Im ZDF entwickelte sich «Bares für Rares» zum absoluten Quotenphänomen, auch in der Primetime. Nun findet das Format Nachahmer. Wir sprachen mit Horst Lichter über die Faszination von Trödel-Sendungen.
Wenn man dieser Tage von Quoten-Phänomenen und Zuschauermagneten im deutschen Fernsehen spricht, führt an einem Format kein Weg vorbei: «Bares für Rares» schwang sich innerhalb der vergangenen drei Jahre zu einem der Erfolgsformate des ZDF auf. Blickt man auf die ersten Schritte zurück, die die Sendung im Fernsehen ging, wirkt diese Erfolgsgeschichte umso erstaunlicher. Nachdem die Sendung im August 2013 ihre Premiere bei ZDFneo feierte, testete das Zweite ab Februar 2014 «Bares für Rares» erstmals im Hauptprogramm am Sonntagnachmittag, wo das Format sich in fünf Folgen vom Ladenhüter zum Kassenschlager mauserte. Ab Mitte Juli 2014 vertraute das ZDF der Doku-Soap mit Horst Lichter den mittlerweile gelernten 15 Uhr-Sendeplatz am Werktag an. Seitdem sorgt der Aufstieg von «Bares für Rares» zum mittlerweile erfolgreichsten Daytime-Format des ZDF immer wieder für Augenreiben.
Dabei wirkt das Thema, das die Warner Bros.-Produktion behandelt auf dem Papier recht unsexy, ja geradezu banal. Es geht um Trödel. Jeder hat ihn, meist staubt er auf dem Dachboden oder im Keller, oft ist er wertlos. Doch die Sendung, in der eingeladene Bewerber Antiquitäten und seltene Gegenstände zunächst einem Experten zur Wertschätzung vorstellen und später mit Händlern um einen Verkaufspreis feilschen, lockt gegenwärtig am Tage so viele Zuschauer vor die Bildschirme wie keine andere Sendung. Als die Marktanteile von «Bares für Rares» längst durch die Decke gingen, widmete das ZDF der Sendung erstmals ein Primetime-Special. Die Folge: Großartige 6,12 Millionen Zuschauer und der Tagessieg bei Jung und Alt. Auch für den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis wurde «Bares für Rares» in diesem Jahr nominiert. Wie kann das sein? Quotenmeter.de sprach mit «Bares für Rares»-Moderator Horst Lichter über die Hintergründe des Sendungserfolgs.
Ehrlich, menschlich, deutsch: Geht erfolgreiches Fernsehen so einfach?
Zur Person: Horst Lichter
Horst Lichter wurde am 15. Januar 1962 in Nettesheim geboren. Mit 14 Jahren absolvierte er eine dreijährige Ausbildung zum Koch. Von 1989 bis 2010 betrieb Lichter in Butzheim bei Rommerskirchen sein Restaurant "Oldiethek", 1999 folgten erste Auftritte im Fernsehen. Bundesweit bekannt wurde er durch Johannes B. Kerners wöchentliche Kochshow, später durch «Lanz kocht» und vor allem durch "Lafer! Lichter! Lecker!". Die Trödel-Doku-Soap «Bares für Rares» moderiert Horst Lichter seit dem Start des Formats im August 2013, im Februar 2014 wechselte das Format ins ZDF-Hauptprogramm. Neben seinem Fernsehengagement schrieb Lichter mehrere Bücher, zudem tritt er als Entertainer auf Bühnen auf.Horst Lichter erklärt den zunächst paradox anmutenden Erfolg von Formaten über Trödel mit einem Wort: „Ehrlichkeit!“ Dieses Erfolgsgeheimnis liegt seiner Ansicht nach natürlich auch dem Hype um «Bares für Rares» zugrunde. „«Bares für Rares» ist ein ehrliches Format, nichts ist geskriptet. In 8 Minuten erzählen wir abgeschlossene Geschichten. Geschichten rund um die Menschen und deren mitgebrachte Gegenstände“, bringt Lichter das Konzept des ZDF-Formats noch einmal auf den Punkt. Diese Geschichten, so Lichter, können mal eine Komödie, mal ein Thriller, oder auch mal eine Tragödie sein. Zu guter Letzt sei «Bares für Rares» aber einfach menschlich, ganz ohne jemanden vorzuführen.
