Ganz gleich, ob unter dem Titel «Fluch der Karibik» oder unter der «Pirates of the Caribbean»-Flagge: Die Disney/Bruckheimer-Saga über Piraten, Flüche und Chaos hat sich in die Popkultur gebrannt. Hinter den Kulissen wechselten sich für Käpt'n Jack Sparrow und Konsorten jedoch Windstillen und kräftige Böen ab – Quotenmeter.de blickt auf die fünfteilige Saga und diverse Stücke Seemannsgarn, die sich um ihre Produktion ranken.
Ein eilig gemeisterter «Fluch der Karibik»
Die zehn teuersten Realfilme unter dem Disney-Markennamen bis einschließlich 2003
- «Fluch der Karibik» (2003; 140 Mio.)
- «Mein großer Freund Joe» (1998; 90 Mio.)
- «Inspector Gagdet» (1999; 90 Mio.)
- «Die Geistervilla» (2003; 90 Mio.)
- «102 Dalmatiner» (2000; 85 Mio.)
- «Flubber» (1997; 80 Mio.)
- «101 Dalmatiner» (1996; 75 Mio.)
- «Der Onkel vom Mars» (1999; 65 Mio.)
- «The Kid – Image ist alles» (2000; 65 Mio.)
- «Santa Clause 2» (2002; 65 Mio. Dollar)
Angaben in US-Dollar, ohne Berücksichtigung der Inflation (Quelle: Wikipedia)
Die legendär gewordene Figur des Käpt'n Jack Sparrow lässt ihr Umfeld immer wieder rätseln: Ist er ein bedauerlich-unfähiger Pirat, der ab und zu einfach nur Glück hat, oder womöglich der wagemutigste und cleverste Pirat aller Zeiten? Irgendwie passend, dass dieses Franchise, das Jack-Sparrow-Darsteller Johnny Depp seine erste Oscar-Nominierung eingebracht hat, seine Anfänge in einem Chaos aus Planung, Wagnis und Glücksfällen genommen hat … Der erste Gedanke, einen übernatürlichen, von der Disneyland-Bahn «Pirates of the Caribbean» inspirierten Piratenfilm anzupacken, kam dem Autoren-Duo Ted Elliott & Terry Rossio bereits in den frühen 90er-Jahren. Die Autoren, die wegen des von ihnen verfassten Zeichentrickhits «Aladdin» eigentlich einen guten Draht zu Disney hatten, stießen allerdings auf verschlossene Türen.
Anfang des neuen Jahrtausends erwärmte man sich im Disney-Konzern gegenüber dem Gedanken, seine Themenpark-Marken für Filme zu adaptieren. Schon 1997 mündete der «Tower of Terror» in einen solide aufgenommenen Fernsehfilm (mit dem deutschen Titel «Im Jenseits sind noch Zimmer frei»), als nächstes konnte man sich vorstellen, den piratigen Fanfavoriten zu verarbeiten – jedoch ließ man das Skript von Elliott und Rossio in der Schublade, um stattdessen Jay Wolpert («Monte Cristo») mit einem geradlinigen Piratenfilm zu beauftragen. Unklar war zu diesem Zeitpunkt, ob es Kino- oder ein Direct-to-DVD-Film daraus werden sollte – bis Anfang 2002 eine Drehbuchüberarbeitung durch Stuart Beattie («Collateral») erfolgte und kurz darauf der damalige Walt-Disney-Studios-Chef Dick Cook Produzent Jerry Bruckheimer vom Projekt überzeugte. Der Produzent, der dem Disney-Konzern diverse Erwachsenenhits wie «Armageddon» und «Con Air» bescherte, empfand das Drehbuch jedoch als blutleer und holte Rossio und Elliott ins Boot, die prompt ihre Idee wiederbelebten, das Piratenabenteuer durch ein übernatürliches Element zu bereichern.
Die zehn teuersten Realfilme unter dem Disney-Markennamen ab 2004
- «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten»* (2011, 378,5 Mio.)
- «Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt» (2007, 300 Mio.)
- «John Carter» (2012; 263,7 Mio.)
- «Pirates of the Caribbean – Fluch der Karibik 2» (2006; 225 Mio.)
