Bevor das ZDF in wenigen Monaten Jan Weilers Bestseller als Serie adaptiert, legt Leander Haußmann mit seinem «Pubertier»-Kinofilm die Messlatte recht hoch – unter anderem Dank eines einmal mehr herrlich aufgelegten Jan Josef Liefers.
Filmfacts «Das Pubertier»
- Regie: Leander Haußmann
- Drehbuch: Leander Haußmann; nach dem Roman von Jan Weiler
- Produktion: Günter Rohrbach
- Darsteller: Jan Josef Liefers, Heike Makatsch, Detlev Buck, Monika Gruber, Harriet Herbig-Matten, Justus von Dohnányi, Luise Kinseher, Waldemar Kobus
- Kamera: Alexander Fischerkoesen
- Laufzeit: 91 Minuten
- FSK: ab 6 Jahren
Die Pubertät. Eine Phase großer Veränderungen – nicht nur am sowie im Körper des Pubertierenden, sondern auch im Leben jener, die dieses "Pubertier" erziehen. Während die Auswirkungen einer Pubertät im Kino bereits unzählige Male aus der Perspektive der zwischen Kindheit und Erwachsensein feststeckenden Personen komödiantisch thematisiert wurden, wurde die Elternsicht der Dinge bisher kläglich vernachlässigt. Möglicherweise, weil Teenager eine umsatzstarke Kinozielgruppe sind, und mit Mischbier, Nachos inklusive Soße und Popcorn bewaffnet liebend gern ihre Sorgen und Ärgernisse als «Eis am Stiel», «American Pie», «Superbad» oder «Einfach zu haben» aufbereitet auf der Leinwand genießen. Für die Sicht ihrer Eltern könnte sich das Klischee-Pubertier hingegen nicht weniger interessieren – während die Eltern gar keine Zeit haben, ins Kino zu pilgern.
Dem Ruf eines Bestsellers verweigern sich Kinoproduzenten dennoch nur ungern. Und so ist es der auflagenstarken Geschichtensammlung «Das Pubertier» aus der Feder des Journalisten und Schriftstellers Jan Weiler zu verdanken, dass jetzt doch einmal die Elternperspektive als Sprungbrett für launige Filmeskapaden genutzt wird. Und das ist nur der Anfang, denn im Herbst startet im ZDF «Das Pubertier – Die Serie». Abgesehen davon, dass Buchautor Weiler an beiden Projekten mitwirkte, besteht jedoch keine Gemeinsamkeit vor der Kamera oder hinter den Kulissen. Und auch tonal gehen beide Werke unterschiedliche Wege ein: Das bisher gezeigte Serienmaterial wirkt relativ lebensecht – eine clevere, moderne Sitcom scheint uns zu erwarten. Der Kinofilm ist dagegen mit dem groben Pinsel gezeichnet und deutlich exzentrischer – auf sehr spritzig-launige Weise.
Das kommt durchaus unerwartet: Als sich Filmregisseur Leander Haußmann zuletzt an eine auf einem Bestseller basierende Kinokomödie heranwagte, die Alltagssituationen kommentierte, war dies nicht der große Wurf. «Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken» hatte zwar seine Verteidiger, wurde gemeinhin aber als abgekaute Klischeeaneinanderreihung aufgenommen. Dieses Mal übt sich Haußmann hingegen in der Exzentrik seines Nebendarstellers Detlev Buck, der in seiner «Bibi & Tina»-Reihe üblichen Kinderfilmstoff nimmt und durch eine quirlig-einfallsreiche Verspieltheit zu peppigen Ausnahmeproduktionen formt, die auch abseits ihrer Kernzielgruppe zünden.
Auch «Das Pupertier» könnte eine konventionelle, deutsche Komödie sein: Ein Familienvater (Jan Josef Liefers) nimmt sich eine berufliche Auszeit, um im geräumigen Eigenheim einen Roman zu schreiben und nebenher mehr Zeit mit seiner Tochter (Harriet Herbig-Matten) zu verbringen. Ausgerechnet nun muss aus dem lieben, kleinen Ding aber ein borstiges Pubertier werden – was sich hier jedoch nicht in einer ausgetretenen "Familie muss zusammenhalten"-Dramaturgie äußert. Sondern in einer aufgekratzten Nummernrevue.
