Von Space-Hexen bis Pizza-Katzen – Die bunte und absurde Welt von «K-RTL»

Christian Richter erinnert an all die Fernsehmomente, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 334: So sah in den 90er Jahren das Kinderprogramm von RTL aus.

Liebe Fernsehgemeinde, der Kanal RTLplus begann bereits kurz nach der Aufnahme seines Betriebs, Sendungen in sein Programm aufzunehmen, die sich gezielt an Kinder richteten. Zunächst schuf man dafür die Reihe «RTLminiplus», in der Matthias „Metty“ Krings und Yvonne von dem Bussche ab 1985 wöchentlich einen Märchenfilm sowie Gäste, Spiele und Bastelaktivitäten zu einem gemeinsamen Thema zeigten. Nach deren Einstellung befanden sich dann Serien für Kids nur noch einzeln und verstreut im Programm - wie «Inspektor Gadget» (samstags 16.00 Uhr) und «M.A.S.K.» (montags & freitags gegen 17.30 Uhr). Erst ab 1989 versuchten die Verantwortlichen schrittweise, das Angebot für Kinder zu mehrstündigen Programmflächen am Wochenende zusammenzufassen. Am Samstag erfolgte dies anfangs unter dem Label «Konfetti», welches Serien wie «Noozles», «Cubitus» und «Sharky» umfasste. Erweitert wurde diese Fläche ab 1991 durch den Block «Marvel Universum», der die Trick-Adaptionen von «Spiderman», «Der mächtige Thor», «The Fantastic Four» und «Iron Man», aber auch «Robocop», «Dungeons & Dragons» und «Dino-Riders» abwechselnd enthielt. Ab 12.00 Uhr lieferten dann die Abenteuer von «Captain N», «He-Man», der «Super Mario Bros» sowie der «Teenage Mutant Hero Turtles» für zahlreiche Kinder die Ausrede dafür, um weiter fernsehen zu dürfen.

Im Jahr 1993 folgte schließlich die Zusammenfassung all dieser disparaten Elemente unter der einheitlichen Marke «K-RTL». Um dieser Buchstabenkombination zu gedenken, die noch immer eine ganze Generation wehmütig aufseufzen lässt, blicken wir diesmal auf einen typischen Samstagvormittag bei «K-RTL» mit all seinen Klassikern und skurrilen Formaten zurück – genauer, wir widmen uns dem 28. Mai 1994.

Das Programm von K-RTL am Samstag



05.30 «Bob, der Flaschengeist»
Auf einem alten Dachboden findet der Junge Joey Carter eine geheimnisvolle Flasche, in der ein durchgedrehter Dschinn sitzt, der ihn fortan vor dem Rowdy Ripper und er bissigen Bulldogge Tilli beschützt. Allerdings stürzt Bobs Tochter Lana die ohnehin schon verrückten Situationen regelmäßig noch mehr ins Chaos... Für eine Auswertung auf dem US-Markt wurde die japanische Serie neu vertont, in Zuge dessen sämtliche Figuren amerikanische Namen verpasst bekamen. Diese internationale Version lief letztlich auch im deutschen Fernsehen.



05.55 «Yogi Bär»
Der freundliche Braunbär mit Hut und Krawatte, der es sehr zum Missfallen von Ranger Smith liebt, im Jellystone Nationalpark die Picknick-Körbe der Touristen zu stehlen, gehört bereits seit dem Jahr 1958 zu den legendärsten Zeichentrickfiguren Amerikas. Nach Deutschland fand sie ihren Weg bereits in den 60er Jahren. Damals noch im Vorabendprogramm der ARD.



06.20 «Piff und Herkules»
Bei dieser französischen Trickserie handelte es sich um die Verfilmung einer in ihrem Heimatland sehr beliebten Comic-Reihe. In Deutschland erschienen die Abenteuer des hochnäsigen Katers Herkules und des schlauen Hundes Piff in den YPS-Heften. Für die Musik der Serie war unter anderem der spätere Oscar-Preisträger Alexandre Desplat («Grand Budapest Hotel») verantwortlich.