- «Die Chroniken von Narnia: Prinz Kaspian von Narnia» (2008; 225 Mio.)
- «Lone Ranger» (2013; 225 Mio.)
- «Die fantastische Welt von Oz» (2013; 215 Mio.)
- «Alice im Wunderland» (2010; 200 Mio.)
- «Prince of Persia: Der Sand der Zeit» (2010; 200 Mio.)
- «A World Beyond» (2015; 190 Mio.)
Angaben in US-Dollar, ohne Berücksichtigung der Inflation (Stand: 18. Mai 2017; Quelle: Wikipedia)
*Angaben zu «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten» sind umstritten
Elliott und Rossio übernahmen einige Grundideen aus Beatties und Wolperts Entwürfen, wie etwa die Figurenkonstellation zwischen Will, Elizabeth und Jack. Nachdem im Mai 2002 Gore Verbinski als Regisseur ausgewählt wurde, musste urplötzlich alles schnell gehen: Wie Verbinski nach Fertigstellung des Films festhielt, wollte Disney den Film unbedingt noch im Sommer 2002 drehen und im Mai 2003 (in den USA) starten, so dass für die Vorbereitung der Drehorte vergleichsweise wenig Zeit blieb. Daher ging ein nicht unbeachtlicher Teil des Effektbudgets dafür drauf, anachronistische Elemente wie Telefonzellen, im Bildhintergrund befindliche Trucks oder Kondensstreifen von Flugzeugen zu entfernen:
Es blieb beim Dreh nämlich nicht genügend Zeit, um störende Elemente vor Ort zu beseitigen oder darauf zu warten, bis sich Kondensstreifen und ähnliche Störfaktoren von allein verflüchtigen. Der hohe Zeitdruck sorgte auch dafür, dass Bildkontinuität eine untergeordnete Rolle spielte – obwohl Gore Verbinski als sehr minutiöser Regisseur gilt, hat «Fluch der Karibik» daher eine Vielzahl an Anschlussfehlern zu bieten, die beim Filmgucken mit Adleraugen auffallen.
Disneys damalige Unerfahrenheit mit Big-Budget-Abenteuerfilmen (zumindest unter dem Disney-Eigenlabel) sorgte hinter den Kulissen indes wiederholt zu Anspannungen – Konzernchef Michael Eisner soll von Depps Schauspiel und Erscheinung schockiert gewesen sein, weil seine Version des Käpt'n Jack Sparrow nichts mehr mit dem konventionellen Piratenhelden im Burt-Lancester-Stil gemein hatte, die in frühen Skriptversionen angedacht war. Anderen Studiovertretern soll beim von Verbinski und Bruckheimer gewählten Gewaltgrad in den Actionszenen mulmig geworden sein.
Das eilige Produktionstempo führte übrigens auch zur berühmten Anekdote, dass Johnny Depp die letzte gesprochene Zeile (bevor Käpt'n Sparrow das Piratenlied "Trinkt aus, Piraten, Yo-Ho" murmelt) verfasst hat, die im Film zu hören ist: Kurz vor Drehbeginn der Szene, in der Jack Sparrow mit seiner geliebten Black Pearl wieder vereint wird, ist es der Stuntcrew gelungen, die Sequenz so zu planen, dass sie visuell ansprechender ausfällt. Ursprünglich sollte Jack Sparrow aus dem Wasser gefischt und auf der Mitte des Schiffs landen, sich kurz mit seiner Crew unterhalten und dann einsam gen Steuerrad schreiten. Die Stuntcrew tüftelte jedoch einen Weg heraus, Jack direkt in der Nähe des Steuerrads abzulassen – was bedeutete, dass für den geplanten Filmschluss (Jack, allein am Steuer) neue Textzeilen hermussten, mit denen der Piratenkapitän seine Crew hinfort befehligt. Die Autoren kamen am Drehtag zwar auf eine annehmbare Befehlskette, doch nur auf einen sehr sperrigen , Abschlusssatz, den sie Depp provisorisch vorgeschlagen haben – er kam danach auf die berühmte Zeile "Bring mich an den Horizont".
