Die Bundesliga bei Eurosport: „Wollen relevant und fair sein“

Man werde seine Übertragungen nicht auf Krawall bürsten, um Schlagzeilen zu generieren, verspricht Gernot Bauer. Der Eurosport-Sportchef sprach mit Quotenmeter.de ausführlich über seine Bundesliga-Pläne: Das neue Duo Sammer/Henkel, eine Chance für den Nachwuchs, die Kritik von FC Bayern-Präsident Hoeneß und vieles mehr.

Die neuen Fußballrechte bei Eurosport

  • DFL-Paket A: 45 Spiele, darunter 30x Freitag, 20.30 Uhr (davon 27 oder 28 exklusiv). Je 5x Sonntag, 13.30 Uhr (parallel zu Liga 2 bei Sky) und Montag, 20.30 Uhr (anstelle von Liga 2). Dazu Supercup (nicht-exklusiv) und Relegation zw. Liga 1 und 2.
  • Wie sehe ich es? Die Spiele laufen auf dem neuen Sender Eurosport 2xtraHD innerhalb des Eurosport Players. Der Eurosport Player ist der digitale Streaming-Dienst von Eurosport und bietet Zugriff auf die Live-Streams der Eurosport TV-Sender sowie weitere Sportinhalte und ist auf den Bildschirmen moderner Fernseher, auf Computern, Tablets und auf einigen mobilen Endgeräten empfangbar.
  • Was kostet es? Derzeitiges Angebot: 29,99 Euro für 1 Jahr (Vertrag würde sich automatisch zu den dann gültigen Konditionen verlängern)
Herr Bauer, Sie haben eine spannende Zeit hinter sich. Sie haben ein Team für 45 Bundesliga-Spiele, viele davon exklusiv im Eurosport Player, zusammengestellt. Am Samstag nun geht es los. Mal rückblickend gefragt: War es einfacher oder schwerer als gedacht?
Gernot Bauer:Sicherlich nicht schwerer. Letztlich war es die erwartete Arbeit für das Projekt Bundesliga. In den Schlüsselbereichen hat es mir mein Team sogar leichter gemacht als gedacht. Jan Henkel und Matthias Sammer bringen sich so fantastisch in die Vorbereitung mit ein, das ist Wahnsinn. Wir sind alle schon ein echtes Team geworden, verstehen uns auch auf privater Ebene. Jan und Matthias kleben quasi täglich mit den Producern zusammen und kreieren Ideen.

Wieso fiel Ihre Wahl auf das Duo Sammer/Henkel?
Die Personalie Matthias Sammer war in drei Minuten entschieden. Jeder bei uns hier hatte drei, vier Namen auf dem Zettel und überall stand Matthias auf Platz eins. Er ist extrem meinungsstark, hat großes Fachwissen. Wir alle können noch von ihm lernen. Bei Jan Henkel mussten wir ähnlich kurz überlegen. Jan kenne ich noch aus den 90ern, damals bei Sport1, später dann auch von Sky. Wir haben immer gut zusammengearbeitet. Er ist ein toller und charakterlich großartiger Mensch. Und mit Marco Hagemann und Matthias Stach hatten wir ja schon Bundesliga-erfahrene Kommentatoren bei uns in der Redaktion.

Die Idee, Wolfgang Nadvornik zu holen, hatte ich seit längerem im Kopf. Wir kennen uns aus dem alpinen Ski-Zirkus und haben immer wieder Kontakt gehabt. Ich wollte auf dieser Position eine erfahrene Person haben, die diese Aufgabe aus dem Stand zu hundert Prozent ausfüllen, aber auch junge Kollegen mit Perspektive heranführen kann. Wolfgang hat lange beim BR und der ARD auf hohem Niveau gearbeitet und wird sicher ein tolles Comeback geben.

