentime bekommt – beschränkt sich das Spiel ihrer vier Kolleginnen auf all zu oberflächliche Gesten. Selbst einfachste Dialoge wirken hier auswendig gelernt und wenn Regisseur Olaf Kraemer betont, dass am Set nur wenig improvisiert wurde, dann erkennt man an genau dieser Stelle auch eines der Probleme: «5 Frauen» handelt von Menschen in Extremsituationen. Hier keine Improvisation zuzulassen oder es den Darstellern zu erlauben, vom vorgegebenen Text abzuweichen, lässt das Geschehen – wie hier – viel zu starr und emotionslos erscheinen. Jede Bewegung und jede kleinste Mimik scheinen exakt darauf abgestimmt, wie sie später zu wirken haben; und verfehlen ihre Wirkung dadurch erst recht. Ausgerechnet der einzige Mann im Ensemble, Stefano Cassetti («Jung & schön»), bringt da noch ein wenig Leben ins Geschehen und überzeugt als einschüchternder Fremder.

Fazit


Man möchte Olaf Kraemer das fertige Werk mit den Worten zurück geben, dass dieser erste Entwurf ja immerhin einigermaßen vielversprechend sei, es allerdings noch reichlich Zeit und Arbeit in Anspruch nehme, bis hieraus ein guter Film wird. Große Namen im Cast und die Besinnung darauf, dass all das hier ja reine Fiktion ist, können nichts daran ändern, dass «5 Frauen» darstellerisch, technisch und erzählerisch an allen Ecken und Enden gescheitert ist.

«5 Frauen» ist ab dem 4. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
04.05.2017 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/92864