Alles wird größer, beim zweiten Mal
„
Ich habe eine Beckett-Theaterinszenierung abgesagt, um «Fluch der Karibik» zu drehen und wurde dafür von meinen Vertrauten angeprangert. Ich konnte nicht ahnen, dass ich mich in die Welt des Popcorns, Wagners, des mythologischen Expressionismus, der fein verwobenen textlichen Intensität und des wahrhaftig shakespearischen Vergnügens, die Weltlage zu offenbaren, begeben würde.
”
Geoffrey Rush über die «Pirates of the Caribbean»-Saga
Mittlerweile ist es bei Disney-Filmveröffentlichungen Standard: Das Titelwirrwarr auf dem deutschen Markt. Die Fortsetzung zu «Fluch der Karibik» war Mitte der 2000er-Jahre ein ungewollter Vorbote dieser von Filmfans regelmäßig mit Augenrollen begrüßten Tradition: In sehr frühen Presse- und Vertriebsmaterialien nannte Disney den Film «Schatz der Karibik», wohl darauf bauend, die Filmreihe in Deutschland als "Karibik"-Saga etablieren zu können. Dieser Arbeitstitel hielt nur kurze Zeit. Frühe Poster, die Disney letztlich aus den Kinos zurückziehen ließ, besonnen sich hingegen auf die Zugkraft des «Fluch der Karibik»-Titels und ließen ihn kurzerhand zum Übertitel werden, während ein Untertitel für Abgrenzung sorgen sollte: «Fluch der Karibik – Die Truhe des Todes». Bekanntlich gab Disney dann aber der US-Marke den Vorzug und ließ den deutschen Titel des Erstlings zwecks Orientierung für das in der Materie weniger bewanderte Publikum stehen – geboren wurde der Filmtitel «Pirates of the Caribbean – Fluch der Karibik 2».
Mit solchen eher mickrigen Problemen hätten sich die Filmemacher wohl gerne rumgeschlagen. Denn trotz eines gegenüber dem ersten Teil enorm gestiegenen Budgets gab es weiterhin Ecken und Kanten, an denen man sparen wollte – nur um dabei vom Pech verfolgt zu werden. So plante man, ein Schiff für eine der Kraken-Actionszenen kontrolliert entzwei zu brechen und dann mit etwas Überarbeitung an anderer Stelle wiederzuverwenden. Ein heftiges Unwetter zerstörte die Schiffsreste nach dem Dreh der Krakenattacke allerdings so sehr, dass eine sechsstellige Summe ausgegeben werden musste, um die Schiffsruine wieder zu reparieren.
Ein glückreicherer Fall von Extraausgaben, um Zeit und Mühen zu sparen: Beim Dreh des ersten Films war die Black Pearl nur ein Set, das auf einem Frachtschiff erbaut wurde und daher bloß aus bestimmten Winkeln wie eine authentische Galeone aussah – Szenen, die das gesamte Schiff zeigen, wurden mittels digitaler Tricks erstellt. Für die Fortsetzungen verlangte Verbinski ein rundum in der Black-Pearl-Optik erbautes Schiff, weil dies die Glaubwürdigkeit erhöhen und die eh stressige Postproduktion etwas entlasten wurde. Diesem Willen wurde stattgegeben – und unter Deck der auf einem motorgesteuerten Schiffs erbauten Black Pearl wurden funktionierende Waschräume (statt mobiler Toiletten wie beim ersten Film), Make-up und Hairstyling-Stationen sowie klimaanlagegesteuerte Abkühlzonen errichtet, um den Dreh auf See effizienter und angenehmer zu gestalten.
Die höheren finanziellen Mittel und die größere Vorbereitungszeit, die Gore Verbinski dieses Mal zur Verfügung gestellt wurden, nutzte der Regisseur aber auch für Spielereien: Die Autoren Ted Elliott & Terry Rossio verrieten Verbinski in der Vorproduktionsphase, dass sie seit Jahren versuchen, in einen ihrer Realfilme eine Szene zu mogeln, in der sich der Schurke auf einem Pferd sitzend via Boot einem Strand nähert. Diese Szene sei jedoch stets sofort verworfen worden, weil sie zu kompliziert vorzubereiten und zu teuer für so einen kurzen Anblick sei. Verbinski aber versprach dem Duo, diese Sequenz in «Die Truhe des Todes» einzubauen – auch gegen das Anraten des Studios. Verbinski erachtete dies als Freundschaftsdienst sowie als eindringliches Bild, das die Arroganz und Großkotzigkeit des piekfeinen Lord Cutler Beckett etabliert, der auf diese Weise den Film betritt.
