Der Glaube an einen sauberen Radsport scheint beim deutschen Publikum allmählich wieder zurückzukehren. Die Übertragungen im Ersten jedenfalls sind so gefragt wie seit 2008 nicht mehr. Von einem Gassenhauer ist man aber nach wie vor weit entfernt.
Ob einen Lance Armstrongs Weltklasse-Leistungen mehr begeisterten oder man doch eher in lokalpatriotischer Tradition einem Jan Ullrich zujubelte - die Radsport-Helden einer ganzen Generation stellten sich im Nachhinein fast alle als mehr oder minder krasse Dopingsünder heraus. Die Skandale, mit der sich dieser einst so beliebte Sport herumschlagen musste, führten schließlich dazu, dass sich von 2012 bis 2014 überhaupt kein großer Sender in Deutschland mehr fand, der daran interessiert war, die
Tour de France live auszustrahlen. Erst 2015 ließ sich Das Erste zu einer Rolle rückwärts bewegen - und zwei Jahre später scheint auch beim Publikum die Bereitschaft zu steigen, den wandelnden Medizinschränken vergangener Zeiten zu verzeihen und dem Sport eine zweite Chance zu geben.
Sicherlich hilfreich war da der Umstand, dass man an den ersten beiden Tagen zumindest partiell durch den Westen der Bundesrepublik fuhr. Das Einzelfahren am 1. Juni durch Düsseldorf kam dabei auf soeben zweistellige 10,0 Prozent des Gesamtpublikums sowie 6,5 Prozent der 14- bis 49-Jährigen, die damit verbundene Reichweite betrug 1,31 Millionen. Die zweite Etappe führte dann am Sonntag von Düsseldorf über weitere Teile NRWs bis hin ins belgische Lüttich, mit 10,1 und 5,8 Prozent bei 1,49 Millionen wurden in etwa dieselben Werte verbucht wie am Vortag. Vermutlich dürfte man sich einen etwas größeren Boost durch den Trip durch Deutschland erhofft haben, als nicht einmal den Senderschnitt zu erreichen.
Spannend war für Programmverantwortliche wie Radsportler zugleich, wie sich das Interesse über die Woche hinweg entwickeln würde, wo Das Erste meist ab 16:15 Uhr weitere Livestrecken installierte - und für die Etappen drei bis sechs sogar minimal bessere Gesamt-Marktanteile zwischen 10,4 und 11,5 Prozent generierte. Was den kleinen, schönen Erfolg ein wenig schmälerte: Die damit verbundenen Zuschauerzahlen lagen nur noch bei etwas mehr als einer Million und bei den Jüngeren wurden nur noch etwas mehr als fünf Prozent eingefahren, bevor dann am Donnerstag überraschend starke 7,7 Prozent zu Buche standen. Erstaunlich war auch das Abschneiden am Freitag: Insgesamt wurde mit 9,8 Prozent bei 1,09 Millionen erstmals die Zweistelligkeit verfehlt, bei den Jüngeren aber wurden erneut überzeugende 7,0 Prozent eingefahren.
Ein kleiner Einbruch erfolgte dann am Samstag, wo Etappe acht mit 0,94 Millionen erstmals die Millionenmarke verpasste und überdies mit 9,4 Prozent aller bzw. 4,3 Prozent der jungen Konsumenten die bis dato schwächsten Marktanteile des Jahres hinnehmen musste. Schlimm war dies aber keineswegs, denn schon tags darauf kletterte die Reichweite signifikant auf 1,63 Millionen, was schönen 11,4 und 7,7 Prozent entsprach. Und am Mittwoch wurden dann mit 11,3 und 7,5 Prozent bei 1,50 Millionen auch noch neue Rekordzahlen für die Etappen unter der Woche verzeichnet, bevor am Donnerstag schon um 15:15 Uhr nach Frankreich geschaltet wurde. Mit 11,7 und 6,7 Prozent bei 1,22 Millionen fielen die Werte abermals erfreulich aus, bevor am Freitag sogar geradezu fantastische 12,7 und 8,4 Prozent bei 1,52 Millionen zu Buche standen.
Das Gesamtfazit nach 13 von 21 Etappen kann sich durchaus sehen lassen: Mit durchschnittlich 1,26 Millionen Zuschauern gingen zwar wahrlich nicht spektakuläre 10,7 Prozent des Gesamtpublikums und 6,5 Prozent der 14- bis 49-Jährigen einher, doch im direkten Vergleich mit den beiden Vorjahren ist man damit aktuell sehr gut unterwegs. So wurden vor zwei Jahren nur miese 9,3 und 5,1 Prozent bei durchschnittlich 1,07 Millionen verzeichnet, im Vorjahr stagnierten die Live-Präsentationen auf nahezu identischem Niveau. Bedenkt man dann noch, dass sich das ARD-Hauptprogramm im Laufe der vergangenen Jahre auf dem 16:15-Uhr-Slot unter der Woche deutlich zum schlechteren entwickelt und zuletzt mit den Quizshows «So war's!» und «Schätzen Sie mal!» neue Tiefpunkte erreicht hat, lesen sich die Werte für das bekannteste Radsport-Event der Welt so schlecht nun wahrlich nicht - zumal es sich in den vergangenen Tagen auch noch ganz schön hat steigern können.
Man muss nämlich auch ganz schön weit in die Vergangenheit zurückblicken, um ein Jahr auszumachen, in dem es zumindest in den ersten beiden Tourwochen besser lief - genauer gesagt ins Jahr 2008, als ARD und ZDF sich die Übertragungen noch teilten und im Zuge der ersten 13 Etappen auf durchschnittlich 1,33 Millionen Interessenten und 12,3 sowie 7,7 Prozent zu verweisen hatten. Sollte sich also bis zum Ende der Tour am kommenden Sonntag keine dramatische Negativspirale mehr auftun, könnte sich ein etwas größerer Silberstreifen am Horizont auftun. Den zahlreichen ehrlichen Radsportlern wäre es gewiss zu gönnen, dass wieder vermehrt Menschen Freude an ihrer Passion finden - und bei ihr nicht gleich an die ganz traurigen Episoden des modernen Profisports denken müssen.