Popcorn und Rollenwechsel: Die nervigsten Fandoms
Wenn Leidenschaft nur noch Leiden schafft ...
Begeisterung ist etwas schönes. Zumindest, so lange niemand unter der Begeisterung, die eine andere Person verspürt, leiden muss. Alle, die je mit einer Person zusammenlebten, die sich zu großen Teilen von Stinkkäse ernährt, kennen dieses Gefühl wohl: "Toll, dass du etwas hast, das du genießt, aber wieso muss nun mein Erdbeerjoghurt nach gammligen Eiern schmecken?" Und auch alle, die mit Fußball nichts am Hut haben, aber an einem Bundesligaspieltag in einer Gastgeberstadt die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen wollten, dürften wissen, wie es ist, wenn das Vergnügen anderer Leute Kreise zieht, die einem die eigene Lebensqualität vermiesen.
Als Kinonarr und Schreiberling mit Schwerpunktthema Film und Fernsehen, freue ich mich natürlich immer, wenn eine Person große Freude an dieser Medien- und Kunstform hat. Aber ich kann ebenso über solche Harzer-Roller-Gestank-/Verstopfte-Busse-und-Bahnen-Fälle jammern, die mit meiner Tätigkeit zu tun haben. Und manche Fangemeinden sind besonders penetrant darin, einem die Laune, den Tag, eventuell sogar den Job zu vermiesen.
Seit etwas mehr als einem Jahr ganz vorne mit dabei: DC-Fans, die in der Pre-«Batman v Superman»-Ära noch ganz anders tickten als aktuell. Über «Man of Steel» ließ sich online direkt nach Kinostart noch inhaltlich debattieren – ist es in Ordnung, den Film zu mögen, selbst wenn er Superman rauer und verantwortungsloser interpretiert als er zumeist verstanden wird? Manche DC-Fans waren dafür, andere nicht, und wieder andere beurteilten den Film unabhängig davon. Seit «Batman v Superman» sind diese Diskussionen jedoch passé: Eine laute, äußerst anstrengende Minderheit aus der DC-Fangemeinde hat sich in den Kopf gesetzt, dass Kritiker gefälligst alle DC-Comicadaptionen bedingungslos zu feiern haben. Und wenn sie dieser Erwartungshaltung nicht gerecht werden, ja, dann … Lügenpresse! Lügenpresse! Marvel hat auch geschmiert und ihr seid eh zu kleingeistig, um die intellektuelle Brillanz dieser CG-Effektschlachten zu begreifen! Lügenpresse!
Bevor nun irgendwer ankommt und behauptet: "Aha! Siehste! Weil dich die DC-Fans nerven, rächst du dich, indem du die von ihnen heiß erwarteten Filme niederschreibst", muss ich loswerden, dass die «Star Wars»-Fangemeinde im Onlinediskurs mindestens genauso schlimm ist wie das DC-Fandom. Und dennoch kamen die zwei vergangenen «Star Wars»-Filme bei mir gut weg. Was mich schon bei manchen «Star Wars»-Anhängern zum Staatsfeind Nummer eins macht.
Denn: Es gibt eigentlich, zumindest in der groben Internet-Debattenkultur, gar nicht "das eine «Star Wars»-Fanuniversum". Stattdessen existieren Dutzende kleiner Fraktionen, die sich gegenseitig an die Gurgel springen und Webautorinnen sowie Webautoren direkt mit in diesen Wutsumpf ziehen. "Alles, was George Lucas gemacht hat, war perfekt, alles danach war Mist – und wer anderes behauptet, ist eine dumme, von Disney geschmierte Sau!" "«Star Wars» ist für die ganze Familie gedacht, und wer diesen düster-brutalen Dreck wie «Rogue One» feiert, verrät unsere Kindheit!" "«Star Wars» war schon immer mutig, und wer den neuen Kleinkinderkram rechtfertigt, gehört gesteinigt!" "Das Imperium war gar nicht böse, ihr seid alle gehirngewaschen!" "«Star Wars» gehört uns weißen Singlemännern!" "«Star Wars» gehört allen!" Wer über «Star Wars» schreibt, wird ab einer gewissen Reichweite zwangsweise von einer dieser Splittergruppen (oder sogleich mehreren) gesteinigt. Da führt kein Weg dran vorbei.
Mit viel, viel, viel Glück und Geschick lässt sich bei diesen Splittergruppen der «Star Wars»-Fangemeinde ja noch immer ein Austausch auf Augenhöhe einläuten – ganz im Gegensatz zu den Anti-Synchro-Jüngern. Jedes verflixte Mal, wenn man eine Synchronfassung positiv erwähnt oder auch nur eine neutrale News über deutsche Synchronarbeiten veröffentlicht, kommen sie aus dem Gehölz gekrochen und beschimpfen all jene Ignoranten, die es wagen, einen Film nicht im Original zu schauen. Keine Widerrede.
Und dann sind da noch die "Du sollst keinen anderen Gott neben John Williams haben"-Fans. Wird irgendein anderer Komponist gelobt, fühlen sie sich sofort auf den Plan gerufen, diese Legende noch stärker zu loben. "Hans Zimmer ist mächtig überschätzt", heißt es dann. "Wenn du dir 25 Scores von dem anhörst, klingen drei davon total ähnlich!" Ganz im Gegensatz zu Williams natürlich, der nicht nur denkwürdige Musikthemen verfasste, sondern auch dafür sorgte, dass «Superman», «Indiana Jones» und «Star Wars» so unterschiedlich klingen wie Helene Fischer, Rammstein und Herbert Grönemeyer. Und ein "Michael Giacchino ist hier deutlich von John Williams inspiriert" wird prompt mit einem "Michael Giacchino ist zwar ganz nett, aber noch lange nicht der neue John Williams" quittiert.
Leute, wir alle haben unsere Passionen. Aber wollen wir sie nicht lieber feierlich ausführen, statt mit Ellenbogen und Messer zwischen den Zähnen?