In Amerika fuhr die Serie trotz einheitlich schlechter Rezensionen gute Quoten ein. Aber die Kritiker sollten die Oberhand behalten: Nach zwei Staffeln wurde die Serie rund um den brillanten Pathologen Dr. Beaumont Darius Rosewood, Jr. abgesetzt. Zum Auftakt der Serie im deutschen Fernsehen legen wir sie auf den Seziertisch und klären die Todesursache. War es tatsächlich „Mord“ an einer eigentlich guten Serie oder hatten die Kritiker Recht und die Serie starb eines natürlichen Todes?
Erst einmal zur Prämisse: Ein brillanter Pathologe schließt sich mit Gesetzeshüter zusammen, um Verbrechen aufzuklären. Unterstützt wird dieser dabei von einem facettenreichen Team, das sich hauptsächlich aus anderen Ärzten zusammenschließt. Außerhalb der Fälle wird das Privatleben der Figuren erforscht und natürlich darf eine Prise Grundsatzdiskussion nicht fehlen, denn Pathologe und Gesetzeshüter könnten nicht verschiedener sein. Bei «Jeopardy» hieße es jetzt: Was ist «Bones»? Denn seit 2005 setzte diese Serie dasselbe Konzept mit 246 Folgen erfolgreich um. Warum schafft es
«Rosewood» also nicht, das Loch zu füllen, das seit dem Serienende von «Bones» im März existiert?
Es mangelt an Substanz, meinen die amerikanischen Kritiker. Der Dialog sei oftmals hölzern, es gäbe fast keine Figuren, die keine ulkigen Besonderheiten haben und das Tempo sei viel zu langsam. Auch Titelheld Rosewood findet keinen Anklang. Der „Beethoven der Pathologie“ bewirbt seine Fähigkeiten weit und breit auf Plakatwänden, denn jeder weiß: Bei der Auswahl des Gerichtsmediziners kommt es vor allem auf Qualität an.
Nun gut, als privater Pathologe muss er ja irgendwie an Kunden kommen, aber ob Großflächenwerbung dafür wirklich die beste Wahl ist, ist zweifelhaft. Die Serie möchte ganz klar zeigen, dass er der Beste ist: So gut sogar, dass er Obduktionen regelmäßig in Alltagskleidung durchführt, ohne Haarnetz, Kittel, Schuhüberzieher oder Maske. Doch dort hört die Absurdität noch nicht auf. Denn Rosewood leidet an einer Herzkrankheit, aufgrund derer er wahrscheinlich nicht mal das Ende des Jahrzehnts miterleben wird. Deswegen klammert er sich ans Leben und versucht, jeden Tag voll auszuleben. Eigentlich nur logisch, dass ein solcher Mensch nicht nur keine Probleme mit dem Tod hat, sondern auch noch sein restliches Leben damit verbringen will, über den Tod anderer nachzudenken… oder? Die Grundmotivation der Figur ist also, dass er nicht sterben möchte … wie so ziemlich jeder andere Mensch auch ..
Lichtblicke bietet Morris Chestnut
trotz seiner Rolle. Denn er bringt eine gehörige Portion Charme und es wirkt fast so, als ob er sich mit aller Kraft gegen die Limitationen seiner Figur und der Dialoge stemmen würde. Leider reicht Chestnuts Charme nicht aus, um die Serie und die Figur interessant zu machen. Außer seiner Herzkondition und seinem übergroßen Ego bietet der Doktor fast keine Charaktermerkmale. Nun gut, die Serie möchte ihn zwar außerdem als äußert schlau darstellen, aber selbst das gelingt nicht auf überzeugende Weise. Die „Hinweise“, die Rosewood sieht, werden dem Zuschauer in kleinen Einblendungen gezeigt. „Hinweise“ übrigens nur in Anführungszeichen, weil «Rosewood» die Art von Show ist, in der Leute anscheinend ihre persönliche Gegenstände (und auch
nur die, die einen Hinweis auf ihre Gewohnheiten schließen lassen) schön und ordentlich für jeden sichtbar drapieren. Das beste Beispiel dafür ist Detektivin Villa, die vor ihrem ersten Treffen mit Rosewood ihren Ehering und ihren Nikotin-Kaugummi säuberlich auf einem weißen Handtuch platziert, das Rosewood dann zufällig bemerkt. Um dann zu erkennen, dass diese Frau mal verheiratet war und früher geraucht hat, braucht es wahrlich den Beethoven der Pathologie. Dass Villa eine Polizistin ist, die nicht nach den Regeln spielt, zeigt die Serie genauso subtil: Nämlich, in dem sie willkürlich Grundrechte verletzt und sich nicht einmal annähernd an die Basis des Justizsystems hält.
Die akzeptablen Quoten, die «Rosewood» in den USA verbuchen konnte, stammen wahrscheinlich einfach daher, dass die Serie kurz vor dem eigentlichen Primetime-Highlight «Empire» lief. Ob «Rosewood» die deutschen Zuschauer begeistern wird oder ob es doch nur ein Wegwerf-Format ohne eigenen Halt ist, wird sich zum 1. Juli zeigen. Am Samstag um 23:10 Uhr feiert die Serie ihre Free-TV-Premiere bei kabel eins.