06.45 «Die Jetsons»
Die witzige Familie aus einer entfernten und bunten Zukunft, flog das erste Mal im Jahr 1962 über die US-Bildschirme und stammte wie «Familie Feuerstein» und «Yogi Bär» aus dem Hause Hanna-Barbera. In Deutschland begeisterte sie das heimische Publikum ab dem Jahr 1970 – wie «Yogi Bär» zunächst im Regionalprogramm der ARD.



07.10 «Im Tal der Dinosaurier»
Die Produktion, in der eine Familie durch einen Wasserstrudel in eine Welt gezogen wurde, in der noch immer Dinosaurier lebten, stammte ebenfalls von Hanna-Barbera, war allerdings weniger bunt und witzig angelegt als «Yogi Bär» oder «Die Jetsons«. Die 16 ausgestrahlten Episoden stammten aus dem Jahr 1974.



07.35 «Samurai Pizza Cats»
Im Mittelpunkt der japanischen Zeichentrickserie standen die drei Katzen mit den überragend übersetzten Namen Speedy Gorgonzola, Guido Casanova und Polly Ester, die im spacigen Little Tokyo eine Pizzeria betrieben. Allerdings diente diese nur der Tarnung, denn eigentlich kämpften die Pizza-Bäcker mit ihren bionischen Anzügen gegen den fiesen Schurken Big Zaster, der regelmäßig die Stadt bedrohte.



08.00 «Comix»
Bei diesem Magazin handelte es sich um ein wahres Kuriosum des deutschen Kinderprogramms, das nahezu vollständig in Vergessenheit geraten ist. In der Sendung stellte Matthias Krings (vormals «RTLminiplus») nämlich nicht nur neue Comics und das zugehörige Merchandising vor, sondern vertonte und animierte auch berühmte Bild-Geschichten, sodass die gedruckten Abenteuer von Donald Duck, Captain America & Co. quasi zum Leben erweckt wurden.

08.30 «Die Hurricans»
Ein fiktives Fußballteam musste in dieser britischen Serie aussichtslose Spiele gegen schwere Gegner gewinnen und auf ihren Reisen parallel noch so manchen Kriminalfall lösen.



08.55 «Gullivers Reisen»
Wie der Name es vermuten lässt, war diese Produktion aus dem Jahr 1992 eine weitere Variante des berühmten Romans von Jonathan Swift, in der es den Seefahrer Gulliver erneut ins Land Lilliput verschlug.

09.20 «Dschungel-Patrouille»
Henry Hirsch, Barney Bär, Eddie Eichhörnchen, Kitty Kaninchen, Ernie Eber und Pete Pinguin bildeten die mutige Einsatztruppe von König Leo, die immer dann eingreifen musste, wenn ein Tier im Dschungel in Not geraten war. Die brave japanische Serie aus dem Jahr 1974, in der Tiere anderen Tieren halfen, schaffte es später auch in den Ki.Ka sowie ins Kinderprogramm der ARD-Anstalten.



09.45 «Transformers»
Basierend auf dem gleichnamigen Spielzeug von Hasbro, stellte die Serie die erste Umsetzung der außerirdischen Roboter dar, die sich in schnelle Autos, strotzende Trucks oder wendige Flugzeuge verwandeln konnten. Unzählige weitere Versionen – inkl. der umstrittenen Kino-Reihe von Michael Bay - sollten folgen.



10.10 «T-Rex»
Am Tage waren die fünf Tyrannosaurus-Brüder talentierte und erfolgreiche Musiker in einem zwielichtigen Club, doch in der Nacht bekämpften sie als Spezial-Einheit „T-Rex“ das Unrecht aus der Unterwelt. Dabei hatte jeder T-Rex seine besondere Fähigkeit, um gegen den Mafiosi Big Boss Graves und seine Handlanger antreten zu können.



10.35 «Lazer Patrol»
Eine Serie, die Barney Stinston zum Jubeln bringen würde, denn im Original hieß sie «Lazer Tag Academy» und war tatsächlich vom gleichnamigen Freizeitspaß inspiriert. Darin wurde der amtierende Lazer-Tag-Champion Jamie aus dem Jahr 3010 ins Jahr 1980 befördert, um seinen jugendlichen Vorfahren im Kampf gegen den ebenfalls aus der Zukunft stammenden Schurken Draxon Drear zu unterstützen. Dieser plante nämlich die Erfindung der Starlyte Waffe und dem Starsensor (also der echten technischen Grundlage von Lazer Tag) zu verhindern. Schade, nach 13 Folgen war es mit diesem abgefahrenen Plot schon wieder vorbei.