«Am Ende der Welt» bricht das (weitestgehend) kontrollierte Chaos aus
Zahlen zum Doppeldreh des zweiten und dritten «Pirates of the Caribbean»-Films
- Die Dreharbeiten fanden in sechs Ländern statt
- 141 Tage lang war das zweite Drehteam im Einsatz
- 281 Tage lang war die Hauptcrew im Dienst
- 256 3/8 Seiten Drehbuch
- über 4.000 Crewmitglieder
- 2.868.690 Fuß Film wurden genutzt
- 3.409 Stunden und 24 Minuten Drehzeit
Die ersten beiden «Pirates of the Caribbean»-Fortsetzungen entstanden während eines kleinen Hollywood-Trends, als vermehrt Projekte "back-to-back" entstanden: Statt einen Film abzu drehen, die Postproduktion und die Promo abzuwickeln und dann mit dem Dreh der nächsten Fortsetzung zu beginnen, sollten beide Filme an einem Stück, teilweise ineinander verschachtelt, entstehen – ähnlich wie bei den «Matrix»-Fortsetzungen. Ziel des Ganzen: Eine einfachere Logistik, weil die Drehpläne der Hauptdarsteller für ein langes Unterfangen geblockt werden, statt zwei Mal diesen Terminabfragestress durchlaufen zu müssen. Die Hoffnung auf Kostenersparnis stand ebenfalls im Raum. Und natürlich der Umstand, dass die Filme in einer zügigeren Abfolge veröffentlicht werden können.
Womit vorab jedoch nicht gerechnet wurde: Wenn etwas schief geht, schlägt es ungleich höhere Wellen, so dass sich immer mehr Aufgaben immer weiter nach hinten verschiebten. Laut Drehbuchautor Terry Rossio war es ursprünglich geplant, die Dreharbeiten für beide «Fluch der Karibik»-Fortsetzungen noch im Januar 2006 zu beenden. Dies war jedoch der Stand der Dinge, bevor zwei Hurrikans Set- und Requisitenneubauten forderten und den Terminkalender durcheinanderwirbelten. So rückte der Drehplan für viele Szenen des dritten Piratenabenteuers immer weiter nach hinten, weil die Fertigstellung des zweiten Films aufgrund des näheren Veröffentlichungstermin eine größere Priorität hatte. Weitere Verzögerungen gab es, da zum Teil effektlastige Szenen neu gedreht werden mussten, damit die Animatoren das bestmögliche Ausgangsmaterial erhalten. Schlussendlich endeten die regulären Dreharbeiten für «Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt» erst im Dezember 2006.
Ein vor diesem Hintergrund vergleichsweise überschaubarer Nebeneffekt, zwei Filme dieser Größenordnung in einem Rutsch zu filmen: Bei einer Drehbuchrevision wurden die Szenen nicht richtig gekennzeichnet, so dass die Kostümabteilung Keira Knightley eines Morgens mit dem falschen Kostüm ausstattete. Der Außendreh wurde vorbereitet, ehe zwei Crewmitglieder den wandelnden Kontinuitätsfehler bemerkten. Für die Szene musste ein neuer Drehtermin gefunden und eine andere Szene vorgezogen werden. Ein halber Drehtag ging so verloren sowie "mehrere Hunderttausend Dollar", wie die Autoren zugeben.
Dem parallel zu den Dreharbeiten an «Am Ende der Welt» in der US-Fachpresse breitgetretenen Gerücht, die Produktion habe ohne Drehbuch begonnen, verwehren sich die Beteiligten allerdings bis heute: Die Geschichte beider «Fluch der Karibik»-Sequels hätte vor Drehbeginn bereits gestanden, ebenso wie die einzelnen Sequenzen und der Großteil der Dialogwechsel – nur der explizite Laut einzelner Wortwechsel, manche Stuntdetails und wenige Fragen bezüglich der Szenenreihenfolge wären erst nach dem Fallen der ersten Klappe finalisiert worden. Eine der ersten Passagen des Films, die von allen Seiten abgesegnet wurde: Die Sequenzen in Singapur, von denen der chinesische Darsteller Chow Yun-Fat aufgrund der Sprachhürde möglichst frühzeitig die fertige Version haben wollte. Kleiner Fakt am Rande, der viel über Regisseur Gore Verbinski aussagt: Die Autoren stellten sich vor, die Szene in einem schlichten, aber edlen Tempel spielen zu lassen – er setzte aber durch, Piratenfürst Sao Feng in einem ranzigen, verwinkelten Badehaus voller modriger Details zu zeigen.
