Fußball-Kommentator 2.0: Markenbildung dank Social Media?

Mit dem Aufstieg der Sozialen Medien ging auch eine Bedeutungsverschiebung im Kommentatorenjob einher. Wir sprachen mit Sascha Fabian von Sportsfreude über neue Anforderungen an Fußball-Kommentatoren.

Zu #FritzLove

Unter dem Twitter-Hashtag #FritzLove brach, beginnend am 20. April, ein Social Media-Hype um den bei Sky angestellten Fritz von Thurn und Taxis aus, in dessen Rahmen Twitter-Nutzer die besten Sprüche aus Kommentaren des Sportjournalisten rezitierten und sich so vor dem Fußball-Kommentator verneigten. In Folge dessen erregte seine Person viel mediale Aufmerksamkeit und von Thurn und Taxis rückte zunehmend in den Fokus traditioneller Medien. Portraits und Interviewanfragen häuften sich.
20. April 2017, der 30. Bundesliga-Spieltag hatte noch nicht einmal begonnen, da rauschte plötzlich der Hashtag #FritzLove durch die deutsche Twitter-Landschaft, der innerhalb des Bundesliga-Wochenendes heiß laufen sollte. Was hatte es damit auf sich? Der Bremer Kapitän Clemens Fritz fehlte schließlich aufgrund einer Verletzung und überhaupt avancierte doch Teamkollege Max Kruse mit gleich vier Treffern bei Werder Bremen zum absoluten Matchwinner. Twitter-Nutzer beobachteten ein Kuriosum: Wohl erstmalig im Kontext eines Bundesliga-Spieltags standen nicht die Protagonisten auf dem Platz im Mittelpunkt der Sozialen Medien, sondern einer hinter den Kulissen – Sky-Kommentator Fritz von Thurn und Taxis, der sich nach 46 Jahren als Journalist und 24 Jahren bei Premiere, später bei Sky auf dem Weg in die Rente befand.

#FritzLove: Fingerzeig für die Kommentatoren-Zunft?


Die Twitter-Nutzer huldigten dem Kommentatoren-Urgestein, der aufgrund seines antiquierten Vokabulars, laufend falschen Aussprachen von Spielernamen und typischen Interjektionen wie „Huiuiui!“ Fernsehzuschauer lange Zeit auf die Nerven ging, es aber letztlich zum Kult brachte. Auch Dank des Online-Fußballmagazins „FUMS“, das regelmäßig die besten Stilblüten von Kommentatoren wie Béla Réthy, Marcel Reif oder Wolff Fuss sammelt, aber den 66-jährigen von Thurn und Taxis zum König unter den denkwürdigen Zitatgebern krönte. So brachten noch bis zum letzten Bundesliga-Spieltag allerlei Personen in den Sozialen Medien ihre Wehmut zum Ausscheiden „ihres Fritz‘“ zum Ausdruck. Ein Paradoxon, denn eigentlich sollte ein Fußball-Kommentator doch nach dem klassischen Verständnis dieser Berufsart nur das Spielgeschehen kommentieren und einordnen, gegebenenfalls hintergründige Informationen und Statistiken einstreuen - aber doch nicht selbst zum Mittelpunkt des Geschehens werden. Oder?

Auf der Suche nach Indizien dafür, was ein Fußball-Kommentator heutzutage leisten muss, sprach Quotenmeter.de mit einem, der es wissen muss: Sascha Fabian (Foto), Gründer der Agentur „Sportsfreude“, der unter anderem Sportkommentatoren und -moderatoren wie Allrounder Frank Buschmann, Marco Hagemann aus dem Fußball, Elmar Paulke im Darts oder Football-Kommentator Florian „Schmiso“ Schmidt-Sommerfeld seine Klienten nennt. In Bezug auf den sich abzeichnenden Trend, wonach gerade die in Deutschland traditionell eher gemäßigten Fußball-Kommentatoren immer häufiger eine unterhaltende Komponente in ihre fachliche Einordnung des Spielgeschehens einbringen, warnt Fabian vor Pauschalisierungen in Bezug auf die Wünsche der Zuschauer.

„Der eine mag es eher klassisch, etwas dezenter und ihm reicht eine ‚Grundversorgung‘ an Informationen und Einordnungen. Für den anderen gehören unterhaltsame Sprüche und emotionsgeladenes Kommentieren unbedingt zu einer guten Fußballberichterstattung dazu“, beschreibt Fabian seine Beobachtungen, die sogar Zuschauer beinhalte, die jeglicher Kommentar störe. „Aber für diejenigen gibt es ja die tolle Erfindung namens ‚Stadionton‘“.

Social Media: Neue Voraussetzungen für Fußball-Kommentatoren


Zur Person:

Sascha Fabian, geboren am 2. Mai 1982 in Wiesbaden, ist Gründer der Agentur SPORTSFREUDE und verantwortet als Geschäftsinhaber das Klienten- und Testimonialmanagement, sowie den Bereich “Vorträge und Moderationen”. Zu seinen Klienten zählen u.a. die Sportkommentatoren und -moderatoren Frank Buschmann und Marco Hagemann, sowie NFL-Profi Björn Werner.
Dennoch scheinen Fußball-Kommentatoren mehr denn je im Fokus zu stehen, gerade weil nun auch jeder Zuschauer die Möglichkeit hat, über einen Social Media-Zugang seine Meinung zum jeweiligen Sportjournalisten in die Welt zu tragen. Einige Fußball-Kommentatoren nutzen dieser Tage auch selbst gerne die verschiedenen neuen Kanäle um sich ihren Fans und Followern mitzuteilen. Als Vorreiter kann in dieser Hinsicht mit Fug und Recht Frank Buschmann genannt werden, der bei Facebook derzeit auf 480.000 Follower kommt, dort regelmäßig (Video-)Beiträge und Fotos veröffentlicht, Gewinnspiele veranstaltet, Events kommuniziert. Auch sein neuer Sky-Kollege Wolff-Christoph Fuss, der zuletzt immer häufiger Live-Videos kurz vor seinen Einsätzen sendete und darin Fragen beantwortete, kommt bereits auf gut 144.000 Personen, die ihn bei Facebook verfolgen.