11.05 «Biker Mice From Mars»
Und eine weitere Serie mit hanebüchener Story: Auf dem Mars lebte eine Gruppe menschlicher Mäuse, die (warum auch immer) gern Motorrad fuhr. Als jedoch die Plutorianer den Planeten angriffen, konnten die Biker-Mäuse Throttle, Modo und Vinnie mit einem Raumschiff fliehen. Weit kamen sie aber nicht, da ihr Shuttle auf der Erde abstürzte und sie ins schmuddelige Chicago verschlug. Dort mussten sie feststellen, dass der größte Industrielle der Stadt ein als Mensch getarnter Plutorianer war, der die Rohstoffe der Erde rauben und zu seiner ausgelaugten Heimat transportieren wollte.



11.35 «X-Men»
Gute Mutanten gegen böse Mutanten. Prof. Xavier gegen Magneto. Nach einem missglückten Versuch bildete diese Produktion die erste geglückte Adaption der beliebten Marvel-Comic-Reihe. Weitere Serien und zahlreiche Kinofilme sollten ihr folgen...

12.00 «Power Rangers»
Nachdem zwei Astronauten eine unbekannte Kiste auf dem Mond geöffnet hatten, verhalfen sie versehentlich der darin gefangenen kosmischen Hexe Rita zur Flucht. Nach Rache sinnend beschloss diese, die naheliegende Erde zu erobern. Doch der mächtige, aber körperlose Zordon, der Rita einst verbannte, wählte fünf tapfere und aufrichtige Teenager aus der amerikanischen Kleinstadt Angel Grove aus, um sie stellvertretend in den Kampf gegen die außerirdische Bedrohung zu schicken. Ausgestattet mit bunten Anzügen, persönlichen mechanischen Dinosaurier-Robotern (Zords) und einer Extra-Portion Power gelang es ihnen überraschend, in jeder Folge die immer neuen Monster der Hexe in die Flucht zu schlagen. Dabei basierte die für den US-Markt konzipierte Serie auf der japanischen Vorlage «Super Sentai Zyuranger». Da diese allerdings sehr mit der fernöstlichen Kultur verbunden war, produzierte man kurzerhand die Rahmenhandlung mit kalifornischen Teenagern neu und kombinierte diese mit den bereits vorhandenen Actionszenen und Kämpfen des Originals. Nicht umsonst bewegten die Ranger während der Schlachten niemals ihre Münder. Erst bei späteren Staffeln begann man, eigene Prügeleien zu drehen. Aufgrund der Tatsache, dass sämtliche Konflikte innerhalb der Handlung in körperlichen Auseinandersetzungen gipfelten, wurde die Serie zum Inbegriff der vermeintlichen Schädlichkeit von gewalttätigem Kinderprogramm und zum Paradebeispiel für alle besorgten Jugendschützer. Dem Erfolg der Marke haben diese Diskussionen dennoch nicht geschadet. Bis heute sind über 750 Folgen in 21 Staffeln entstanden… und sie kämpfen noch immer weiter. Go, Go Power Ranger!

Und außerdem...


Parallel zu all dem, behauptete sich am Sonntagmorgen der «Li-La-Launebär», in der Matthias Krings und sein bäriger Freund harmlose Trickserien und lehrreiche Einspielfilme präsentierten. Trotz der lautstarken Invasion von Marvel-Helden und Videospielfiguren konnte sich die Sendung, die schon damals stets etwas aus der Zeit gefallen wirkte, noch bis in den Herbst 1994 retten. Dann aber übernahm RTL die Disney-Rechte und ersetzte den Klassiker sowie weite Teile seines samstäglichen «K-RTL»-Line-Ups durch die Mantelsegmente «Disney & Co» und «Team Disney».

Mögen die Serien in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint voraussichtlich am Donnerstag, den 17. August 2017 und widmet sích dann 5 Sendungen für den Sommer.
27.07.2017 11:05 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/94696