Kurz zu Matthias Sammer. Da sind die Erwartungen der Liga ja schon klar. Uli Hoeneß hat angeraten, dass er lieber nur wenig zum FC Bayern sagen soll…
Beim Eröffnungsspiel am 18. August wird er sicherlich viel über den FC Bayern München sprechen. Auch bereits beim Supercup in Dortmund am 5. August. Matthias hat viel Respekt vor seinem ehemaligen Arbeitgeber und noch gute Kontakte dorthin. Aber er wird kein Blatt vor den Mund nehmen. Wir wollen den Finger in die Wunde legen, wenn es denn eine Wunde gibt. Aber wir wollen niemals mit dem Finger auf jemanden zeigen. Wir hatten kürzlich ein Treffen mit den Pressestellen der Vereine, das machen alle Sender und stellen dort ihre Ideen und auch die Tonalität der Übertragung vor. Matthias Sammer als Bundesliga-Experte kam dort bei jedem Verein sehr gut an.

Gerade bei neueren Produkten verschwammen zuletzt die Rollen der On-Air-Gesichter mehr und mehr. Experten moderieren manchmal etwas mit, Kommentatoren werden zu Experten und und und. Wie klassisch halten Sie es?
Matthias Sammer ist ganz klar unser Experte. Er soll in dieser Rolle bleiben und den Zuschauern vermitteln, was im Kopf eines Trainers vorgeht oder in der Kabine vor dem Spiel passiert. Er soll die Fans quasi an Plätze mitnehmen, die sie nicht kennen. Jan Henkel ist klassischer Moderator, der Matthias Sammer auch mal bremsen und führen wird. Wir wollen den Fußball auf hohem Niveau analysieren, mal intensiv über Taktik reden – aber nie so viel, dass der Zuschauer sich langweilt. Bei Jan ist das Thema perfekt aufgehoben, er ist so tief in taktischen Dingen drin, dass ich ihm sogar den Job als Bundesliga-Trainer zutrauen würde (lacht). Beim Kommentator und Field-Reporter wählen wir auch einen klassischen Ansatz.

Sammer, Henkel, Stach, Hagemann: Alles erfahrene Leute. Wo haben die Newcomer Platz?
Wir werden neben Hagemann und Stach noch zwei weitere Kommentatoren einsetzen, die allerdings weniger Einsätze haben werden. Dann haben wir mit Tobias Hlusiak, eigentlich Online-Redakteur bei uns, einen talentierten Mann in den eigenen Reihen, der auch schon bei einigen Junioren-Länderspielen als Field-Reporter im Einsatz war. Ich bin mir sicher, dass er seine Einsätze kriegen
wird.

Auch Birgit Nössing soll am Spielfeldrand als Interviewerin auftreten. Grundsätzlich arbeiten wir immer mit einem Interviewer, bei Derbys auch mal mit zwei. Nicht zuletzt haben wir mit Max Zielke ein weiteres Talent neu bei uns, ebenfalls ein junger Kerl, der zusammen mit Tobias Hlusiak unsere neue Webshow präsentiert.

Lesen Sie auf Seite 2: Kommen Co-Kommentatoren bei Eurosport und wieso wird FIFA 18 wichtig für die TV-Sender.


Wie stehen Sie zum Thema Co-Kommentar? DAZN verfolgt das recht zielstrebig.
Wir wollen zu Beginn auch bewusst nicht zu viel machen
Gernot Bauer, bei Eurosport für das Produkt Bundesliga verantwortlich
Ich bin ein Fan davon, ganz klar. Wir werden im Laufe der Saison in dieser Richtung auch etwas probieren. Aber wir wollen zu Beginn auch bewusst nicht zu viel machen. Da hat man dann zwei Field-Reporter, einen Moderator, einen Experten, weitere Gäste, Kommentator… Es darf kein Overload werden. Ich selbst bin mit dem Premiere-Topspiel groß geworden, erinnere mich auch noch gut an den Co-Kommentar von Karl-Heinz Rummenigge bei der WM. Sowohl Matthias Stach als auch Marco Hagemann können all das alleine – würden sich aber auch über einen Partner an ihrer Seite freuen. Nur: Es muss auch Sinn ergeben. Leider haben heute ja Bundesliga-Trainer, die sonntags spielen, am Freitag keine Zeit mehr, einmal in einer solchen Rolle aufzutreten.