Ein Aspekt des Films, der hingegen sehr lange auf wackligen Füßen stand: Aufgrund der lautstarken Fanwünsche und auch Johnny Depps Begehren war es vor Drehbeginn eine unausgesprochene, dennoch abgemachte Sache, dass Keith Richards einen Gastauftritt haben sollte – schließlich war die Rocklegende eine der Inspirationen für Johnny Depps Art und Weise, Käpt'n Jack Sparrow zu spielen. Richards Terminkalender ließ dies jedoch zunächst unwahrscheinlich erscheinen, weshalb der Teil des Films rund um seinen Auftritt herum zuweilen auf der Kippe stand und ein Plan B in der Hinterhand gehalten wurde – Richards Szenen als Hüter des Piratenkodex gehörten zu den letzten, die gefilmt wurden.
Die ungewöhnlichen Produktionsbedingungen führten jedoch auch dazu, dass Hans Zimmer und sein Team bei der Arbeit an der Musik zu «Am Ende der Welt» mehr Zeit hatten als bei den restlichen Filmen der Reihe – was den Weg für einige komplexe Kompositionen bereitete. Das Piratenlied, das den Film eröffnet, ist eine Zusammenarbeit zwischen Hans Zimmer & Gore Verbinski (Musik) und Ted Elliott & Terry Rossio (Text) und zieht sich als instrumentales Stück durch zahlreiche Szenen – ebenso wie eine von Zimmer verfasste Liebessuite. Diese nutzt der Komponist in munterer sowie bittersüßer Form für Will Turner & Elizabeth Swann, in tragischer und verletzter Form für Davy Jones und die Meeresgöttin Calpyso , obendrein wandelt er es als Reisemotiv ab. Des Weiteren dient es einmal mit (von Gore Verbinski gespieltem) E-Gitarreneinsatz als Verneigung vor Ennio Morricone. Die Szene, in der die Black Pearl gezielt zum Kippen gebracht wird, nutzt Zimmer wiederum, um alle wichtigen musikalischen Heldenmotive der Reihe auf den Kopf zu stellen und ineinander zu verschränken.
«Fremde Gezeiten» bringen Ebbe und Flut
Der Stress mit den 3D-Kameras
«Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten» wurde nahezu durchweg mit 3D-Kameras gedreht – bloß eine Szene auf einer kleinen Sandbank musste mit 2D-Ersatzkameras gedreht und konvertiert werden, da die 3D-Kameras zu schwer für den Drehort waren. Die Erfahrungen, die die Filmemacher während der «Fremde Gezeiten»-Produktion gemacht haben, dürften jedoch einer der Gründe dafür sein, weshalb «Salazars Rache» komplett konvertiert wurde: Die 3D-Kameras erwiesen sich als extrem wetterempfindlich und litten unter den tropischen Temperaturen in Hawaii und unter der salzhaltigen Luft auf hoher See.Nach dem immensen Erfolg der ersten drei «Pirates of the Caribbean»-Filme und angesichts Johnny Depps immenser Popularität wurde sein Einfluss auf den Schreibprozess vergrößert: In der Planungsphase setzten sich die Autoren mit dem Oscar-nominierten Schauspieler zusammen, um gemeinsam eine Story zu finden. Auf ein grobes Grundgerüst hatten sich Rossio & Elliott bereits vor Fertigstellung von «Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt» geeinigt – als sie über Tim Powers' Roman «In fremderen Gezeiten» stolperten, den sie als herausragend befanden, drängten sie Disney dazu, sich die Adaptionsrechte an der Abenteuergeschichte zu sichern, damit sie in einem etwaigen vierten «Pirates of the Caribbean»-Film auf Elemente dieses 80er-Jahre-Geheimtipps zurückgreifen können. Blackbeard als Schurke, Zombie-Crewmitglieder, Meerjungfrauen und der Jungbrunnen als Ziel der Reise standen fest – geklärt werden musste indes, wie dies in das etablierte Filmuniversum übersetzt wird.