Bei derartigen Formaten gehe es Lichters Ansicht nach außerdem um Werte, „die teils vielleicht in Vergessenheit geraten sind, aber die trotzdem jeder nachempfinden und bei sich selbst finden kann. Sowohl im Menschlichen als auch in den Gegenständen.“ Gleichzeitig, dies lässt der 55-jährige unerwähnt, stellt «Bares für Rares» aber wie kaum ein anderes Format ein deutsches Lebensgefühl zur Schau. Wohl kein anderes Land hat eine derartige Flohmarkt- und Dachboden-Kultur wie Deutschland. Der Deutsche hortet im Keller oder unter dem Dach und ist er dessen überdrüssig, bringt er seinen Krempel in Umlauf und trennt sich von ihm in Tauschbörsen, Märkten oder Internet-Portalen. Die Vermutung liegt nahe, dass sich Zuschauer auch für den Wert der in «Bares für Rares» feilgebotenen Gegenstände interessiert, weil sie sich erhoffen, selbst insgeheim auf einem versteckten Schatz zu sitzen.
Trödel, Kitsch und Kunst: Kein Neuland im deutschen Fernsehen
Dieser womöglich heimlich gehegte Wunsch schließt alle Schichten und Altersgruppen der Gesellschaft mit ein. Demnach verneint Lichter auch die Frage, ob denn «Bares für Rares» oder andere Trödel-Formate eine bestimmte Zielgruppe ansprächen. Dabei verweist der Moderator auf die Quoten seiner ZDF-Sendung, die bei Jung und Alt hervorragend ankommt und liefert gleich noch eine Erklärung mit: „Jeder kann sich damit auf seine Weise identifizieren. Darum ist die Sendung auch altersübergreifend erfolgreich.“
Dabei stellt «Bares für Rares» bei Weitem nicht das erste Format seiner Art dar. Verschiedene Komponenten der Nachmittagssendung erkennt man auch in etlichen vergangenen Formaten wieder. Der Hessische Rundfunk fragte etwa einst «Kitsch oder Kunst?» und der SWR «echt antik?!», wo übrigens auch der Kunstsachverständige Albert Maier in Erscheinung trat, der nun in Diensten von «Bares für Rares» steht. In eine etwas andere, aber doch nicht ferne Kerbe schlugen der «Trödel-King» des WDR oder der «Trödeltrupp» (Foto), der dieser Tage bei RTL II sogar seine 600. Folge feiert. Letztere halfen und helfen vor allem Menschen, die zum einen Ordnung, zum anderen einen Gelderlös gut gebrauchen können. In den Dritten finden sich beim BR mit «Kunst und Krempel» oder beim NDR mit «Lieb und Teuer» außerdem weitere Sendungen um versteckte, als Trödel getarnte Schätze.
Erfolg bringt Nachahmer
So viel zur Historie derartiger Sendungen im deutschen Fernsehen, mit dem neuerlichen Hype um «Bares für Rares» schicken sich nun aber auch neue Formate an, im Fahrwasser des ZDF-Vorbilds Erfolge zu feiern. Das Trödel-Genre, wenn man es denn so nennen will, ist am Florieren. Vor allem RTL II wittert nun eine Chance, vom Interesse der Fernsehzuschauer zu profitieren. Anfang März zeichnete der «Trödeltrupp»-Sender die Pilotsendung von «Schätz Dich reich – Das Trödelquiz» auf, wobei RTL II mit der Kombination aus Trödel-Format und Quiz eine ähnliche Idee kam wie ZDFneo, das mit «Clever abgestaubt» im Frühjahr jedoch keine spektakulären Zahlen erzielte. Im Hauptprogramm unternimmt das ZDF ab dem 9. Juli einen weiteren Versuch, Antiquitäten und Ratespiele in «Gut geschätzt gewinnt» zu vereinen. Doch damit nicht genug von RTL II und dem ‚kleinen ZDF‘. Am 26. Juni startet bei ZDFneo mit «Viel zu bieten» eine Art Mix aus Trödel- und Verhandlungsshow und RTL II zeigte am 13. Juni erstmals das abendfüllende «Trödelboom und Schnäppchenjagd», dessen Quote allerdings in der Zielgruppe den Senderschnitt nicht einhielt.