Wie werden die 90 Minuten bei Ihnen aussehen? Sky priorisiert ja teilweise, hat dann bei Topspielen mehr Kameras im Stadion…
Die DFL bietet einen sehr hohen Produktionsstandard an und wir übernehmen das Basis-Signal für unsere Live-Berichterstattung, ohne den Einsatz von zusätzlichen Kameras.

Und rund herum? Jan Henkel und Matthias Sammer melden sich aus dem Stadion…
Richtig: Wir werden mit einem eigenen Studio direkt aus dem Stadion senden – dieses wird an jedem Spieltag direkt im Logenbereich mit Blick auf das Spielfeld aufgebaut. Ende Juli war Abnahme und ich bin wirklich sehr zufrieden damit. Das Studio passt sehr gut zu unserem Slogan „Thank God it’s Matchday“. Lassen Sie sich überraschen. Wir haben uns zudem für ein ungewöhnliches Grafik-Design entschieden – und sind sehr stolz, dass unser Eurosport-internes „Star-Team“, das ist unsere Kreativ-Abteilung, ein besonderes Look & Feel geschaffen hat. Und wir sind natürlich unten am Spielfeldrand – mit unseren Interviewern. Wir wollen das wirklich klar trennen. Oben im Studio, da ist Platz für die kleine und feine Analyse.

Wenn Sie all das ansprechen? In welche Richtung schaut man denn, wenn man Grafik, Studiodesign und Konzepte erarbeitet? Nach Amerika, zu Sky? Zu ARD/ZDF?
Meine Vita ist ja sehr international und ich weiß, dass jeder Markt seine Eigenheiten hat. In Frankreich zum Beispiel ist man sehr auf Tuchfühlung und stets nah am Geschehen dran. Da kommt viel direkt vom Feld, Studios sind dort eher klein gehalten. Es stört auch nicht, wenn der Zuschauer mal ein Kabel oder einen Kameramann im Bildausschnitt sieht. So etwas gibt es beispielsweise bei der BBC nicht. Hier wird mehr Augenmerk auf die Präsentation gelegt und es kommt alle drei Minuten die Maske an den Spielfeldrand und tupft den Moderator noch ab. Im Amerikanischen geht der Trend zu großen Studios, wo mit vielen Gästen gesprochen wird. Da muss man manchmal aufpassen, dass das nicht zu viel wird. Wir haben uns konkret Sendungen aus der NFL und der NBA angesehen und auch bei NBC gründlich hingeschaut.

Wie sieht’s mit Spielereien aus? Also Spieler in Übergröße virtuell auf das Spielfeld zu projizieren?

Wortweiser Augmented Reality

Der Begriff bezeichnet das Verschwimmen zwischen Animation und Realität. Zu den gängigen AR-Anwendungen zählt neben Google Glass etwa auch moderne TV-Technik, die etwa Freistoßentfernungen, Statistiken oder ganze Spieler in ein Umfeld projiziert.
Ich denke, dass die Möglichkeiten immer vielfältiger werden. Einiges kommt ja auch schon von den Ligen und Verbänden. Ich denke da an den Motorsport, wo es Pflicht ist, dass die Fahrer mal ohne Helm zu sehen sind. Es gibt inzwischen Video-animierte Aufstellungen. Letztlich ist es auch ein Kostenfaktor. Will man das als Sender produzieren (und dann vielleicht den Last-Minute-Transfer noch nachdrehen?). Ich glaube: Meine Mutter würde sagen, dass sie all das nicht braucht und nur das Spiel sehen will. Meine Söhne werden, wenn sie in ein paar Jahren alt genug sind, damit aufgewachsen sein und genau das auch fordern. Diese Trends entstehen ja inzwischen spannenderweise eher bei Konsolen-Spielen. Das, was FIFA 18 grafisch anbietet, wird auch den Weg ins Fernsehen schaffen. Die junge Zielgruppe will diese Grafiken und deshalb ist es letztlich auch für die Werbetreibenden wichtig.