Da verwandelt sich das Jugendschlafzimmer in eine Müllkippe von der Größe Mittelerdes, und durch zügige Schnittarbeit bricht Haußmann die üblichen familieninternen Verhandlungsgespräche über Töchterchens erste Party ab, um nach dem heiteren, ersten Hickhack direkt zum unmittelbaren Vorlauf der Party zu springen. Wo sich der Familienvater dann mit Waschbären rumplagt, während sein Altrockerkumpel (Detlev Buck) Panik schiebt, heutige Kinder würden zu langweilige Feten schmeißen. Und an anderer Stelle zaubert der übereifrige Vater aus der Nachbarschaft (Justus von Dohnányi) halt flott einen Laubbläser herbei, einfach um zu unterstreichen, wie abartig perfekt und dauervorbereitet er ist.
Haußmanns durch einen sehr losen roten Faden zusammengehaltener Sketchfilm ist nicht ganz so schrill, bunt und verrückt wie Bucks dritter «Bibi & Tina»-Spaß, aber es reicht für einen Vergleich auf Augenhöhe mit den ersten beiden Teilen der Constantin-Film-Hitreihe. Was dort die Metagags und Genrekommentare sind, um die Eltern des eigentlichen Publikums bei Laune zu halten, sind in «Das Pubertier» diese absurderen Elemente, um auch Nicht-Eltern zu bespaßen. Jüngere Kinobesucher und überzeugte Nichteltern mögen vielleicht Probleme haben, sich damit zu identifizieren, wenn Monika Gruber verzweifelt, weil ihr Leinwandgatte Buck an einer nicht weggeräumten Cola-Dose "ein Exempel statuiert" und seinen Junior nachäfft. Doch wenn Liefers auf denkbar absurdeste Weise an das Laptoppasswort seiner Tochter gelangt, dann ist es dank des schmissigen komödiantischen Tempos aller Beteiligten und der Selbstverständlichkeit, mit der Haußmann diesen und weiteren Irrsinn in glaubwürdige Wortgefechte und Familien-Situationskomik zwängt, auch für Nicht-Eltern unterhaltsam.
Neben den einmal mehr ihren Hang zu cleveren Blödeleien herrlich auslebenden Darstellern Buck, von Dohnányi und Liefers ist es Newcomerin Harriet Herbig-Matten, auf der sich diese Bestselleradaption stützen kann: Die Jungschauspielerin hat selbst dann, wenn ihre Rolle arg pubertiert und daher widersprüchlich, jammernd und befehlshaberisch daherkommt, eine sympathische Leinwandpräsenz. Zudem wechselt sie scheinbar mühelos – und zu komischem Effekt – ratzfatz vom sonderbaren Pubertier hin zur das sonderbare Handeln der überforderten Erwachsenen hinterfragenden, vernünftigen Person. Damit ist sie zwar nicht allein, doch die mit Liefers gut harmonierende Heike Makatsch wird vom Skript, anders als Herbig-Matten, kläglich unterfordert.
«Das Pubertier – Der Film» verschmilzt diverse Eltern-Pubertier-Problemsituationen zu einer zügigen Masse, wobei sich "Die erste Party" in ihrem Mittelteil etwas verzettelt. Dennoch verlässt man das Kino mit dem Wunsch, dass noch ein paar weitere der 22 Erzählungen aus dem Buch mit diesem gut gelaunten Cast und in einer solchen Wortwitz-Schnellfeuer-Umsetzung umgesetzt werden. «Das Pubertier schlägt zurück» darf kommen.
Fazit: Nicht nur für Eltern: Leander Haußmann zeigt auf spritzige Art den Irrsinn, den Eltern denken und fühlen, wenn ihr Liebling pubertiert.
«Das Pubertier» ist ab dem 6. Juli 2017 in vielen deutschen Kinos zu sehen.