Sind die Erfolge, die «Bares für Rares» dieser Tage Woche für Woche erzielt, überhaupt replizierbar? „Für mich persönlich geht das nicht“, meint Horst Lichter. „Wirklich kopierbar wäre es nur unter den exakt gleichen Voraussetzungen. Wir haben einfach ein traumhaftes Team, und sind mittlerweile Freunde, die mit viel Spaß bei der Sache sind.“ Dieser Zusammenhalt und die Freude, die das «Bares für Rares»-Team dabei habe, sei nur sehr schwer zu kopieren.
«Bares für Rares»: Prime- oder Daytime, das ist die Frage
Unsere Meinung zum Primetime-Special der Trödelshow
So ist es zwar zunächst einmal etwas gewöhnungsbedürftig, Lichter mit seinen Experten nun nicht mehr in einer muffigen Bude, sondern vor einem Schloss unter freiem Himmel und von Publikum umkreist zu sehen, wirkt aber visuell nach kurzer Eingewöhnungsphase doch eigentlich weitaus edler und ästhetischer als das altbekannte Studio. Ebenso der Raum der Experten, in diesem Fall ein großes Zimmer inmitten des Schlosses. Für eine Fließbandproduktion im täglichen Programmplan wären die Kosten und Mühen sicherlich zu hoch, für ein großes 90-minütiges Special allerdings erscheint dieser Rahmen durchaus angemessen.
Weiterlesen in "Etwas mehr Hochglanz bei etwas weniger Charme" von Manuel Nunez SanchezIm Gegensatz zur RTL IIs «Trödelboom und Schnäppchenjagd» hat «Bares für Rares» jedenfalls gezeigt, dass es auch in der Primetime bestens bestehen kann. Ob dies ein Zukunftsmodell ist, bleibt jedoch abzuwarten. „Ich kann mir die Sendung, gut dosiert, auch in der Primetime weiterhin wirklich gut vorstellen“, erklärt jedenfalls Horst Lichter, der damit gleichzeitig durchklingen lässt, dass eine regelmäßige Ausstrahlung zur besten Sendezeit für das Format wohl noch nicht die beste Herangehensweise wäre. Die Quoten bewiesen aber, so der Rheinländer, dass «Bares für Rares» in der Primetime funktioniert und großen Anklang findet.
Dabei muss das Team jedoch aufpassen, den Charme im Rahmen seiner Primetime-Specials zu konservieren, der dem Format laut einiger Beobachter in der ersten Abendausgabe etwas abging. Zwar wirkte der größere Rahmen, den «Bares für Rares» im Zuge dieser in und um einem malerischen Schloss aufgezeichneten Spezial-Ausgabe erhielt, durchaus angemessen und sehenswert, mit Steven Gätjen, der die Kandidaten und ihre Angehörigen im Umfeld ihrer Verhandlungen befragte, rückte «Bares für Rares» damit jedoch mehr in die Nähe von Reality-Formaten und auch die Promi-Auftritte von Boris Becker und Bernhard Hoecker könnten die Identifikation der Zuschauer mit den sonst so normal und natürlich wirkenden Protagonisten untergraben.
«Bares für Rares», das dieser Tage trotz allem Trödel-Hype der einzige wirkliche Zuschauerhit dieser Programmfarbe im deutschen Fernsehen bleibt, muss sich also die Frage stellen, wie es damit umgehen will, sollte der großartige Erfolg von Dauer sein: Wird das Format opulenter, inszenierter, primetime-tauglicher – und damit unnatürlicher? Oder verlässt man sich auf das bisherige, für einen Primetime-Sendeplatz eher ungewöhnliche Erfolgsrezept – in Horst Lichters Worten – mit Ehrlichkeit und Menschlichkeit?