Welche Ziele haben Sie? Wie werden Sie Erfolg definieren? Über Zuschauerzahlen, über 5-Sterne in der Sport-Bild-TV-Kritik?
Über fünf Sterne wird sich niemand beschweren. Ich kümmere mich bei Eurosport um Inhalte, nicht um die Zahlen. Die beste Werbung ist immer noch ein gutes Produkt- Je mehr es schauen, desto schöner ist es aber, das ist ja klar. In erster Linie wollen wir relevant sein und fair. Unsere Sendungen werden nicht auf Krawall gebürstet sein, nur um Schlagzeilen zu produzieren.

Wie wird das Rahmenprogramm bei Eurosport aussehen? Während Sie ja im Eurosport Player auf Eurosport 2HD Xtra immer mit einer Stunde Vorlauf starten, haben Sie ja auch Programm für Eurosport 1 im Free-TV angekündigt.
Wir wollen freitags stets eine große Fußballstrecke im Free-TV anbieten. Wenn möglich, startet diese schon mit aktuellem Fußball, etwa der MLS, also dem wöchentlichen Schweinsteiger-Spiel oder ähnlichen Übertragungen. Um 19 Uhr kommt ein neues Format, das «#TGIM – Sofa United» heißt, laut sein wird und von Emotionen lebt. Wir besuchen in diesem Format an jedem Spieltag Fans bei sich zu Hause und begleiten sie beim Fußballschauen. Ab 19.30 Uhr geht es in unser Studio in München, das im neuen Bundesliga-Design daherkommen wird. Von dort gibt es die Klammer rund um das Eurosport Player-Spiel. Heißt: Wir produzieren parallel zwei Vorläufe:

Für’s Pay-Spiel im Stadion, für’s Free-TV im Studio. Ab 22.45 Uhr wird sich dann auch immer unser Talk «#TGIM – Der Talk» aus dem Studio anschließen. Mit Gästen werden wir das Freitags-Spiel besprechen und auf’s Wochenende schauen.

Der Talk wird künftig von zwei Leuten im Wechsel präsentiert, weil Marco Hagemann ja schon als Kommentator im Stadion agieren wird. Können Sie denn schon sagen, wie die Aufteilung in etwa sein wird?
Das kommt noch auf einige Dienstplanfeinheiten an. Ich würde sagen, dass Marco Hagemann als unsere klare Nummer eins rund 60 Prozent der Spiele kommentieren wird. Dann wird ein neuer Kollege den Talk machen. Den Namen geben wir bald bekannt. Wir müssen aber auch schauen, wie wir während Olympia verfahren. Jan Henkel ist dann mit dem Olympia-Team im Einsatz, genau wie Wolfgang Nadvornik und Matthias Stach. Vielleicht moderiert dann Marco Hagemann auch mal die Live-Sendung mit Matthias Sammer und einer unserer jungen Stimmen sitzt am Kommentatoren-Platz. Das alles werden wir Ende des Jahres eintüten können, wenn die DFL festgelegt hat, ob in diesen zwei Wochen auch Sonntags- und Montagsspiele, die bei uns im Paket sind, stattfinden.

Letzte Frage: Wer wird Meister und wo wird es noch spannend? Geht der HSV wieder in die Relegation, die ja exklusiv bei Ihnen läuft?
Ich habe ja eine Affinität zu den Nord-Vereinen und deshalb wünsche ich es dem HSV eigentlich nicht. Mein Herzensverein ist übrigens gerade wieder aufgestiegen. Mehr verrate ich jetzt aber nicht. Was die Frage nach dem Meister angeht: Ich bin jetzt mutig und sage: Leipzig macht diesmal das Rennen.

Danke für das Gespräch und alles Gute für die erste große Sendung am kommenden Samstag ab 19.30 Uhr.
02.08.2017 12:00 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/94745