Einer von Depps Einflüssen: Ursprünglich wollten die Autoren eine unschuldige, junge Seefahrer-Nebenfigur, die (in Anlehnung an den Romanhelden) nach und nach ins verwegene Piratendasein gezogen wird. Depp erachtete dies als unnötige Wiederholung der Will-Turner-Storyline und schlug vor, stattdessen eine Priesterfigur zu wählen – diese Rolle übernahm schlussendlich Sam Claflin. Darüber hinaus war es Depp, der sich am stärksten dafür einsetzte, Käpt'n Jack Sparrow im vierten Film durchweg freundlicher und sanfter zu gestalten als in den vorhergegangenen Teilen. Zwar stimmten die Autoren dem grundsätzlichen Gedanken zu – als Folge der Ereignisse aus den ersten drei Filmen müsste sich Sparrow in diese Richtung entwickeln – jedoch bestand Uneinigkeit darüber, wie brav Sparrow genau werden sollte. Wie Rossio später festhalten sollte, improvisierte Depp am Set daher mehrmals harmlosere Versionen von Sparrows Handeln.
Die Autoren Ted Elliott & Terry Rossio wollten übrigens zunächst das dreckige Piraten-Duo Pintel & Ragetti zurückholen – und weil sie davon überzeugt waren, dass ihre Darsteller Lee Arenberg und Mackenzie Crook mehr Material erhalten sollten, dachten sie sich einen Subplot für sie aus: Beide werden voneinander getrennt, heuern bei je einer der diversen Schiffscrews an, die zum Jungbrunnen segeln, und werden dabei im Glauben gelassen, der jeweils andere sei tot. Im Finale sollte dann die freudige Zusammenkunft gefeiert werden – Regisseur Rob Marshall ließ diesen Handlungsfaden allerdings kippen. Er hatte Sorge, das Budget in die Höhe zu treiben, indem er die zwei Mimen anheuert und Zeit fürs Drehen mit ihnen aufwendet, nur um dann im Schneideraum festzustellen, ihre Szenen zusammenstutzen zu müssen, um den Film zügiger voranschreiten zu lassen.
Einen anderen Kampf konnten die Autoren hingegen erfolgreich schlagen: Wie Terry Rossio in einer Kolumne auf seiner Webseite 'Wordplayer' verrät, waren sich Disney und Schauspieler Kevin McNally, der Jack Sparrows treuen ersten Maat Gibbs spielt, zunächst wegen der Gagenvorstellungen uneinig. Seitens des Studios wurde daher die Idee vorgetragen, das Drehbuch so umzuschreiben, dass eine neue Randfigur (die man mit einem kostengünstigeren Mimen besetzen könnte) Gibbs' Zeilen erhält. Rossio und Elliott entgegneten allerdings, dass es aus erzählerischen und emotionalen Gründen unvermeidlich sei, McNally als Gibbs diese Passagen zu geben – was das Studio davon abhielt, die Figur aus dem Film zu werfen.
Ein Piraten-Wiederholungstäter, dessen Rückkehr ebenfalls zunächst auf der Kippe stand, ist Komponist Hans Zimmer, der nach «Am Ende der Welt» in Interviews erklärte, in Sachen Seefahrermelodien ausgelaugt zu sein. Letztlich wurde er dennoch überredet, mit seinem Team erneut die Musik zum Film beizusteuern. In frühen Interviews im direkten Umfeld des Kinostarts ließ der Oscar-Gewinner noch den üblichen Promo-Optimismus anklingen, er hoffe, die richtige Balance zwischen Nostalgie für die vorhergegangenen Teile und neuen Elementen gefunden zu haben – mit etwas Abstand wurde jedoch öffentlich, dass Zimmer vom Arbeitsprozess bei «Fremde Gezeiten» frustriert war: Es sei zu viel neues Material abgelehnt worden, öfters auch mutigere Neuarrangements bekannter «Pirates of the Caribbean»-Elemente, so dass mehrere Strecken des Films für Zimmers Geschmack zu sehr zu einem Flickenteppich früherer Stücke verkamen.
