Die politischen und gesellschaftlichen Debatten haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Es wird Zeit, dass sich das in unseren Serien niederschlägt. Die 70er-Jahre liefern ein Vorbild.
Die politischen Grabenkämpfe schienen ausgefochten. Konsens hatte den Dissens weitgehend verdrängt, die groben Linien und als tolerabel akzeptierten Normen schienen allgemein anerkannt. Dann kamen Brexit, Donald Trump und Frauke Petry, ein Front National, der Familien spaltet, der Rückschlag in eine reaktionäre Ideologie, die für überwunden gehalten worden war. Die politisch ruhige, konsensbehaftete Zeit des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts scheint vorbei.
Irgendwann zwischen 2010 und heute ist eine neue Ära angebrochen. Eine Ära, die sich hinsichtlich der für ausargumentiert gehaltenen Themen stark vom vorherigen Jahrzehnt unterscheidet. Stattdessen wirkt unsere aktuell gelebte Gegenwart wie das Echo einer anderen Zeit – den 1970ern.
Im Weißen Haus saß ein Krimineller, dem kein Winkelzug zu korrupt war, und der eine brutale konservative Ideologie verfolgte. In Frankreich hetzte Jean-Marie Le Pen immer erfolgreicher gegen Juden und Homosexuelle. Im Vereinigten Königreich war die europäische Frage Dauerstreitthema. Und in Deutschland wurden von der Bild-Zeitung Dinge geschrieben und von Mainstream-Politikern wie dem bayerischen Ministerpräsidenten Dinge gesagt, die heute unschreibbar und unsagbar wären. Hoffentlich.
Dieser gesellschaftliche Hintergrund schuf die Basis für ein fiktionales TV-Format, in dem diese politischen und sozialen Themen als Familienstreitigkeiten verhandelt wurden: «Ein Herz und eine Seele» um das reaktionäre Ekel Alfred, seine einfältige Frau, seinen progressiv-liberalen Schwiegersohn und seine gleichsam sozialdemokratische Tochter. Alle wohnten im selben Haus, und an den Tiraden und Ansichten entzündeten sich herrlich überspitzte und die realen bundesrepublikanischen Zustände karikierende Diskussionen. Die angelsächsischen Vorbilder «Till Death Us Do Part» und «All in the Family» waren im gleichen Sinn ein Spiegelbild der zeitgenössischen britischen und amerikanischen Gesellschaft.
Heute gäbe es für ein vergleichbares Format ähnlich viel Nährboden – und vielleicht könnte es uns Halt geben, den Dissens zumindest auszuhalten, beziehungsweise gar einen Ansatzpunkt liefern, um ihn vernünftig zu diskutieren.
In den USA macht die
«Carmichael Show» seit einiger Zeit vor, wie sich eine politisch aufgeladene Sitcom modern erzählen ließe. Vielleicht lohnt sich also für deutsche Serienmacher wieder der Blick in die angelsächsischen Märkte – wie damals bei «Ein Herz und eine Seele».