Wenn ein Film schlecht aus den Startlöchern kommt, wird er gerne mal schon nach der ersten Spielwoche aus dem Programm gekickt. Verdammt schade ...
Es passiert immer wieder. Eine Nischenproduktion startet. Sie läuft schleppend an. Und nach sieben Tagen im Einsatz verschwindet sie vom Spielplan. Nicht bundesweit. Aber in sehr vielen Kinos. Daher gucken viele, die sich diesen Film anschauen wollten, nun in die Röhre. Aus einer 40-minütigen Reise bis zum nächsten Spielort dieser Produktion wird für alle, die nicht in einer Millionenstadt oder deren unmittelbaren Nähe leben, mal eben eine zweieinhalbstündige Anfahrt. Kurzum: Somit ist der Film für viele praktisch gestorben. Aus einem Flopstart wird ein Totalflop. Ein aktuelles, persönliches Beispiel: Kollegin Antje Wessels
empfahl mir die deutsche Dramödie «Die Reste meines Lebens». In der Startwoche war ich schwer beschäftigt, erst am Mittwochabend konnte ich etwas freischaufeln …
Da war der Film jedoch bereits
aus dem Vier-Saal-Arthousekino meines Vertrauens verschwunden. Nicht nur für den einen Tag, sondern dauerhaft. Das nächstliegende Kino, das den Film spielt? Fast zwei Stunden von mir entfernt. Aber zum Glück für diesen armen, braven, kleinen Film hatte ich in der Nähe dieses Kinos wenige Tage später eh etwas zu erledigen. Also habe ich einen Kinobesuch reingequetscht – wo ich übrigens ganz allein im Saal herumsaß. Ich wette, dass auch dieses Kino den Film bald aus dem Programm nehmen wird. Was verdammt schade ist, denn «Die Reste meines Lebens» ist verflixt schön geworden …
«Die Reste meines Lebens» ist kein Einzelfall. Und es ist zudem ein Einzelfall, der mit einem Startwochenende von 1.351 Besuchern durchaus Verständnis für die Kinos erzeugt, die so schnell die Reißleine ziehen. Woche für Woche starten neue Filme, Hits aus den Vorwochen wollen außerdem beibehalten werden. Natürlich werden da Flops als erstes über die Planke geschickt. Aber ich würde ja kaum eine Kolumne über solche "Früh-aus-dem-Programm-kicken"-Fälle schreiben, wäre das Thema so einfach erledigt!
Laut einer kürzlich veröffentlichten FFA-Studie werden 66 Prozent aller Kinobesuche nach der Startwoche abgehalten. Bei Kinogängern über 50 Jahren (gemeinhin die arthouseaffinste Zielgruppe) sind es sogar 74 Prozent. Ein Film, der bereits nach der Startwoche aus dem Programmplan zahlloser Kinos gekickt wird, verliert also einen Großteil seines potentiellen Publikums – und kann logischerweise unmöglich zu einem schleichend an Zugkraft gewinnenden Geheimtipp werden.
Eine simple Kompromisslösung, die ich in solchen Fällen vorschlagen würde: Wenn die Startwoche eines Films katastrophal ausfällt, ist es aus wirtschaftlicher Sicht völlig verständlich, sollte diese Produktion nicht mehr tagtäglich einen oder gar mehrere Slots zur Verfügung gestellt bekommen. Logisch. Aber statt einen Film völlig zu kicken – was spricht dagegen, einen Werktagsslot sowie einen Wochenendslot frei zu halten, so dass in der Startwoche verhinderte Interessenten die Möglichkeit haben, ihn nachzuholen. So wird die Mundpropaganda befeuert. Und wer weiß ..?
Experimentellere Ideen, die mir im Kopf herumschwirren: Wie wäre es mit einer wöchentlichen Sonderprogrammierung, in der von der Kritik gelobte, jedoch kaum besuchte Filme zu einem Sonderpreis vorgeführt werden. Solche Events haben immer das Potential, Stammpublikum zu erzeugen. Wenn einmal die Woche ein Haufen Irrer in eine Sneak geht, um einen demnächst startenden Überraschungsfilm zu schauen, wieso sollten sich nicht auch Leute finden, die Lust auf gute Flops haben? Oder wieso einigen sich Kinos und Verleiher bei Nischenfilmen nicht von Anfang an darauf, diese Projekte nicht täglich zu zeigen – dafür aber garantiert für mehrere Wochen? In Woche eins wechseln sich täglich Geheimtippkandidat A und B ab, in Woche zwei tauschen sie die Wochentage, in Woche drei wird die erfolgreichere Kombi wiederholt. Ist vielleicht ein Risiko, aber das ist der Gedanke "Darauf tippen, dass ab Woche zwei eh keiner mehr den Film sehen will" doch genauso?