Der lange, verworrene Weg zu «Salazars Rache»
Piraten der nordamerikanischen Kinokassen
- «Fluch der Karibik» (2003): 305,41 Mio. Dollar, Rang 3 der Jahrescharts
- «Pirates of the Caribbean – Fluch der Karibik 2» (2006): 423,32 Mio. Dollar, Rang 1 der Jahrescharts
- «Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt» (2007): 309,42 Mio. Dollar, Rang 4 der Jahrescharts
- «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten» (2011): 241,07 Mio. Dollar, Rang 5 der Jahrescharts
Manche Kinointeressenten werden sich womöglich fragen: Wieso dauerte es, nachdem «Fremde Gezeiten» 2011 weltweit rund 1,05 Milliarden Dollar einspielte und somit den dritterfolgreichsten Film des Jahres darstellte, bis zum nächsten «Pirates of the Caribbean»-Teil ganze sechs Jahre? Gemessen am modernen Hollywood-Erfolgsfranchise-Tempo ist das schließlich eine recht lange Wartezeit – 2011 kam auch der letzte «Harry Potter»-Film heraus, auf den 2016 der Ableger «Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind» folgte, und die «Transformers»-Filmreihe wartete nach ihrem 2011 gestarteten dritten Teil bereits 2014 mit ihrem vierten Part auf.
Diese lange Wartezeit lässt sich nicht auf einen einzelnen Faktor zurückführen – stattdessen spielten mehrere Aspekte mit rein. Die Vorbereitungen begannen jedoch frühzeitig: Drehbuchautor Ted Elliott, der an den ersten vier Filmen mitwirkte, zog sich zwar zurück, sein Schreibpartner reichte allerdings noch während der Dreharbeiten zu «Fremde Gezeiten» bei Disney und Jerry Bruckheimer einen Storyentwurf für den fünften Teil ein. Trotz des internationalen Erfolgs von Käpt'n Jack Sparrows Jungbrunnensuche wurden die Storyideen für den Film allerdings kritischer überprüft als zuvor: Urteilte die Presse beim zweiten und dritten «Pirates of the Caribbean» gemeinhin, die Filme seien zu kompliziert und verworren erzählt, sollte der vierte Film dem entgegenwirken – woraufhin jedoch seitens der Kritik bemängelt wurde, der Film sei inhaltlich zu lasch. Angesichts dessen, dass zudem auf dem ungebrochen wichtigen Nordamerika-Markt die Einnahmen von «Fremde Gezeiten» klar denen der vorhergegangenen Filme unterlagen, erhöhte sich der Leistungsdruck.
Weitere Verzögerungen beim Skriptprozess entstanden, als der Entschluss feststand, dass nach Regisseur Gore Verbinski, der nach dem dritten Teil abtrat, sowie Drehbuchautor Ted Elliott auch Terry Rossio das Franchise verlässt. Einer der Gründe war nach seinen Aussagen, dass Depp nach dem Misserfolg von «Dark Shadows» keinen weiteren Film mit einer weiblichen Schurkenrolle drehen wollte, was integraler Teil von Rossios Idee war. Mit Jeff Nathanson wurde Anfang 2013 ein neuer Autor gefunden, der bereit war, Elemente aus Rossios Konzept zu übernehmen und eng mit Bruckheimer, dem Disney-Studio und Johnny Depp einen neuen Ansatz zu finden. Ab Mai 2013 stand mit den «Kon-Tiki»-Regisseuren Joachim Rønning und Espen Sandberg zudem fest, wer Regie übernimmt und ebenfalls auf den Inhalt Einfluss nimmt.
Obwohl somit bereits die zentralen Fragen hinter den Kulissen geklärt wurden, geriet im Sommer 2013 weiterer Sand ins Getriebe. Respektive: Der Piratenunternehmung wurde Wind aus ihren Segeln genommen. Der mit Johnny Depp besetzte, von Jerry Bruckheimer produzierte Big-Budget-Western «Lone Ranger» floppte an den US-Kinokassen und wurde von der einheimischen Kritik verrissen. International fiel die Rezeption zwar wärmer aus, doch anders als bei «Fremde Gezeiten» reichte dies noch lange nicht, um die Enttäuschung auf dem heimischen Markt auszugleichen. Es folgte ein
medial breitgetretener Bruch zwischen Disney und Jerry Bruckheimer, in dessen Zuge zudem neu verhandelt werden musste, wie viel Mitspracherecht Bruckheimer beim fünften «Pirates of the Caribbean»-Film eingeräumt wird.
