Nach dem Überraschungserfolg von «Nachsitzen!» legte RTL am Freitag nun rasch nach und bot seinem Publikum eine weitere frische Familienshow unter der Leitung seiner Allzweckwaffe an. Fehler machte man dabei keine - doch in Großbritannien enttäuschte das Format.
Bisher kann RTL mit seinen Show-Neustarts im Sommer sehr zufrieden sein: «The Wall» debütierte am vergangenen Samstag vor über zweieinhalb Millionen Zuschauern und erzielte sehr gute 16,1 Prozent Zielgruppen-Marktanteil, das von Sat.1 inspirierte «Nachsitzen!» hatte vor zwei Wochen sogar grandiose 19,7 Prozent bei insgesamt 2,81 Millionen verzeichnet. Und mit
«Keep It in the Family» folgt nun auch schon die nächste Sendung, die für leichte Unterhaltung an sommerlichen Abenden garantieren soll. Und genau damit lässt sich der nächste Eintrag in der ohnehin reichhaltig bestückten Vita von Daniel Hartwich auch treffend zusammenfassen, denn die aus dem Vereinigten Königreich stammende Show macht von vornherein keinen Hehl daraus, dass sie die Fernsehwelt nicht zu revolutionieren gedenkt.
Und darum geht es: Familien duellieren sich in Wissens-, Aktions- und Ratespielen und wollen tolle Preise abstauben. Dreh und Angelpunkt der jeweils vierköpfigen Gespanne sind hier die Kids, die nicht nur bei jedem Spiel darüber befinden dürfen, welche Familienmitglieder ins Rennen gehen, sondern sich im Falle eines Sieges auch jeweils zwischen zwei tollen Preisen entscheiden dürfen. Dabei ist in der Regel ein Preis verlockender für die Kinder, bringen dem Rest der Familie aber wenig, während die Alternative meist auf ein tolles Kollektiverlebnis hinzielt.
Clevere Kids sehen das große Ganze - und nackte Menschen
Wer angesichts dessen auf seinen jüngsten Stammtisch-Diskurs rekurriert und mit abfälliger "die Jugend von heute"-Attitüde an den großen juvenilen Ego-Trip glaubt, sieht sich im Laufe der ersten Folge getäuscht: Fast immer entscheiden sich die Kleinen für die (vermeintlich) vernünftigere Alternative und folgen dem oftmals sehr lautstark geäußerten Familienwillen - was auch daran liegt, dass der einzige potenzielle Rebell rasch aus der Show ausscheidet und noch nicht einmal seinen Willen bekommt, dass Mama nackt mit einem Profi auf der Bühne tanzt und nur mit einem Handtuch "bekleidet" Kunststückchen vollführt. Ein durchaus verstörender Beginn, auf den aber nicht mehr allzu fragwürdige Inhalte folgen sollen.
Stattdessen werfen die Kandidaten einander Äpfel auf den Kopf, müssen pantomimisch bestimmte Sachverhalte nachstellen, Begriffe erraten oder mit Buchstaben bewaffnet bestimmte Wörter bilden. Die Spielideen stehen allesamt nicht in dem Verdacht, in Bälde einen Grimme-Preis abzuräumen, sind aber fast immer sehr kurzweilig und unterhaltsam geraten - nicht zuletzt auch deshalb, weil sie nicht überreizt werden. Ohnehin lässt sich hier die größte Stärke der Sendung finden: Mit zwei Stunden Brutto-Sendezeit ist sie für heutige Primetime-Verhältnisse vergleichsweise kurz gehalten. Dank des in jeder Hinsicht moderaten Umfangs der Spiele und der Show an sich kommt also gar nicht erst die Gefahr der Langwierigkeit auf, was im Show-Jahr 2017 ungemein wohltuend ist und gerne wieder vermehrt Schule machen darf.
Viele kleine Pluspunkte und ein böses Wort
Und dann gibt es noch ein paar kleinere Dinge, die alle nicht genug hergeben, um damit einen ganzen Artikel zu füllen, aber fairerweise erwähnt werden sollten: Die bloße Tatsache etwa, dass die teilnehmenden Kandidaten hier authentisch agieren können und und nicht zu "funktionieren" gezwungen werden. Sollte eigentlich der Normalfall sein, doch sechs Tage nach einem krassen Gegenentwurf in «The Wall» darf darauf doch einmal hingewiesen werden. Der Mix aus Quiz und Action funktioniert sehr gut und sorgt für die nötige Abwechslung aus eher schrillen und etwas zurückhaltenderen Momenten - wobei der Lärm dann doch überwiegt. Und so omnipräsent sein Gesicht im RTL-Programm auch sein mag, zeigt Hartwich eben doch einmal mehr sein moderatives Potenzial zur obersten Güteklasse und kommt mit Kindern wie Omis, Normalos wie Promis gleichermaßen problemlos in ein launiges Gespräch, ohne sein Desinteresse allzu offensiv zu zeigen. Dass er sich selbst, alle Beteiligten und die Show mal wieder nicht allzu ernst nimmt, ist angesichts des Konvoluts an dargebotenen Banalitäten auch ebenso angenehm wie angemessen.
Doch Moment, da fiel eben ein böses Wort: "Promis". Jap, auch hier kommt man nicht völlig ohne altbekannte Fernsehnasen (in diesem Fall Motsi Mabuse, Jorge Gonzales, Joachim Llambi und Massimo Sinato) aus, wobei sie über weite Strecken lediglich dazu eingesetzt werden, ihre Preise vorzustellen - und gerne mal durch die Falltür plumpsen, wenn sie damit nicht den Nerv der Kiddies treffen. Das ist okay, macht mitunter sogar Laune und dank Hartwich ist man nach dem Sturz ja auch unbesorgt: "Das sind Promis, die tauchen schon irgendwo wieder auf."
Wie hat euch der Auftakt von «Keep It in the Family» gefallen?
Fazit: Was soll da schiefgehen? In UK fand man da was
Und somit hat man letztlich ein gutes Gefühl, was den Erfolg der Show anbetrifft und weiß gar nicht so recht, was man daran kritisieren soll. Klar, alles weit davon weg, das nächste ganz große Ding zu werden, aber 90 Prozent der Shows werden auch eher für den grauen TV-Alltag als für die glamouröse, über Jahre und Dekaden hinweg im Gedächtnis bleibende Sternstunde produziert - und um diesen Alltag etwas positiver und lebhafter zu gestalten, ist «Keep It in the Family» sehr gut geeignet. Blickt man aber ins Heimatland Großbritannien, wo die Sendung bereits 2014 erstmals mit Bradley Walsh auf Zuschauerjagd gegangen war, kommen dann doch Zweifel auf: Der große Erfolg blieb da nämlich aus, auch wenn ITV weiterhin an das Potenzial glaubt und bald eine dritte Staffel produzieren möchte.
RTL jedenfalls wird noch drei weitere Folgen zeigen, jeweils freitags um 20:15 Uhr.