Ist im Zusammenhang mit dem verstärkten Einsatz der Sozialen Medien der Versuch zu verstehen, sein Profil als Kommentator in der Öffentlichkeit zu schärfen, die sonst nur als begleitende Stimme bei Sportübertragungen Notiz von den Sportjournalisten nimmt? Ist eine gewisse Markenbildung heutzutage vielleicht sogar notwendig, um als Fußballkommentator richtig erfolgreich zu sein? Auch auf diese Fragen hat Sascha Fabian eine differenzierte Sicht: „Es gibt sehr erfolgreiche Kommentatoren, die mit Social Media überhaupt nichts am Hut haben und trotzdem hervorragend im Business sind.“ Für Fabian sei das eine Typfrage, die Arbeit als Kommentator müsse ohnehin immer im Vordergrund stehen. „Social Media kann das vielleicht begleiten, hier kann auch unmittelbar auf die Fußballfans eingegangen werden. Es kann eine gewisse Nähe zum Fan erzeugt werden“, sagt Fabian über die Vorzüge dieser Kanäle.

Diese Social Media-Präsenz müsse man aber wollen, es müsse einem Spaß machen und auch Gegenwind müsse man natürlich mal aushalten können. Ansonsten sollte man es lieber lassen, findet der Agenturgründer. „Und ich habe übrigens noch von keinem Sportchef gehört, dass er einen Kommentator aufgrund mangelnder Social Media Präsenz nicht eingesetzt hätte“, fügt Fabian hinzu. „Ich glaube, dass die Wahrnehmung - vielleicht auch durch die Sozialen Medien - hier etwas verzerrt wurde. Kommentatoren stehen heute genau so viel oder wenig im Mittelpunkt wie schon vor 60 Jahren auch“, meint der bekennende Sportfan. Jeder Fußballfan habe doch zum Beispiel ganz klar die Stimme von Herbert Zimmermann von 1954 im Ohr, jeder erinnere sich an das herrlich rollende „R“ von Gerd Rubenbauer oder aber das berühmte „N´Abend allerseits“ von Heribert Faßbender.


Haben die Sender nach #FritzLove Blut geleckt?


„Der Unterschied ist: Damals hat man den Fernseher an- und wieder ausgemacht, hat beim Stammtisch vielleicht auch mal über den Kommentator diskutiert und manchmal gab es sogar eine Zeitungskritik, dann musste aber schon etwas sehr Außergewöhnliches passiert sein“, resümiert der gebürtige Wiesbadener über die Vergangenheit des Kommentatorengeschäfts. Heute könne jeder immer und überall im Netz diskutieren, Meinung machen und diese sehr schnell verbreiten. „Da Kommentatoren seit jeher recht stark polarisieren, rücken sie deshalb zwangsläufig etwas mehr in den Mittelpunkt. Meistens unbeabsichtigt und unbewusst“, erklärt Fabian seine Sicht zur zunehmenden Fokussierung auf Kommentatoren. Sicherlich gebe es auch eine gewisse Selbstinszenierung schon immer, „denn jeder möchte doch in irgendeiner Form einen eigenen Stil verkörpern. Das sollte nur nie übertrieben werden.“

Doch haben die Verantwortlichen nach dem jüngsten #FritzLove-Hype vielleicht Finger geleckt und wollen künftig auch mit anderen Kommentatoren eine solche Aufmerksamkeit generieren? Aus den jüngsten Entwicklungen will Sascha Fabian keine Gesetzmäßigkeiten ableiten, die einen Rückschluss darauf zulassen, wonach Sender künftig in einem Sportkommentator suchen. Die Wünsche der Sender seien in diesem Berufsfeld völlig unterschiedlich, das komme tatsächlich ein wenig auf die persönliche Vorliebe und den Geschmack des einstellenden Sportchefs an, erklärt Fabian. „Wichtig ist aber generell, dass der Kommentator sein Handwerk einfach versteht,“ betont der 35-Jährige. „Wenn dann noch eine prägnante, aber nicht zu aufdringliche Stimme mit Wiedererkennungswert dazukommt, sind die Grundvoraussetzungen schon mal nicht so verkehrt.“

Glaubt man den Eindrücken Sascha Fabians, haben sich die Anforderungen an einen Fußball-Kommentator also gar nicht signifikant verändert. Noch immer scheinen die gleichen handwerklichen und fachlichen Qualitäten ausschlaggebend für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn als Fußball-Kommentator zu sein. Die Sozialen Medien brachten dennoch eine Bedeutungsverschiebung für die Kommentatoren selbst, die nun die Möglichkeit haben, auch abseits der Kommentatoren-Box stattzufinden, somit greifbarer für die Zuschauer zu wirken, wobei sie auch die Bereitschaft aufbringen müssen, sich Kritik der Nutzer auszusetzen. Mit der richtigen Social Media-Präsenz haben Kommentatoren die Möglichkeit, eigeninitiativ eine Marke zu bilden und zu festigen und somit trotz eines Jobs, der traditionell im Hintergrund stattfindet, in den Mittelpunkt zu rücken – falls sie dies denn wollen. Ist dies nicht der Fall, sind sie in manchen Fällen dennoch nicht sicher vor den Sozialen Medien und ihren Akteuren. Siehe #FritzLove.
26.05.2017 11:30 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/93324