Offizielle Statements über die Folgemonate wurden, wenig überraschend, nicht getätigt. Aber dass ein solcher Clash nach rund zwei Jahrzehnten erfolgreicher Zusammenarbeit sofort vom Tisch ist, dürfte eine utopische Vorstellung sein. Im September 2013 gab Bruckheimer dann zu Protokoll, dass das Skript noch immer in der Entwurfsphase feststecken würde und man daran arbeite, eine Drehbuchversion zu entwickeln, mit der alle Seiten glücklich sind. Dies sollte für rund ein Jahr der Status quo bleiben, was den Druck nicht gerade verringerte: Seit «Fremde Gezeiten» drehte sich Hollywood weiter und die Superheldenfilme schwangen sich zum neuen Blockbuster-König auf – die Fantasy, auf deren Erfolgswelle «Pirates of the Caribbean» segelte, geriet ins Hintertreffen, so dass umso dringender ein attraktives Drehbuch hermusste, um die unvermeidlich hohen Kosten zu rechtfertigen. Kommentare der beiden Regisseure Anfang 2014 deuteten auf ein Abenteuer hin, das Käpt'n Jack Sparrow nach Louisiana führt, als Drehorte seien unter anderem New Orleans und Puerto Rico geplant – aber auch dieser Plan sollte nicht aufgehen.
Wechsel an der Komponistenfront
Nachdem Hans Zimmer mit den Piraten abgeschlossen hatte, bewarb sich einer seiner Schützlinge für den Komponistenjob bei «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache»: Geoff Zanelli («Disturbia»). Er hat zuvor an allen vier Teilen der Saga mitgewirkt und bezeichnet sich selbst als großer Fan, weshalb er unbedingt Zimmers Part übernehmen wollte, als dieser vakant wurde – und tatsächlich wurde Zanellis Bewerbung akzeptiert.Letztlich erwies sich das Unglück eines anderen nautischen Disney-Films als Stein des Anstoßes für die «Pirates of the Caribbean»-Verantwortlichen, sich den nötigen Ruck zu geben und auf einen Kurs zu einigen: David Finchers «20.000 Meilen unter dem Meer»-Neuinterpretation, die in Australien gefilmt werden sollte, wurde aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Disney und Fincher (unter anderem bezüglich des Castings der Hauptrolle) aufgegeben. Disney konnte einen Deal aushandeln, der die ursprünglich für Finchers Projekt beschlossene 20-Millionen-Dollar-Steuervergünstigung retten würde, sollte der fünfte «Pirates of the Caribbean»-Film in Australien gedreht werden. Die Filmemacher beschlossen, Australien als Double für die meteorologisch ungestüme Karibik zu wählen und in Queensland ein aufwändiges Karibikdorf-Set zu erbauen – und endlich fügten sich alle Puzzleteile für «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache».
Im Oktober 2014 begann offiziell die Vorproduktion, im Februar 2015 fiel die erste Klappe. Die Hauptdreharbeiten zogen sich daraufhin bis Juli desselben Jahres. Doch da der Kinostart von Disney auf Mai 2017 gelegt wurde, nutzten die Regisseure Joachim Rønning und Espen Sandberg die lange Postproduktionszeit, um Ende März bis April 2016 zusätzliche Szenen zu drehen, die zuvor unter anderem aufgrund von Terminschwierigkeiten nicht möglich waren. Am 19. April 2017, wenige Tage nach einer sehr warm begrüßten Previewvorführung auf der Branchenmesse Cinema Con, gab Rønning via Instagram bekannt, dass nun auch die Postproduktion (inklusive komplexer Effektarbeit) abgeschlossen wurde. Vom 24. Mai an können sich alle deutschen Piratenvernarrten dann im Kino davon überzeugen, ob sich diese lange Wartezeit gelohnt hat.